Programmtexte beeinflussen Musikgenuss

Lebendig geschriebene Informationen sind für den Höreindruck wichtiger als das Prestige des Komponisten

Bei der Frage, wie gut klassische Musik den Zuhörern gefällt, spielen neben dem Klang auch andere Faktoren eine Rolle. Bisher wusste man etwa, dass das Prestige des Komponisten den Hörgenuss beeinflusst. Eine Studie des Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik zeigt nun: Das gilt nicht für alle Zuhörer. Lebendige Texte beispielsweise in Programmheften fördern dagegen im Publikum insgesamt die Freude an der Musik.

Das Hören von klassischer Musik wird häufig begleitet von Informationen über die Stücke: Im Konzert und in der Oper werden Programmhefte verteilt, zu jeder guten Klassik-CD gehört ein Booklet und im Radio werden klassische Stücke anmoderiert. Eine Studie am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik untersuchte nun den Einfluss verschiedener Informationen auf die Bewertung der gehörten Musik.

Zwei Fragen beschäftigten dabei die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Hat die Bekanntheit der Komponisten einen Einfluss auf das Gefallen der Stücke? Wie beeinflussen stilistisch unterschiedliche Einführungstexte die Einschätzung der Musik? Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hörten im Rahmen der Studie eine Sinfonia von Josef Mysliveček (1737–1781). Während die eine Hälfte der Teilnehmer die richtigen Informationen über den Urheber des Stückes erhielten, wurde gegenüber der anderen Hälfte behauptet, es handle sich um ein Stück von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791). Vor dem Hören lasen die Teilnehmer beider Gruppen zudem eine kurze Einführung: Eine Gruppe erhielt einen Text, der auf lebhafte, teils blumige Weise die expressive Bedeutsamkeit der Sinfonia beschrieb, während der Text der zweiten Gruppe die formalen Eigenheiten der Sinfonia beschrieb. Nach dem Hören bewerteten alle Teilnehmer die Sinfonia unter anderem danach, wie gut ihnen die Musik gefiel.

Lebendige Texte wirken positiv, Prestige beeinflusst junge Menschen

Die kürzlich in der Fachzeitschrift „Psychology of Music“ veröffentlichten Ergebnisse bestätigen die naheliegende Vermutung, dass Vorabinformationen einen nachhaltigen Einfluss auf das Hörerleben von Musik haben: „Aber anders als gemeinhein vermutet, spielt der sogenannte Prestige-Effekt eine geringere Rolle als bisher angenommen“, erklärt Michaela Kaufmann, Musikwissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik und Co-Autorin der Studie. So konnte das Forschungsteam, zu dem neben Michaela Kaufmann auch Timo Fischinger und Wolff Schlotz vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik zählen, einen Alterseffekt bezüglich Prestige beobachten: Wie in früheren Studien bereits beobachtetm gefiel jüngeren Teilnehmern  das Stück besser, wenn es Mozart zugeschrieben wurde. Bei älteren Hörerinnen und Hörer, die an den früheren Studien weniger oder gar nicht mitgewirkt hatten, war das nicht der Fall. Die scheinbare Immunität der älteren Teilnehmer – mehrheitlich erfahrene Musikliebhaber – weist darauf hin, dass musikalisch-stilistische Erfahrungen davor schützt, dass ihre Bewertung von Musik von extern beeinflusst werden kann.

Dagegen hatte der Stil, in dem der Text geschrieben war, über alle Altersstufen hinweg einen starken Effekt: Den Teilnehmern der Gruppe, die den ausdrucksstarken Text gelesen hatten, gefiel die gleiche Musik besser, als denen, deren Text nüchterne, musikanalytische Informationen präsentierte. „Aus früherer Forschung ist bekannt, dass der Grad an emotionaler Regung beim Hörer ein zuverlässiger Indikator für das Gefallen und den Genuss beim Kunsterleben ist“, erklärt Kaufmann. Eine lebendige und fantasievolle Sprache in begleitenden Texten fördert demnach möglicherweise eine intensive Einfühlung in die Musik beim Hörer. Nicht zuletzt für die Musikvermittlung liegt in einer bewussten Gestaltung musikbegleitender Texte also die Möglichkeit, Hörer aller Altersklassen zu begeistern.

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