Neuer Strahlungsgürtel um Saturn entdeckt

Erste Ergebnisse aus der letzten Missionsphase der Raumsonde Cassini zeigen extrem hochenergetische Protonen in der Nähe des Ringplaneten

Mit einem kontrollierten Sturzflug in den Saturn endete vor etwa einem Jahr die NASA-Mission Cassini – und mit ihr eine einzigartige, 13-jährige Forschungsexpedition im Saturnsystem. In den letzten knapp fünf Missionsmonaten betrat die Sonde noch einmal Neuland: 22-mal tauchte sie in die bis dahin nahezu unerforschte Region zwischen dem Planeten Saturn und seinem innersten Ring, dem D-Ring, ein. Ersten Ergebnissen aus dieser letzten Missionsphase widmet das Fachmagazin Science am kommenden Freitag, 5. Oktober 2018, insgesamt sechs Artikel. Darin berichtet unter anderem ein Forscherteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen und der Johns Hopkins Universität (Laurel, USA) erstmals von den einzigartigen Strahlungsgürteln, welche Protonen nahe am Planeten bilden.

Als die Raumsonde Cassini am 1. Juli 2004 in ihre erste Umlaufbahn um den Saturn und seine Ringe einschwenkte, konnte der Instrumentenpaket MIMI (Magnetospheric Imaging Instrument) bereits einen kurzen Blick auf die Region zwischen Planet und innerstem Ring erhaschen. Zu MIMI gehört der Teilchendetektor LEMMS (Low Energy Magnetospheric Measurement System), den Forscher unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut hatten. Die Messungen deuteten auf eine Verteilung geladener Teilchen hin, deren genaue Zusammensetzung und Eigenschaften jedoch im Dunkeln blieben. In den folgenden Jahren erforschte MIMI-LEMMS die hochenergetischen Elektronen und Protonen, die außerhalb der Ringe im starken Magnetfeld des Saturns gefangen sind und so seinen Hauptstrahlungs-gürtel bilden. Der Protonen-Strahlungsgürtel erstreckt sich mehr als 285000 Kilometer ins All und ist stark geprägt vom Einfluss der zahlreichen Saturnmonde, die in ihn fünf Bereiche gliedern. „Erst 13 Jahre später, kurz vorm Ende der Mission, erhielten wir die Gelegenheit, unsere allerersten Messungen am Saturn weiterzuverfolgen“, erklärt  Elias Roussos, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Erstautor der aktuellen Studie. „Wir wollten herausfinden, ob ein weiterer Bereich des Strahlungsgürtels mit der oberen Atmosphäre des Saturns und seinem D-Ring koexistieren kann“, fügt er hinzu. 

Die 13 Jahre andauernde Geduldsprobe hat sich jetzt ausgezahlt. In ihrem aktuellen Science-Artikel zeichnen die Wissenschaftler ein umfassendes Bild der Protonen, die den Saturn in nächster Nähe umgeben. Zwei Artikel, die in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters vorliegen, vertiefen diese Ergebnisse.

Ein starkes Magnetfeldeld hält die Protonen jahrelang auf derselben Bahn

Wie auch im Hauptprotonengürtel des Saturns sind die Protonen, welche die Region nah am Planeten bevölkern, auf den Einfall kosmischer Strahlung zurückzuführen. Wenn die Strahlung mit Material in der Atmosphäre des Planeten oder in seinen dichten Ringen wechselwirkt, stößt dies eine Kette von Reaktionen an, an deren Ende hochenergetische Protonen entstehen. Diese werden dann im Magnetfeld des Planeten eingefangen.

Die Stärke des Saturnmagnetfeldes ist in der Nähe des Planeten mehr als zehnmal so hoch wie im Bereich der Hauptstrahlungsgürtel. Deshalb können Protonen dort so effizient eingefangen werden, dass sie sich jahrelang entlang derselben Magnetfeldlinie bewegen. Sie wechselwirken dadurch immer wieder mit dem D-Ring und der Planetenatmosphäre und verlieren so nach und nach ihre gesamte Energie. Da die Dichte des schwachen D-Rings unbekannt ist, war unklar, wie schnell dieser Energieverlust abläuft und ob unterm Strich überhaupt ein Strahlungsgürtel erhalten bleibt. Theoretischen Modellen zur Folge war es durchaus denkbar, dass MIMI lediglich Rauschen messen würde.

Dazu kam es zum Glück nicht – zumindest im Fall der Protonen. Die LEMMS-Messungen zeigen eine stabile Ansammlung hochenergetischer Protonen, die sich von der Saturnatmosphäre durch den gesamten innersten Ring, den D-Ring, erstreckt. Die Energie vieler dieser Protonen ist extrem hoch: zehnmal so hoch wie die höchsten Energien, für die LEMMS entwickelt wurde. „Wir mussten alte Konstruktionspläne des Instruments wieder hervorholen und Modelle entwickeln um zu verstehen, wie LEMMS in einem solch extremen Umfeld messen würde“, so Roussos.

„Die weiter außen gelegenen A-, B- und C-Ringe sind deutlich dichter und staubreicher als der D-Ring und bilden für die geladenen Teilchen eine effektive, 62000 Kilometer breite Barriere“, beschreibt Roussos die Messergebnisse weiter. Die Teilchen können nicht weiter als bis zum äußeren Rand des D-Rings vordringen. „Auf diese Weise entsteht ein Strahlungsgürtel, der vom Rest der Magnetosphäre vollständig isoliert ist“, so Norbert Krupp, Leiter des MIMI-LEMMS-Teams am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

Im Sonnensystem ist diese Region einzigartig. Sie bietet die Möglichkeit, einen Strahlungsgürtel unter „laborähnlichen“ Bedingungen zu untersuchen. Schließlich entstehen die Protonen darin durch einen einzigen Prozess, den Einfall kosmischer Strahlung. In den Hauptstrahlungsgürteln des Saturns sowie in den Strahlungsgürteln von Erde und Jupiter liegen die Verhältnisse anders – und sind deutlich komplizierter. Bei der Erde beispielsweise können auch variable Ströme hochenergetischer Teilchen von der Sonne die Struktur des Strahlungsgürtels stark beeinflussen.

Die Teile des D-Rings müssen sehr verschieden sein

Ebenso wertvoll sind die neuen Erkenntnisse über den D-Ring, die LEMMS liefern konnte. Der Ring ist zu schwach, um ihn allein mit Hilfe optischer Aufnahmen zu untersuchen. Er enthält insgesamt drei schmale Teilringe, die alle heller sind als der Rest des Rings und mit den Ausdrücken D68, D72 und D73 bezeichnet werden. Die Zahlen in diesen Namen hängen mit dem Abstand des jeweiligen Teilrings vom Planeten zusammen. Während an den Teilringen D68 und D73 die Protonenintensität einbricht, wirkt sich der dazwischengelegene Teilring D72 offenbar nicht aus. „Obwohl die Teilringe D72 und D68 eine vergleichbare Helligkeit aufweisen, zeigen uns die neuen Messungen, dass sie tatsächlich sehr verschieden sein müssen“, so Roussos.

Zudem entdeckten die Forscher mit Hilfe von MIMI einen weiteren Protonengürtel niedrigerer Energie in einem Abstand von weniger als einigen tausend Kilometern vom Planeten. Dieser Gürtel entsteht nur gelegentlich, wenn schnelle, ungeladene Wasserstoffatome aus der Magnetosphäre des Saturns auf die Atmosphäre treffen, dort ionisiert und in der Nähe des Planeten eingefangen werden. „Dies zeigt uns, dass sich die wechselhafte und veränderliche Magnetosphäre weiter außen in sehr geringem Maße auch über die Ringe hinweg auswirken kann“, so Krupp.

In den 13 Jahren, die MIMI/LEMMS im Saturnsystem verbracht hat, konnte das Instrument den Strashlungsgürtel des Saturn umfassend untersuchen. Abgesehen von dem der Erde gehört der  Saturn-Strahlungsring seither zu den am besten erforschten im Sonnensystem. Zudem konnte das Instrument dazu beitragen, bisher unbekannte Ringe zu entdecken. Eine Zusammenfassung dieser und weiterer Ergebnisse bietet das Buch „Saturn in the 21st Century“, das diesen Monat im Verlag „Cambridge University Press“ erscheint. Zu den vier Herausgebern zählt Norbert Krupp.

BK

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