Wirkstoffe für die Krebsmedizin

Erstes Molekül des Lead Discovery Centers wird in klinischen Studien getestet

27. November 2018

Als die Max-Planck-Gesellschaft 2008 ein Zentrum zur Entwicklung neuer medizinischer Wirkstoffe namens Lead Discovery Centers (LDC) ins Leben rief, glaubten nur wenige an einen Erfolg. Im zehnten Jahr nach seiner Gründung suchen Forscher am LDC in rund 20 Projekten nach neuen medizinisch einsetzbaren Substanzen. Einer der Wirkstoffe, die am LDC entwickelt wurden, wird bereits in klinischen Studien am Menschen getestet, ein weiterer steht kurz davor. Neben akademischen und öffentlichen Partnern wie der Max-Planck- oder Helmholtz-Gesellschaft sowie dem Land Nordrhein-Westfalen beteiligen sich auch Pharma- und Biotech-Unternehmen an der Wirkstoffentwicklung am LDC als Lizenznehmer oder Kooperationspartner, darunter Bayer, Boehringer Ingelheim, Grünenthal und Merck.

Mit derzeit rund 40 Prozent macht die Suche nach neuen Krebsmedikamenten den Hauptteil der Forschungsprojekte am LDC aus. Eine Substanz, die bereits mehrere Hürden auf dem Weg zum Medikament überwunden hat, ist Atuveciclib. Entdeckt und weiterentwickelt haben die Substanz Wissenschaftler des LDC. Atuveciclib hemmt die Aktivität eines als CDK9 bezeichneten Enzyms, das die Bildung sogenannter Boten-RNA und so die Bildung von Proteinen reguliert. In manchen Zellen ist CDK9 übermäßig aktiv, sie können dadurch zu Krebszellen werden.

„Die Blockade von CDK-Enzymen ist von der Pharmaindustrie lange Zeit wegen angeblich zu geringen Erfolgsaussichten nicht weiterverfolgt worden. Mit der Entwicklung von Atuveciclib haben wir gezeigt, dass dieses Prinzip durchaus für Medikamente benutzt werden kann, solange der CDK9-Hemmstoff spezifisch genug ist“, erklärt Bert Klebl, gemeinsam mit Peter Nussbaumer Geschäftsführer beim LDC. Die Entwicklung des Wirkstoffs wurde von der Max-Planck-Förderstiftung unterstützt. Das LDC hat Atuveciclib an Bayer lizensiert, das ihn derzeit in einer klinischen Phase-1b-Studie testet.

Mit Axl gegen Metastasen

Ein weiterer vielversprechender Wirkstoff zielt auf das ab, was Krebs so gefährlich und tödlich macht, nämlich die Besiedlung anderer Organe durch Tochtergeschwulste. Axel Ullrich am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried hatte entdeckt, dass die sogenannte Axl-Kinase an den Signalwegen beteiligt ist, die das Wanderungsverhalten der Metastasen mitkontrollieren. Das Enzym ist in den meisten Formen von hochinvasivem Brustkrebs übermäßig aktiv. Die Forscher des LDC haben ein Molekül identifiziert, das die Axl-Kinase blockieren kann und als Wirkstoff für die Medizin geeignet ist. Das koreanische Pharmaunternehmen Qurient hat eine Lizenz zur Entwicklung der Substanz erworben und testet sie derzeit in präklinischen Studien.

Darüber hinaus hat das LDC zusammen mit dem Nobelpreisträger Robert Huber vom Max-Planck-Institut für Biochemie und der Universität Duisburg-Essen und der Firma Merck KGgA intensiv an einem neuen Wirkstoffkandidaten für die Krebsmedizin geforscht. Dieser befindet sich mittlerweile ebenfalls in der Entwicklungsphase.

Am LDC geht es aber nicht nur um neue Krebsmedikamente. Ein Viertel der Projekte betreffen das zentrale Nervensystem und neurologische Erkrankungen und zehn Prozent untersuchen neue Behandlungsmöglichkeiten von Infektionskrankheiten. Hinzu kommen potenzielle Wirkstoffe zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen, Stoffwechsel- und Bindegewebserkrankungen oder Osteoporose.

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