Blattmoleküle als Marker für Mykorrhiza-Pilze

Stoffwechselprodukte aus den oberirdischen Teilen einer Pflanze verraten die erfolgreiche Symbiose mit Wurzelpilzen

Die meisten höheren Pflanzen leben in der Natur in einer Lebensgemeinschaft mit Wurzelpilzen, die als Mykorrhiza bezeichnet werden. Mykorrhiza-Pilze helfen Pflanzen bei der Nährstoffaufnahme und ermöglichen ihnen, auch unter schwierigen Bedingungen zu gedeihen. Forscher am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben nun herausgefunden, dass manche Stoffwechselprodukte in den Blättern als Marker für Mykorrhiza genutzt werden können. Somit können Wissenschaftler Pflanzen in großer Zahl auf Mykorrhiza-Pilze testen, ohne sie dabei zerstören zu müssen. Dies könnte die Züchtung effizienterer und stressresistenterer Sorten für eine nachhaltigere Landwirtschaft erheblich erleichtern

Die Beziehung von Pflanzen mit sogenannten arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen wird als einer der wichtigsten Faktoren für die Entstehung von Landpflanzen angesehen. Über 70 Prozent der höheren Pflanzen gehen eine Symbiose mit diesen Pilzen ein, die vermutlich mehr als 400 Millionen Jahre alt sind. Durch die Symbiose kann die Pflanze Nährstoffe wie Phosphat  besser aufnehmen; außerdem ist sie damit toleranter gegen  biotische und abiotische Stressfaktoren, wie zum Beispiel Schädlingsbefall, Krankheitserreger und Trockenheit.

Für Pflanzenzüchter ist die Mykorrhiza daher von großer Bedeutung, schließlich sind die weltweiten Phosphatreserven begrenzt. Bislang war ein Nachweis dieser Beziehung aber nur durch das Ausgraben der Pflanzenwurzeln möglich. Dies ist nicht nur zeitaufwändig, sondern zerstört auch die Pflanze.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie haben nun zusammen mit ihren Partnern Substanzen gefunden, die sich in Blättern anreichern, wenn die Wurzeln erfolgreich mit arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen besiedelt werden. Bereits seit längerem ist bekannt, dass diese Substanzen, sogenannte Blumenol-C-Derivate, in Wurzeln ausschließlich nach Besiedlung mit den Symbiosepilzen gebildet werden. Bislang sind jedoch alle Versuche fehlgeschlagen, einen zuverlässigen und spezifischen Blattmarker zu finden.

Empfindliche Messverfahren

Die Forscher haben für ihre Untersuchungen die Inhaltsstoffe aus den Blättern mit einem hoch empfindlichen Verfahren analysiert und mit denen aus Pflanzen verglichen, die keine Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen bilden können. „Durch gezielte, hochempfindliche Massenspektrometrie haben wir Mykorrhiza-spezifische Veränderungen auch in oberirdischen Teilen von Pflanzen entdeckt“, beschreibt Ming Wang vom Jenaer Max-Planck-Institut die unerwarteten Ergebnisse. Weitere Versuche zeigten, dass  die beobachteten Veränderungen mit der Besiedlung der Wurzeln mit Mykorrhiza zusammenhängen. „Die Blumenole werden höchstwahrscheinlich lokal in der Wurzel produziert und anschließend zu anderen Pflanzenteilen transportiert“, erläutert Martin Schäfer die Resultate.

Die meisten Wechselwirkungen in der Ökologie sind stark artspezifisch, doch die Forscher konnten die Anreicherung von Blumenolen im Blattgewebe in verschiedenen Pflanzenarten, einschließlich wichtiger Getreidesorten und Gemüsearten nachweisen. Die Allgegenwärtigkeit der Marker im Spross über entfernte Pflanzenfamilien hinweg ist wahrscheinlich auf die lange gemeinsame Geschichte von Pilz und Pflanze zurückzuführen und legt nahe, dass diese Marker eine wichtige Rolle für Pflanzen mit arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen spielen.

Unabhängig von der Funktion dieser Substanzen, bietet der Ansatz ein robustes und einfach zu handhabendes Werkzeug, das zukünftig die Mykorrhiza-Forschung und Pflanzenzüchtung grundlegend verändern kann. Ian Baldwin, Leiter der Abteilung Molekulare Ökologie, fasst die neuen Möglichkeiten zusammen:  „Unser leicht zugänglicher und schnell zu analysierender Marker für die Kolonisierung mit arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen kann für die Erforschung dieser Symbiose sehr nützlich sein. Nicht nur Züchtungsprogramme, die auf Hochdurchsatz-Screenings angewiesen sind, könnten stark profitieren, auch grundlegende Erkenntnisse zur Informationsübertragung von Pflanze zu Pflanze über Wurzelpilznetzwerke werden ermöglicht.“

Züchtung neuer Pflanzensorten

Phosphat ist ein Hauptbestandteil der Düngemittel und damit für die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion unverzichtbar. Doch die Phosphatlagerstätten sind begrenzt und liegen vielfach in Krisengebieten. Experten sprechen bereits von einer Phosphat- und somit Düngemittelknappheit, die zu einer weltweiten Ernährungskrise führen könnte. Das neue Nachweisverfahren könnte helfen, Pflanzen zu erzeugen, die vorteilhafte Partnerschaften mit Mykorrhiza-Pilzen eingehen und Phosphat effizienter aufnehmen können.

Die Forscher möchten im nächsten Schritt die Bedeutung der Blumenol-Anreicherung durch arbuskuläre Mykorrhiza-Pilze entschlüsseln und herausfinden, ob sie möglicherweise auch als Signalmoleküle zwischen Pflanzenwurzel und Blatt wirksam sind. Außerdem planen sie, die Methode zu nutzen, um grundlegenden Fragen der Kommunikation zwischen verschiedenen Pflanzen derselben Art und verschiedener Arten über ein gemeinsames Pilznetzwerk nachzugehen.

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