Hepatitis-B-Virus aus der Steinzeit entschlüsselt

Inzwischen verschwundene Linie des Virus ist mit heutigen Erregern bei Menschenaffen verwandt

Einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und der Universität Kiel ist es gelungen, das Genom europäischer Hepatitis-B-Stämme der Steinzeit und des Mittelalters zu rekonstruieren. Erstmals konnte damit die DNA eines Virus aus der menschlichen Vorgeschichte gewonnen werden. Sie belegt, dass Hepatitis B schon seit mindestens 7.000 Jahren in Europa existiert.

Das Hepatitis-B-Virus ist heutzutage einer der am weitesten verbreiteten Krankheitserreger, weltweit sind mehr als 250 Millionen Menschen damit infiziert. Herkunft und Entwicklungsgeschichte des Virus sind jedoch unbekannt. Die Erforschung seiner Evolution und Geschichte erwies sich als besonders schwierig, da bislang keine Virus-DNA aus prähistorischem Probenmaterial gewonnen werden konnte. Im Rahmen der neuen Studie ist es einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und des Instituts für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gelungen, nicht nur die alte DNA des Virus aus prähistorischen und historischen Zeiten zu gewinnen, sondern auch die Genome dreier Hepatitis-B-Virusstämme zu rekonstruieren – zwei datieren aus der Jungsteinzeit, einer aus dem Mittelalter.

Hepatitis B in prähistorischer und historischer Zeit

Im Rahmen der neuen Studie untersuchten die Forscher Proben aus den Zähnen von 53 Individuen, deren Skelette aus jungsteinzeitlichen und mittelalterlichen Fundstellen in Deutschland stammen und einen Zeitraum von ungefähr 5000 vor Christus bis 1200 nach Christus abdecken. Die Wissenschaftler untersuchten alle Proben auf Erreger von Viruskrankheiten und entdeckten bei drei Individuen Hepatitis-B-Viren. Aus diesen Proben konnten die kompletten Virus-Genome gewonnen werden. Zwei der Genome stammen aus der Jungsteinzeit und sind 7.000 bzw. 5.000 Jahre alt, das dritte Genom aus dem Mittelalter. Die älteste Probe wurde in Karsdorf in Sachsen-Anhalt gefunden und datiert auf die Zeit um 5000 vor Christus. Damit handelt es sich um den ältesten bisher genetisch untersuchten Krankheitserreger.

Auffällig ist, dass die entdeckten Virus-Genome eigenständige und inzwischen verschwundene Linien darstellen, die mit den heutigen Hepatitis-B-Virenstämmen nur entfernt verwandt sind. Die beiden Genome aus der Jungsteinzeit ähneln sich relativ stark verglichen mit heutigen Virenstämmen, obwohl sie von Individuen stammen, die zweitausend Jahre voneinander getrennt lebten. Zudem zeigen die jungsteinzeitlichen Genome eine größere Verwandtschaft mit Hepatitis-B-Virenstämmen, die heutzutage bei Menschenaffen wie Schimpansen und Gorillas vorkommen. Im Gegensatz dazu ist das mittelalterliche Genom den heutigen ähnlicher, auch wenn es ebenfalls einen separaten Virusstamm darstellt.

Der Vergleich mit bereits veröffentlichten Genomen von Hepatitis B – entdeckt bei Mumien aus dem 16. Jahrhundert – zeigt überraschender Weise, dass sich das Hepatitis-B-Virus in den vergangenen 500 Jahren kaum verändert hat. Diese Entdeckungen weisen auf eine komplexe Entwicklungsgeschichte des Virus hin. Möglicherweise fanden mehrere Übertragungen zwischen Mensch und Affe statt, woraus sich unterschiedliche und teilweise inzwischen verschwundenen Virenstämme entwickelten.

Ein neues Werkzeug zur Erforschung von durch Blut übertragenen Viren

„Alles in allem zeigen unsere Ergebnisse, dass das Hepatitis-B-Virus bereits vor 7.000 Jahren bei Europäern vorkam. Zudem ist seine Genomstruktur der des heutigen Hepatitis-B-Virus sehr ähnlich, ungeachtet der beobachteten Unterschiede“, erläutert der Erstautor Ben Krause-Kyora vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und der Christian-Albrechts-Universität Kiel. „Es müssen sowohl ältere Vorläufer des Hepatitis-B-Virus untersucht werden als auch mehr heutige Virusstämme sowie ihre zwischenzeitlichen Entwicklungsformen, um die komplexe Evolution von Hepatitis zu entwirren."

Johannes Krause, Hauptautor und Direktor der Abteilung für Archäogenetik am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, sieht das wichtigste Ergebnis der Studie darin, dass sie das große Potenzial von aus menschlichen Knochen gewonnener alter DNA zeigt: "Sie erlaubt uns, die Evolution von durch Blut übertragenen Viren zu erforschen. Bisher war es immer zweifelhaft, ob dies möglich wäre und überhaupt solche Erkrankungen für vergangene Zeiten nachzuweisen sind. Nun haben wir ein leistungsfähiges Mittel gefunden, um die vielschichtige Evolutionsgeschichte von Viruserkrankungen zu erkunden.“

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