Stratmann zum EU-Haushalt: „Vorfahrt für Forschung ist positives Signal“

Dass das Budget der EU trotz des Austritts der Briten künftig anwachsen soll, ist unpopulär, weil das die anderen Mitgliedstaaten noch stärker belastet. Aus Perspektive der Wissenschaft ist die Grundausrichtung des Finanzplans dabei zu begrüßen, sagt Max-Planck-Präsident Martin Stratmann. Schließlich soll weniger Geld in die Agrarförderung fließen, mehr dafür in den Studentenaustausch, Forschung und Innovation – kurzum: in die Zukunft. Die Erklärung im Wortlaut:

„Die EU befindet sich in einer historisch schwierigen Stunde, weshalb auch der künftige EU-Haushalt als zentrales Instrument zur Bestimmung der künftigen politischen Prioritäten unter enormem politischen Druck steht. Einerseits fehlen auf der Einnahmenseite durch den Brexit jährliche Beiträge des Vereinigten Königreichs in Höhe von etwa 14 Milliarden Euro, die durch Zahlungen der übrigen Mitgliedstaaten – insbesondere Deutschland – kompensiert werden sollen. Zudem gibt es angesichts der Weltlage auf der Ausgabenseite neue Prioritäten wie Verteidigung, Grenzschutz, Migration sowie Terrorismusbekämpfung. Als wäre das nicht genug, belasten nationale Strömungen in wichtigen Mitgliedstaaten die gesamteuropäische Solidarität. Warum fürs ferne Brüssel zahlen?

Angesichts dieser Gesamtsituation ist der Vorschlag der EU-Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen durchaus mutig: So ist ausschließlich für zwei Budgetlinien mehr Geld vorgesehen. Indem „Erasmus+“ auf 30 Milliarden Euro verdoppelt wird, werden mehr junge Akademikerinnen und Akademiker durch Europa reisen und neue Kontakte knüpfen können. Und indem die Mittel des Forschungsrahmenprogramms um etwa 30 Prozent auf knapp 100 Milliarden Euro steigen, wird die Bedeutung von Forschung und Innovation in Zeiten der globalen Konkurrenz um Wissen und Technologie gewürdigt. Man investiert also in die Zukunft – und das diesmal auch sichtbar, indem bei Altem wie der Agrarförderung gekürzt wird.

Der politische Prozess wird zeigen, ob die EU-Kommission mit ihrem 1,2 Billionen-Euro-Haushaltsplan für die Jahre 2021 bis 2027 zu ambitioniert ist. Einiges spricht dafür, dass die Mitgliedstaaten hier eine Deckelung einziehen – einige möglicherweise eher aus dem Bestreben, die Europäische Union angesichts divergierender Kräfte zu schützen. Aber selbst wenn die Ausgaben weniger stark wachsen, bleibt die von der EU-Kommission getroffene Priorisierung für Forschung und Innovation entscheidend. Im neuen, nunmehr neunten Forschungsrahmenprogramm sollten dabei effiziente Strukturen und eine konsequente Exzellenzorientierung im Vordergrund stehen. Beim Europäischen Forschungsrat ERC, dem Aushängeschild der europäischen Forschungsförderung, kommen bereits jetzt als exzellent evaluierte Anträge nicht zum Zug. Deshalb sollte ein signifikanter Teil der von der EU-Kommission geplanten Mittelsteigerung für die Forschung in den ERC-Etat fließen. Europa mangelt es nicht an Ideen und wissenschaftlicher Qualität, es mangelt an entsprechender Förderung.“

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