Selbstheilende Samenkapseln

Bei Pflanzen der australischen Gattung Banksia sorgen spezielle Wachse dafür, dass sich Risse in der Fruchtwand von selbst verschließen

Ein internationales Team unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung hat an den Samenkapseln von Banksia-Pflanzen einen Selbstheilungsmechanismus entdeckt: Spezielle Wachse, die in der Verbindungszone zwischen den beiden Kapselklappen eingelagert sind und bei sommerlichen Umgebungstemperaturen schmelzen, verschließen kleine Risse.

Buschfeuer zerstören – und sorgen gleichzeitig für neues Leben: Viele Arten der in Australien verbreiteten Pflanzengattung Banksia benötigen Hitze, damit die Samen aus den Fruchtständen freigesetzt werden. Da Brände in unregelmäßigen Abständen auftreten, verbleiben die Samen nach ihrer Reife oft noch lange in den zweiklappigen Kapseln – bei manchen Arten bis zu 17 Jahre. Während dieser langen Zeit ist die verholzte Kapselwand ständig Witterungseinflüssen ausgesetzt. Diese verursachen mitunter winzige Risse, durch die Feuchtigkeit oder Krankheitserreger eindringen und die Samen zerstören können.

Wissenschaftler vom Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung haben nun gemeinsam mit Kollegen von der TU Dresden, der BOKU Wien und dem westaustralischen Kings Park and Botanic Garden gezeigt, wie sich die Pflanze davor schützt: Spezielle Wachse, die zwischen den beiden Klappen der Samenkapsel eingelagert sind und bei sommerlichen Umgebungstemperaturen schmelzen, sorgen dafür, dass kleine Verletzungen effektiv versiegelt werden.

In ihrer Studie haben die Forscher drei verschiedene Banksia-Arten untersucht: Banksia serrata kommt im Osten Australiens vor, B. attenuata und B. candolleana sind im Südwesten verbreitet. Die Gattung Banksia umfasst etwa 80 Arten von immergrünen Bäumen oder Sträuchern. Die Blütenstände setzen sich aus vielen Einzelblüten zusammen, die von Insekten, Vögeln oder Beuteltieren bestäubt werden.

Die verholzten Fruchtstände vieler Arten öffnen sich erst bei hohen Temperaturen, wie sie bei Buschfeuern auftreten. Wie genau der temperaturabhängige Öffnungsmechanismus funktioniert, war bis vor kurzem nicht vollständig geklärt: „Früher dachte man, dass die beiden Klappen der Samenkapseln von Harzen zusammengehalten werden, die sich bei Hitze verflüssigen, wodurch sich die Klappen öffnen“, sagt Jessica Huss, Doktorandin am Potsdamer Institut und Erstautorin der Studie. „Wir haben in der Verbindungszone zwischen den Klappen allerdings keine Harze, sondern Wachse nachgewiesen.“ Für eine detaillierte chemische Charakterisierung hatten die Forscher die Substanzen per Raman-Spektroskopie analysiert.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Schmelztemperaturen der Wachse je nach Art und geografischer Verbreitung bei 45 bis 55 Grad Celsius liegen, während sich die Samenkapseln erst bei Temperaturen zwischen 54 und 76 Grad Celsius öffnen. Die Wachse kamen also als Auslöser für das Öffnen der Klappen nicht infrage.

In einer zuvor veröffentlichten Studie wiesen die Forscher stattdessen nach, dass der Öffnungsmechanismus auf den mechanischen Eigenschaften und der unterschiedlichen Ausrichtung der Zellulosefasern in der dreischichtigen Kapselhülle beruht. „Während der Samenreife trocknet das Gewebe aus“, sagt Jessica Huss. „Die Fasern schrumpfen dabei unterschiedlich stark, was zu Vorspannungen führt. Durch Hitze wird die innerste Kapselschicht elastischer, wodurch sich diese Spannungen lösen können, und die beiden Hälften der Samenkapsel klappen auf.“

Was aber ist die Funktion der Wachse, wenn sie für den Öffnungsmechanismus keine Rolle spielen? „Weil die Samen bei manchen Banksien extrem lang am Strauch verbleiben, wo die Kapseln  permanent Witterungseinflüssen wie UV-Strahlung, Hitze und Regen oder auch den Schnäbeln hungriger Vögel ausgesetzt sind, vermuteten wir, dass die Wachse eine Schutzfunktion haben“, sagt die Wissenschaftlerin. „In vielen Gegenden Australiens sind 45 bis 55°C an sonnenbeschienenen Oberflächen im Sommer nichts Ungewöhnliches, die Wachse schmelzen an heißen Tagen und können so im flüssigen Zustand immer wieder kleine Verletzungen kitten.“

Anhand eines einfachen Modells haben die Forscher getestet, ob solche Wachse tatsächlich geeignet sind, um Risse im Holz zu versiegeln. Dazu verwendeten sie Kiefernholzplättchen, die sie mit einer dünnen Schicht aus Carnaubawachs überzogen und anschließend mit Schnitten versahen. Bei einem Teil der Plättchen brachten sie dann das Wachs zum Schmelzen. Wie ein Farbtest ergab, hatte das flüssige Wachs die Schnitte bereits nach 15 Minuten effektiv versiegelt: Während sich die Vertiefungen in nicht-erhitzten Plättchen leicht anfärben ließen, wiesen jene in den erhitzten Plättchen die Farbe ab.

„Der von uns gezeigte Selbstheilungsmechanismus ist wahrscheinlich eine in der Gattung Banksia verbreitete Anpassung“, sagt Michaela Eder. „Ein ähnliches, temperaturabhängiges System könnte auch für praktische Anwendungen interessant sein – etwa für dimensionsstabiles Holz im Außenbereich."

EM

 

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