Galaxienkern in Nahaufnahme

Astronomen untersuchen den Jet eines supermassereichen schwarzen Lochs mit bisher unerreichter Genauigkeit

Im Zentrum der Galaxie OJ 287 steckt mindestens ein aktives, supermassereiches schwarzes Loch. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Silke Britzen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie hat nun herausgefunden, dass der aktive Kern dieser Galaxie einen Jet erzeugt, der auf einer Zeitskala von rund 22 Jahren taumelt wie ein Kinderkreisel. Mit dieser Präzession genannten Bewegung lässt sich die Schwankung der Strahlung von OJ 287 erklären. Die Entdeckung liefert damit den Schlüssel für das Verständnis der Variabilität in aktiven Galaxienkernen.

Schon vor Jahren haben Astronomen die rund 3,5 Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie OJ 287 als „Rosettastein“ für Blazare bezeichnet. Ein Blazar ist eine Galaxie mit äußerst aktivem Kern, aus dem bis zur Hälfte der vom gesamten Sternsystem abgegebenen Strahlung stammt. Für die Ursache halten Forscher ein supermassereiches schwarzes Loch, das mit Materie gefüttert wird und dadurch Energie in Form eines gebündelten Jets emittiert.

Im Fall von OJ 287 erstreckt sich die Strahlung über eine große Bandbreite des Spektrums, von Radiowellen bis hin zum Teravolt-Bereich. So ist die Galaxie seit langem auch Ziel von Beobachtungen im optischen Licht. Schon seit dem späten 19. Jahrhundert registrieren die Forscher Helligkeitsschwankungen – und gewannen damit bis heute eine der zeitlich gesehen längsten Lichtkurven in der Astronomie.

Trotz vieler Untersuchungen sind die Jets ein Rätsel geblieben. Nach gängiger Theorie wird etwa der Ursprung von Schwankungen in der Radiohelligkeit mit dem „Fütterungsmechanismus“ durch das zentrale schwarze Loch erklärt. Und die sich bewegenden Strukturen in den Jets, die sogenannten Knoten, werden unabhängig davon den Stoßwellen („Shocks“) in den Jets zugeschrieben. Die Wissenschaftler möchten einen physikalischen Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen herstellen, was bisher nicht vollständig gelungen ist.

Ein von Silke Britzen vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie geleitetes Team hat nun eine ausgeklügelte Beobachtungstechnik genutzt, um den Jet von OJ 287 im unmittelbaren Umfeld seiner Entstehung detailliert abzubilden. Die dabei angewandte Technik der Radiointerferometrie umfasst mehrere über den gesamten Erdball verteilte Radioteleskope, die auf diese Weise ein virtuelles Monsterteleskop von bis zu Erdgröße erzeugen. Damit wird es möglich, tief in die Zentren von aktiven Galaxien hineinzuzoomen, um Jets in direkter Nähe zu einem zentralen schwarzen Loch mit bisher nicht gekannter Winkelauflösung abzubilden. 

Durch die Analyse eines umfangreichen und einen langen Zeitraum umfassenden Archivs von Beobachtungsdaten für die Galaxie OJ 287 hat das Team nun starke Hinweise darauf gefunden, dass die beiden oben genannten Phänomene denselben Ursprung haben: Sowohl die Helligkeitsschwankungen als auch die Knoten lassen sich allein durch die Bewegung des Jets erklären.

Denn der Jet selbst führt eine Präzessionsbewegung aus, das heißt, er taumelt wie ein Kinderkreisel. „Die Helligkeitsschwankungen ergeben sich aus dieser Präzession, die eine Veränderung in der Verstärkung der ausgesendeten Strahlung hervorruft, wenn sich unser Sichtwinkel auf den Jet durch die Präzession ändert“, sagt Michal Zajacek, ebenfalls vom Bonner Max-Planck-Institut, der die numerische Modellierung der Präzession ausgeführt hat.

„Es war für uns sehr überraschend, dass der Jet nicht nur präzediert. Er scheint darüber hinaus auch ein klein wenig zu nicken“, so Zajacek weiter. Diese Kombination aus Präzession und Nutation („Nicken“) führt zur beobachteten Variabilität in der Radiostrahlung und kann auch einige der optischen Strahlungsausbrüche erklären.

„Uns ist klargeworden, dass es der gleiche physikalische Prozess ist, der die Bewegung des Jets an der Sphäre und die beobachteten Helligkeitsschwankungen der Galaxie hervorruft. Es ist letztendlich die Änderung in der Bewegung des Jets. Pure Geometrie“, sagt Silke Britzen. „Dies eröffne eine einzigartige Möglichkeit, die Jets und ihren potenziellen Ursprung in unmittelbarer Nachbarschaft des zentralen schwarzen Lochs zu verstehen.

Britzen und ihr Forscherteam sind überzeugt davon, dass das Präzessionsszenario auch die über einen Zeitraum von 130 Jahren beobachteten optischen Strahlungsausbrüche erklären kann. Für die endgültige Bestätigung sind aber zusätzliche Daten und weitere Analysearbeit erforderlich.

Eine nach wie vor offene Frage betrifft den Ursprung der Jetpräzession. Präzession ist ein physikalischer Prozess, den man vor allem von Spielzeugkreiseln kennt, aber auch von der Bewegung der Erde selbst: Die Rotationsachse unseres Planeten ist nicht stabil, sondern bewegt sich im Raum mit einer Periode von rund 26000 Jahren aufgrund der Gezeitenwirkungen von Sonne und Mond.

Für die Präzession des Jets von OJ 287 nennt das Team zwei mögliche Szenarien. „Wir haben entweder ein System von zwei supermassereichen schwarzen Löchern, wobei der von einem der beiden erzeugte Jet durch Gezeitenkräfte des anderen in eine Taumelbewegung versetzt wird“, sagt Christian Fendt vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie. „Oder aber es handelt sich um ein schwarzes Loch, das durch Gezeitenkräfte von einer schief ausgerichteten Akkretionsscheibe beeinflusst wird.“

HOR / NJ

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht