Fußfessel hat keinen Einfluss auf Rückfallquote

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht untersucht Auswirkungen von elektronischer Überwachung auf Low-Risk-Straftäter

26. März 2018

Die Überwachung mithilfe einer elektronischen Fußfessel bei Straftätern mit niedrigem Risikoprofil hat keinen Einfluss auf deren Rückfallquote. Das ist ein Ergebnis einer Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Auftrag des Justizministeriums Baden-Württemberg. Danach lässt sich wissenschaftlich nicht belegen, dass die elektronische Überwachung die Resozialisierung der Straftäter vereinfacht.

In einem Modellversuch hat das Justizministerium Baden-Württemberg von Oktober 2010 bis März 2012 den "Strafvollzug mit elektronischer Aufsicht" erprobt. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg begleitete den Modellversuch wissenschaftlich. Das Forschungsteam verglich 46 Strafgefangene, die unter elektronische Aufsicht gestellt waren, mit nicht elektronisch überwachten Strafgefangenen. Dabei handelte es sich vor allem um Straftäter mit einem niedrigen Risikoprofil, die Verkehrsdelikte, leichtere Gewaltstraftaten oder Betrugsdelikte begangen hatten. Sie verbüßten entweder eine Ersatzfreiheitsstrafe, weil sie eine verhängte Geldstrafe nicht zahlen konnten, waren Freigänger oder Gefangene in der Entlassungsphase.

Unter anderem werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, ob sich die Gefangenen mit elektronischer Fußfessel nach dem Ende der Überwachung gesetzestreu verhielten oder rückfällig wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die elektronische Aufsicht für diese Niedrig-Risiko-Gruppe weder positive noch negative Effekte hat: Die Rückfallraten der beiden Vergleichsgruppen unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Insgesamt entfaltete die elektronische Aufsicht nicht das von ihr erwartete Potenzial und blieb in Bezug auf die Resozialisierung und auf die Haftvermeidung hinter den mit ihr verbundenen Erwartungen zurück .

„Eine zentrale Idee der elektronischen Aufsicht im Rahmen des Vollzugs von Freiheitsstrafen ist es, Prisonisierungseffekte, also die Anpassung von Gefangenen an die Gefängniskultur, zu verhindern“, erklärt Gunda Wößner, die das Forschungsprojekt gemeinsam mit Hans-Jörg Albrecht, dem Direktor des Freiburger Max-Planck-Instituts leitete. „Tatsächlich belegt die Studie einen kleinen Effekt bei der Reduzierung des Prisonisierungserlebens. Unsere Studie hat allerdings zugleich ergeben, dass die Rückfallquote der elektronisch überwachten Probanden sich nicht signifikant von der Rückfallquote der im Vollzug gebliebenen Probanden unterscheidet“, so die Psychologin. Der Nutzen der elektronischen Aufsicht bei dieser Zielgruppe liege allenfalls darin, „dass sie eine frühere Entlassung in eine Situation ermöglicht, in der sich für diese Gefangene gar kein typischer Resozialisierungsbedarf mehr ergibt.“ Das Fazit: Man weiß noch sehr wenig über den Einsatz der Fußfessel und deren Langzeitfolgen. Man müsse aber schon sehr genau hinschauen, „für wen der Einsatz der Fußfessel im Rahmen welcher Anwendung geeignet ist“.

Die von den fünf teilnehmenden Vollzugsanstalten gemeldeten Probanden wurden vom Max-Planck-Institut zufällig zu einer Experimentalgruppe (deren Teilnehmer bei entsprechender Eignung unter elektronische Aufsicht gestellt wurden) oder einer Kontrollgruppe (deren Teilnehmer das normale Vollzugsprogramm durchliefen und im Regelvollzug verblieben) zugeteilt. Die Teilnahme am Modellprojekt war nur möglich, wenn die Probanden bestimmte Voraussetzungen erfüllten, etwa wenn sie einer Arbeit in einem Umfang von mindestens vier Stunden pro Tag nachgingen. Grundlage der Untersuchung waren persönliche Gespräche mit den Teilnehmern sowie Daten aus den Gefangenenpersonalakten. Zudem führten die Wissenschaftler/innen Befragungen mit den Projektbeteiligten durch, z.B. der Bewährungshilfe sowie der Staatsanwaltschaft und Verantwortlichen der Justizvollzugsanstalten.

AS/MEZ

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht