Forschungsbericht 2010 - Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Teilinstitut Hannover

Innovation Quantenmetrologie: Gequetschtes Licht für den Gravitationswellendetektor GEO600

Autoren
Vahlbruch, Henning
Abteilungen
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Teilinstitut Hannover
Zusammenfassung
Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Gravitationswellendetektoren macht den ersten direkten Nachweis der von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen in den kommenden Jahren immer wahrscheinlicher. Das deutsch-britische Observatorium GEO600 leistet hier erneut einen entscheidenden Beitrag zum Fortschritt. Zum ersten Mal weltweit soll künftig gequetschtes Licht die Messempfindlichkeit eines Gravitationswellendetektors verbessern.

Bereits 1916 stellte Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie vor, die die Existenz von Gravitationswellen vorhersagt [1]. Diese Störungen in der Geometrie der Raumzeit werden etwa durch sich umkreisende Binärsysteme bestehend aus kompakten Sternen (Weiße Zwerge, Neutronensterne und Schwarze Löcher), schnell rotierende, deformierte Neutronensterne oder auch Supernovae verursacht. Die Wellen breiten sich mit  Lichtgeschwindigkeit aus und transportieren viel Energie. Ihre Wechselwirkung mit Materie aber ist extrem schwach. Gravitationswellen konnten bisher nicht direkt gemessen werden; den ersten indirekten Nachweis von Gravitationswellen lieferte die Beobachtung des Doppelpulsars PSR J1913+16, was den Astronomen Hulse und Taylor 1993 den Nobelpreis einbrachte.

Mit der ersten direkten Beobachtung von Gravitationswellen wollen die Wissenschaftler die Tür zu einer neuen Astronomie aufstoßen. Bisher werden astronomische Beobachtungen fast ausschließlich mittels elektromagnetischer Wellen unterschiedlicher Frequenzen durchgeführt, einzige Ausnahme ist die Neutrinoastronomie. Eine Astronomie mit Gravitationswellen dagegen würde die Beobachtung von Phänomenen erlauben, die elektromagnetisch dunkel sind oder deren elektromagnetische Strahlung uns nicht erreicht. So ließen sich etwa die innersten Bereiche einer Supernova oder die frühesten kosmologischen Epochen unmittelbar nach dem Urknall untersuchen.

GEO600

Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) betreibt in Kooperation mit der Leibniz Universität Hannover und den britischen Universitäten Cardiff und Glasgow den Gravitationswellendetektor GEO600. Dieses Messinstrument arbeitet nach dem Prinzip eines Michelson-Interferometers mit 600 m langen Messarmen (Abb. 1). Darin wird das Licht eines besonders stabilen Hochleistungslasersystems (10 Watt Ausgangsleistung) an einem Strahlteiler aufgeteilt und in zwei zueinander senkrecht stehende Interferometerarme geleitet. Auf dem Rückweg trifft das von den beiden Endspiegeln reflektierte Licht wieder auf den Strahlteiler und überlagert sich dort. Je nach relativer Phase der Teilstrahlen ergibt sich eine unterschiedliche Helligkeit am Ausgang des Interferometers.

Durchläuft nun eine Gravitationswelle das Messinstrument, so dehnt und staucht sie den Raum entlang der beiden Interferometerarme verschieden stark und die Lichtlaufzeit der beiden Teilstrahlen ändert sich unterschiedlich. Dabei verschiebt sich auch ihre relative Phase und es ändert sich die am Interferometerausgang gemessene Lichtintensität.

An der Grenze des Messbaren

Ein einfaches Prinzip, doch gleichzeitig eine technische Herausforderung. Die  Messgenauigkeit von GEO600 reicht inzwischen bis unterhalb einem Tausendstel eines Protonendurchmessers (10-15 m), also etwa 10-18 m. Gravitationswellensignale von Supernova-Ereignissen oder entstehenden Neutronensternen, wie sie im Frequenzbereich von Kilohertz zu erwarten sind, liegen aber noch um rund eine Größenordnung darunter.

Zwar nehmen die Störungen durch Umwelteinflüsse bei diesen höheren Frequenzen ab. Dafür stößt GEO600 hier an die Grenzen der Naturgesetze selbst. Oberhalb einer Messfrequenz von rund 1 kHz ist es die Quantennatur des Lichts, die die Messempfindlichkeit von Gravitationswellendetektoren begrenzt. Die Ursache hierfür liegt in der Zählstatistik des Lichts. Denn die Lichtquanten treffen in unregelmäßigen Abständen, vergleichbar mit Schrotkugeln, auf ihr Ziel, den Detektor. Am Messausgang erzeugt dieses Schrotrauschen ein Signal, dessen Intensität stochastisch variabel ist. Von diesem störenden Hintergrund hebt sich ein schwaches, zeitlich entsprechend kurzes Gravitationswellensignal praktisch nicht ab.

Der klassische Ansatz, die Empfindlichkeit eines Gravitationswellendetektors (also das Signal-zu-Rausch-Verhältnis) zu verbessern, wäre, die im Interferometer umlaufende Lichtleistung zu erhöhen. Denn das Messsignal, das eine Gravitationswelle hervorruft, ist proportional zur Lichtleistung. Das Schrotrauschen hingegen ist nur proportional zur Wurzel aus der Lichtleistung. Jedoch verwenden Gravitationswellendetektoren bereits speziell entwickelte Hochleistungslaser, die diesen Anforderungen genügen. Eine weitere Erhöhung der Laserleistung führt aber zu immer stärker ausgeprägten thermischen Effekten in den Interferometeroptiken und einem ansteigenden Strahlungsdruckrauschen. Dies setzt die Detektorempfindlichkeit wieder herab, sodass sich in der Praxis eine sinnvolle Grenze der maximalen Laserleistung ergibt.

Gequetschtes Licht

Um die Messempfindlichkeit unabhängig von der eingesetzten Laserleistung weiter zu steigern, forscht eine Arbeitsgruppe am AEI seit einigen Jahren intensiv an der Natur des gequetschten Lichts. Denn der Einsatz von gequetschtem Licht in einem Gravitationswellendetektor erlaubt eine Empfindlichkeitsverbesserung in dem durch das Schrotrauschen eingeschränkten Messbereich, die unabhängig von der umlaufenden Lichtleistung ist.

Als elektromagnetische Welle betrachtet, lässt sich Licht durch zwei Größen charakterisieren: Die „Amplitude“ und die „Phase“, welche mit der Helligkeit und der Farbe des Lichtes assoziiert werden können. Diese beiden Größen unterliegen dem Heisenbergschen Unschärfeprinzip. Versucht man, die Amplitude besonders exakt zu messen, verliert gleichzeitig das Messergebnis der Phase an Präzision und umgekehrt. Damit bietet sich aber auch eine Möglichkeit, in den stochastischen Prozess des Schrotrauschens einzugreifen:  So lässt sich etwa das Amplitudenrauschen bis unterhalb des Schrotrauschens reduzieren (das heißt: quetschen). Zwar geschieht dies auf Kosten eines verstärkten Phasenrauschens, doch ist das für die physikalische Messung nicht unbedingt weiter von Bedeutung.

Angewandt in einem Gravitationswellendetektor reduziert gequetschtes Licht auch dort das Schrotrauschen [2] und ermöglicht so, potenziell schwächere Gravitationswellensignale zu messen.

Seit der ersten experimentellen Erzeugung von gequetschtem Licht im Jahr 1985 [3] wurden die Qualität und Stärke der Quetschlichtlaser kontinuierlich weiterentwickelt. Das AEI hat inzwischen die Spitzenposition auf diesem Forschungsgebiet eingenommen. In zahlreichen Laborexperimenten erreichten die Hannoveraner Physiker die weltweit höchsten Quetschgrade. Und sie entwickelten und demonstrierten erstmals spezielle Technologien, ohne die ein Einsatz von gequetschtem Licht in Gravitationswellendetektoren undenkbar wäre [4-6].

Bei GEO600 im Einsatz

Inzwischen ist die Technologie des Quetschlichtlasers so weit fortgeschritten, dass einem dauerhaften Einsatz bei GEO600 nichts mehr im Wege steht. Im vergangenen Jahr wurden im Reinraumlabor am AEI alle notwendigen Optiken zusammengesetzt, justiert und umfassende Funktionstests am Quetschlichtlaser selbst durchgeführt (Abb. 2). Die Messergebnisse belegen, dass dieser Laser gequetschtes Licht in einer bis dato nicht erreichten Reinheit und Stärke produziert [7]. Begleitet wurde der experimentelle Aufbau durch das Projekt „DFG-Science-TV“. Hierbei sind insgesamt 10 Episoden als kurze Videoclips entstanden, die über die Arbeit eines Physikers berichten und über das Internet einem breiten Publikum zugänglich sind.

Seit Mitte 2010 ist die Quetschlichtquelle in den Gravitationswellendetektor GEO600 in Ruthe bei Hildesheim eingebaut und wird demnächst den Testbetrieb aufnehmen (Abb. 3). GEO600 ist der weltweit erste Detektor, der mit dieser neuen Technologie ausgestattet ist.

A. Einstein:
Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie.
Annalen der Physik, 49, 769-822 (1916).
R. Schnabel, N. Mavalvala, D.E. McClelland, P.K. Lam:
Quantum metrology for gravitational wave astronomy.
Nature Communications 1, 121 (2010).
R.E. Slusher, L.W. Hollberg, B. Yurke, J.C. Mertz, J.F. Valley:
Observation of Squeezed States Generated by Four-Wave Mixing in an Optical Cavity.
Physical Review Letters 55, 2409-2412 (1985).
T. Eberle, S. Steinlechner, J. Bauchrowitz, V. Händchen, H. Vahlbruch, M. Mehmet, H. Müller-Ebhardt, R. Schnabel:
Quantum Enhancement of the Zero-Area Sagnac Interferometer Topology for Gravitational Wave Detection.
Physical Review Letters 104, 251102 (2010).
H. Vahlbruch, S. Chelkowski, K. Danzmann, R. Schnabel:
Quantum engineering of squeezed states for quantum communication and metrology.
New Journal of Physics 9, 371 (2007).
V. Vahlbruch, S. Chelkowski, B. Hage, A. Franzen, K. Danzmann, R. Schnabel:
Coherent Control of Vacuum Squeezing in the Gravitational-Wave Detection Band.
Physical Review Letters 97, 011101 (2006).
H. Vahlbruch, A. Khalaidovski, N. Lastzka, C. Gräf, K. Danzmann, R. Schnabel:
The GEO600 squeezed light source.
Classical and Quantum Gravity 27, 084027 (2010).
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