Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion

Power-to-X: Katalyseforschung an der Schnittstelle von Energie und Chemie

Autoren
Leitner, Walter
Abteilungen
Max Planck Institute for Chemical Energy Conversion, Mülheim an der Ruhr
Zusammenfassung
Auf kohlenstoffbasierte Energieträger und Chemieprodukte kann in einer nachhaltigen Zukunft nicht verzichtet werden. Die chemische Umsetzung von Kohlendioxid mit Wasserstoff, der mittels erneuerbarer Energiequellen gewonnen wird, eröffnet Möglichkeiten zur Defossilisierung der chemischen Wertschöpfungskette. Die Katalyse ist eine Schlüsseltechnologie für diese „Power-to-X“ Konzepte. Am MPI CEC werden neue Syntheserouten und die dafür nötigen Katalysatoren erforscht, wobei das grundlegende Verständnis der komplexen molekularen Abläufe im Zentrum steht.

Die Energiegewinnung und die Herstellung chemischer Produkte sind seit Beginn der Industrialisierung durch die Nutzung fossiler Rohstoffe eng miteinander gekoppelt. Ein wesentlicher Ausgangspunkt der industriellen Chemie war die Wertschöpfung mit synthetischen Farbstoffen auf Basis von Steinkohleteer, einem Abfallprodukt der kohlebasierten Energieerzeugung im 19ten Jahrhundert. Der Siegeszug der Petrochemie ist nicht zuletzt auf die Verzahnung von Raffinerieprozessen zur Herstellung von Treibstoffen und chemischen Grundstoffen zurückzuführen. Die „shale gas revolution“ (Schiefergasrevolution) in den USA verdeutlicht die Vernetzung sehr aktuell.

Die fossilen Rohstoffe stellen jedoch keine Energiequellen dar, sie sind Energieträger, in denen die Syntheseleistung der Natur über Jahrmillionen gespeichert ist. Die Ausbeutung dieser Ressourcen durch den Menschen geschieht in einer Größenordnung und Geschwindigkeit, die unübersehbare lokale und globale Auswirkungen auf die Umwelt nach sich ziehen. Weltweit werden jedoch in zunehmendem Maße auch Technologien verfügbar, mit denen Elektrizität auf Basis erneuerbarer Ressourcen wie Photovoltaik, Wind, Geothermie oder Wasserkraft gewonnen werden kann.

Die kohlenbstofffreie Stromerzeugung bietet die Chance, auch die Kopplung der Sektoren Energie und Chemie neu zu gestalten. Die gewonnene Elektrizität kann in Form von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff (H2) unter Nutzung von Kohlendioxid (CO2) als Kohlenstoff-Quelle in chemischen Bindungen „geerntet“ werden (Abb. 1). Die Produktion der in einer global vernetzten Welt unabdingbaren kohlenstoffbasierten Energieträger und Chemieprodukte lässt sich zwar prinzipiell nicht „dekarbonisieren“, durch solche „Power-to-X“-Technologien wohl aber „defossilieren“.

Abbildung 1 zeigt schematisch das grundlegende Konzept, aus dem wir unsere Forschungsfragestellungen am MPI CEC ableiten. Die schrittweise Hydrierung von CO2 führt zu den C1-Produkten Ameisensäure, Formaldehyd, Methanol und schließlich Methan. Auf jeder Ebene der formalen Oxidationsstufen des Kohlenstoffs eröffnet sich darüber hinaus die molekulare Vielfalt der organischen Chemie, wenn es gelingt, die reduktiven Prozesse mit der Knüpfung chemischer Bindungen an zusätzlichen Reaktionspartnern zu kombinieren. Damit lassen sich nicht nur neue Wege zu bestehenden Produkten beschreiten, sondern auch neue molekulare Architekturen zum Erreichen bestimmter Funktionen adressieren. Diesen Ansatz verfolgt zum Beispiel der Exzellenzcluster „The Fuel Science Center“, in dem Wissenschaftler der RWTH Aachen, des Forschungszentrums Jülich und der Mülheimer Max-Planck-Institute an maßgeschneiderten synthetischen Kraftstoffen mit reduzierten Emissionen und erhöhtem Wirkungsgrad arbeiten.

Die Schlüsseltechnologie, um das Synthesepotenzial der Kombination von CO2 und H2 zu erschließen, ist die Katalyse (Abb. 2, links). Der systemische Ansatz reicht dabei vom grundlegenden mechanistischen Verständnis der molekularen Abläufe [1] über prozesstechnische Fragestellungen [2] bis zur Analyse der Kohlenstoffbilanz von alternativen Prozessrouten [3] im Rahmen interdisziplinärer Kooperationen. Auf der molekularen Skala gilt unser Interesse der fundamentalen Frage, wie die Aktivierung der beiden energetisch gegensätzlichen Bausteine im Detail erfolgt und wie die Bindungsverknüpfung mit dem möglichen dritten Reaktionspartner auf dem gewünschten Reduktionslevel erfolgen kann.

Das CO2-Molekül gilt gemeinhin als reaktionsträge und seine katalytische Umwandlung wird häufig mit seiner Aktivierung assoziiert. Nicht selten ist es jedoch der Reaktionspartner, der am Katalysator ein hoch reaktives Intermediat bildet, das praktisch spontan mit dem CO2-Molekül reagiert. Und vielfach ist es eine Kombination beider Prinzipien, so dass multifunktionalen Katalysatoren eine bedeutende Rolle in diesem Gebiet zukommt.

 

Ein aktuelles Beispiel soll dies verdeutlichen. Während molekulare Katalysatoren auf Basis von Edelmetallen der Platingruppe die Kombination von CO2 und H2 in einer wachsenden Zahl von Reaktionen umsetzen können, ist dies mit den in der Natur weit verbreiteten und kostengünstigen Metallen der ersten Übergangsperiode nur in wenigen Fällen möglich. Vor Kurzem wurde allerdings für Komplexverbindungen des Mangans ein kooperativer Mechanismus zur Aktivierung von H2 berichtet, bei dem am Metallzentrum ein hydridisches und in der Ligandensphäre des Komplexes ein protisches H gebildet wird. Zeitgleich mit zwei anderen Gruppen konnte unser Team am MPI CEC und an der RWTH Aachen nun zeigen, dass sich mit Mangankomplexen dieses Typs organische Carbonate, also einfache Derivate des Kohlendioxids, zu Methanol hydrieren lassen[4]. Die Hydrierung des freien CO2 ist bisher noch nicht möglich, wohl aber die analoge Reaktion mit einer Bor-Wasserstoff-Verbindung [5]. Ein Addukt des Katalysators mit dem Boran, in dem die B-H-Bindung exakt so gebunden ist, wie es für die Aktivierung der H-H-Bindung postuliert wird, konnte isoliert und in unserer Arbeitsgruppe am MPI CEC strukturell charakterisiert werden (Abb. 2, rechts). Für den Angriff des CO2 vermuten wir daher einen outer-sphere Mechanismus, bei dem die C=O-Bindung des CO2 ohne vorherige Wechselwirkung mit dem Mangan-Zentrum durch das aktivierte Boran reduziert wird.

Für eine industrielle Realisierung von Power-to-X-Konzepten sind natürlich viele Aspekte zu berücksichtigen: Verfügbarkeit ausreichender Mengen an erneuerbarer Energie, Anbindung an industrielle CO2-Quellen oder Technologien für direct air capture, Fragestellungen der Logistik und nicht zuletzt gesellschaftliche Akzeptanz und regulatorische Rahmenbedingungen, um nur einige zu nennen. Die entscheidende Voraussetzung ist aber die Bereitstellung molekularer Werkzeuge, um die Schnittstelle von Energie und Chemie nachhaltig zu gestalten. Der von Primo Levi in seinem Erzählband „Il Systema Periodico“ wunderbar formulierte anthropogene Kohlenstoffkreislauf nach dem Vorbild der Natur wird wohl immer ein Idealbild bleiben, er bekommt aber als Motivation für die Katalyseforschung eine zunehmend realistische Dimension!

Literaturhinweise

Klankermayer, J.; Wesselbaum, S.; Beydoun, K.; Leitner, W.
Selective catalytic synthesis using the combination of carbon dioxide and hydrogen: catalytic chess at the interface of energy and chemistry
Angewandte Chemie International Edition, 55, 7296-7343 (2016)
Jens, C. M.; Scott, M.; Liebergesell, B.; Westhues, C. G.; Schäfer, P.; Franciò, G.; Leonhard, K.; Leitner, W.; Bardow, A.
Rh‐catalyzed hydrogenation of COto formic acid in DMSO‐based reaction media
Advanced Synthesis & Catalysis, 361 (2019)
Artz, J.; Müller, T. E.; Thenert, K.; Kleinekorte, J.; Meys, R.; Sternberg, A.; Bardow, A.; Leitner, W.
Sustainable conversion of carbon dioxide: An integrated review of catalysis and life cycle assessment
Chemical Reviews, 118, 434-504 (2018)
Kaithal, A.; Hölscher, M.; Leitner, W.
Catalytic Hydrogenation of Cyclic Carbonates using Manganese Complexes
Angewandte Chemie International Edition, 57, 13449 – 13453 (2018)
Erken, C.; Kaithal, A.; Suman, S.; Weyhermüller, T.; Hölscher, M.; Werlé, C.; Leitner, W.
Manganese-catalyzed hydroboration of carbon dioxide and other challenging carbonyl groups
Nature Communications, 9, (2018) 

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