Sternrotation mit neuem Dreh

Forscher bestimmen aus Schwingungen, wie ferne Sonnen um ihre Achsen kreisen

21. September 2018

Wie unsere Sonne sind Sterne rotierende Kugeln aus heißem Gas. Ihre Drehung unterscheidet sich deshalb von der eines festen Körpers: Regionen verschiedener Breite rotieren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Wissenschaftler der New York University und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung haben nun die Rotationsmuster einer Gruppe von sonnenähnlichen Sternen bestimmt. Es ließen sich 13 Sterne identifizieren, deren Rotationseigenschaften denen unserer Sonne ähneln: Ihre Äquatorregionen drehen sich schneller als ihre höheren Breiten. Bei einigen Sternen ist dieses Muster jedoch deutlich ausgeprägter als bei der Sonne. In diesen Fällen rotieren die Äquatorregionen bis zu doppelt so schnell wie die mittleren Breiten. Dieser Unterschied ist viel größer, als Theorien vorhergesagt hatten.

Was wissen wir über ferne Sterne, abgesehen von ihrer Helligkeit und ihrer Farbe? Ist unsere Sonne ein typischer Stern? Oder hat sie bestimmte Merkmale, die besonders oder vielleicht sogar einzigartig sind? Eine bisher nur unvollständig verstandene Eigenschaft von Sternen ist die Rotation. In ihren äußeren Schichten zeigt die Sonne ein Muster, das Wissenschaftler als „differenzielle Rotation“ bezeichnen. Dies bedeutet, dass verschiedene Breitengrade mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten rotieren. Während am Äquator der Sonne eine volle Umdrehung etwa 25 Tage dauert, drehen sich Gebiete in höheren Breiten langsamer. Ein Punkt in der Nähe der Pole benötigt für eine volle Umdrehung ungefähr 31 Tage.

In ihrer neuen Veröffentlichung untersuchen die Forscher die Rotationseigenschaften von 40 Sternen, die eine ähnliche Masse wie die Sonne aufweisen. Von diesen sind die 13 Sterne, für die sich eine differenzielle Rotation mit großer Sicherheit messen ließ, alle sonnenähnlich: Ihre Äquatorregionen rotieren schneller als die Gebiete in höheren Breiten. In einigen Fällen ist der Unterschied in der Rotationsgeschwindigkeit zwischen dem Äquator und den mittleren Breiten jedoch viel größer als bei der Sonne.

Klassischerweise bestimmen Forscher die Rotationsgeschwindigkeit eines Sterns, indem sie die Bewegung einzelner Sternenflecken – dunkler Bereiche auf der Oberfläche des Sterns – anhand von fotometrischen Lichtkurven verfolgen. Diese Methode hat jedoch ihre Grenzen, weil die genauen Breitengrade der Sternflecken nicht bekannt sind. „Mithilfe von Messdaten der NASA-Mission Kepler können wir nun aber das Innere von Sternen mit der Asteroseismologie untersuchen und ihre Rotationsprofile in verschiedenen Breiten und Tiefen bestimmen“, sagt Laurent Gizon, Direktor am Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
 
Sterne sind zu weit entfernt, um sie in astronomischen Bildern aufzulösen. Sie erscheinen auch im größten Fernrohr punktähnlich. Anhand der Schwingungen der Sterne können Wissenschaftler jedoch indirekt räumliche Informationen über ihr Inneres erhalten. Sterne unterliegen globalen akustischen Schwingungen, die durch konvektive Bewegungen in ihren äußeren Schichten angeregt werden. Verschiedene Oszillationsarten und Schwingungsfrequenzen beinhalten Informationen über unterschiedliche Regionen in einem Stern. Für die aktuelle Studie nutzten die Forscher solche Sternenschwingungen, um die Rotation in verschiedenen Breitengraden in der äußeren Konvektionszone zu messen. „Schwingungen, die sich in Rotationsrichtung ausbreiten, bewegen sich schneller als solche, die in die entgegengesetzte Richtung laufen. Deswegen unterscheiden sich ihre Frequenzen leicht voneinander“, sagt Gizon.

Die besten Messdaten zeigen ausschließlich Sterne mit sonnenähnlicher Rotation. Der überraschendste Aspekt der Ergebnisse ist, dass der Unterschied zwischen den Rotationsgeschwindigkeiten an verschiedenen Breitengraden in einigen Sternen viel größer ist als bei der Sonne. Numerische Modelle hatten dies nicht vorhergesagt.

Die aktuelle Studie zeigt, dass die Asteroseismologie ein gewaltiges Potenzial hat, das Innenleben von Sternen zu enträtseln. „Informationen über stellare differenzielle Rotation sind der Schlüssel zum Verständnis der Prozesse, welche die magnetische Aktivität steuern“, sagt Laurent Gizon. Die Kombination von Informationen über interne Rotation und Aktivität einerseits und Modellierungen andererseits wird es wahrscheinlich ermöglichen, die Ursachen der magnetischen Aktivität von Sternen aufzudecken. Dafür müssen die Forscher weitere sonnenähnliche Sterne untersuchen.

Im Jahr 2026 wird die Europäische Weltraumorganisation (ESA) die Exoplaneten-Mission PLATO starten, die Zehntausende helle, sonnenähnliche Sterne mithilfe präziser Asteroseismologie charakterisieren soll. Statistische Auswertungen dieser großen Sternenmenge werden der Schlüssel sein, um die Physik der Sterne und ihre Entwicklung zu studieren.

BK / HOR

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