Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für Chemie

Wechselwirkung biologischer Aerosole mit Klima, Luftschadstoffen und Gesundheit

Autoren
Fröhlich, J.
Abteilungen
Abteilung Multiphasenchemie
Zusammenfassung
Biologische Aerosolpartikel sind in der Atmosphäre omnipräsent, da die Luft eines der Hauptmedien zur Verbreitung von Mikroorganismen und Pollen ist. Die luftgetragenen Partikel beeinflussen Klima und Gesundheit. Zudem führen zahlreiche physikalische und chemische Wechselwirkungen in der Atmosphäre zu veränderten Partikeleigenschaften. Unsere Forschungsschwerpunkte sind biologische Aerosole, ihre Fähigkeit als Eiskerne zu fungieren sowie der Einfluss von Luftschadstoffen auf Proteine und Allergien.

Biologische Aerosolpartikel spielen eine wichtige Rolle im Erdsystem, insbesondere hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Biosphäre, Klima und Gesundheit [1]. Die biologischen Partikel gelangen direkt aus der Biosphäre in die Atmosphäre und umfassen sowohl lebende als auch abgestorbene Mikroorganismen (Bakterien, Algen), Verbreitungseinheiten höherer Organismen (Pilzsporen, Pollen) und verschiedene Fragmente oder Aussonderungen von Organismen (Pflanzenreste, Schuppen, Brochosomen).

Viele Bakterien, Sporen, Pollen und andere Biopartikel, die man in der Luft findet, sind für die Verbreitung und Fortpflanzung der Organismen unerlässlich. Andere hingegen können Krankheiten bei Menschen, Tieren und Pflanzen verursachen oder verstärken. Darüber hinaus können sie als Keime für die Entstehung von Eiskristallen oder Wolkentröpfchen dienen, wodurch die Wolken- und Niederschlagsbildung sowie der Wasserkreislauf und das Klima beeinflusst werden.

Obwohl die Bedeutung biologischer Aerosolpartikel extrem vielfältig ist, sind ihre Quellen und Zusammensetzungen sowie ihre Konzentrationen und Auswirkungen noch nicht gut charakterisiert. Das wiederum stellt eine große Lücke im wissenschaftlichen Verständnis der Wechselwirkungen von Leben, Klima und Gesundheit im Erdsystem dar.

Biologische Eiskeime sind effektiver als mineralische Eiskeime

 

Ein Schwerpunkt unserer Forschung ist es, die Fähigkeit von biologischen Partikeln als Eiskeime zu untersuchen. Biologische Eiskeime sind besonders effektiv, da sie den Gefrierprozess von Wassertropfen bei deutlich höheren Temperaturen einleiten als mineralische Eiskeime. Um die Eisaktivität biologischer Proben im Immersionsgefrieren zu untersuchen, entwickeln und verwenden wir sogenannte Multiwellplatten-Tropfengefrierassays. In dieser Apparatur werden viele einzelne Tropfen stetig abgekühlt. Die Partikel in den Tropfen initiieren das Gefrieren bei einer bestimmten Temperatur, und die Anzahl der gefrorenen Tropfen wird ausgewertet (Abbildung 1).

Im Rahmen unserer Studien haben wir Eisaktivität in mehreren Arten von Pilzen, die aus dem Boden und der Luft isoliert wurden, nachgewiesen. Wir fanden heraus, dass die Eisaktivität bei diesen Spezies mit der Anwesenheit von zellfreien, nanometergroßen, eisaktiven Makromolekülen, vermutlich Proteinen, zusammenhängt [4] (Abbildung 2). Zudem sind zellfreie eisaktive Makromoleküle möglicherweise zahlreicher und wichtiger für die Wolkenbildung als intakte Sporen oder Pilzhyphen. An Bodenstaubpartikel gebunden könnten diese Makromoleküle indirekt den Vereisungsprozess in Wolken beeinflussen, was auch auf eine höhere Bedeutung von biologischen, insbesondere pilzlichen Eiskeimen hinweist, als bisher angenommen.

Eisaktive Proteine fördern bei Bakterien die Eisbildung, indem sie die Ordnung von Wassermolekülen an ihrer Oberfläche verändern

In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung untersuchten wir mit Hilfe der grenzflächenspezifischen Summenfrequenzspektroskopie die Wechselwirkung von bakteriellen Eiskeimen mit Wassermolekülen. Wir fanden heraus, dass bakterielle eisaktive Proteine die Eisbildung fördern, indem sie Wassermoleküle dazu anregen, sich in bestimmten Bereichen mit größerer Regelmäßigkeit anzuordnen. Zudem wird die latente Wärme, die beim Phasenübergang von flüssig zu fest freigesetzt wird, effizient von der Nukleationsstelle des Gefrierens abgeführt [3].

Allergiegefahr durch Pollenferntranport und Feinstaub

Ein weiteres Kernthema unserer Gruppe sind allergene (potenziell allergische Reaktionen auslösende) Biopartikel und Proteine. Um allergene Biopartikel in Luftfilterproben von Fein- und Grobstaub zu identifizieren und mengenmäßig zu bestimmen, nutzen wir die quantitative Polymerase-Kettenreaktion (qPCR). Im Rahmen eines fünfjährigen Untersuchungszeitraums fanden wir sowohl während als auch außerhalb der lokalen Pollenflugsaison DNA des hoch allergenen beifußblättrigen Traubenkrauts, besser bekannt als Ambrosia. Wir vermuten, dass die Ambrosiapollen durch Winde aus Südeuropa nach Deutschland gelangen, da diese bei uns stark bekämpft werden. Wir fanden höhere Konzentrationen von Ambrosia-DNA sowohl in Grob- als auch in der Feinstaubfraktion. Dies lässt auf das Vorhandensein von kleinen allergenen Partikelfragmenten schließen, die in die unteren Atemwege gelangen könnten [2].

Unter feuchten Bedingungen können die allergenen Proteine aus den Pollen freigesetzt werden. Diese sind dann in der Lage, mit gasförmigen Luftschadstoffen und anderen Partikeln zu wechselwirken, wodurch sich das allergene Potenzial erhöhen könnte [5].

Um die Häufigkeiten und Mechanismen der Modifizierung luftgetragener allergener Proteine aufzuklären, analysieren wir Umweltproben und führen Laborexperimente unter kontrollierten Bedingungen durch. Insbesondere untersuchen wir die chemischen Reaktionen und physikalischen Wechselwirkungen des Birkenpollenallergens Bet v1 mit verkehrsbedingten Luftschadstoffen (Ozon, Stickoxide, Ruß und verwandte Partikel). Derzeit untersuchen wir die chemische Kinetik von Bet v1 in Nitrierungs- und Oligomerisierungsreaktionen. Darüber hinaus wollen wir herausfinden, ob und wie Allergene und andere pro-allergisch wirkende Polleninhaltstoffe auf der Oberfläche von inhalierbaren Umgebungspartikeln die Sensibilisierung bei der Allergieentstehung fördern können.

Literaturhinweise

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