Gigantisches Erbgut des Axolotl entschlüsselt

Das bisher größte sequenzierte Genom legt die Grundlage für die Erforschung der Regeneration von Gewebe

24. Januar 2018

Ein Team von Wissenschaftlern aus Wien, Dresden und Heidelberg hat die gesamte Erbinformation des mexikanischen Salamanders Axolotl entschlüsselt. Das Axolotl-Genom ist das bisher größte Genom, das jemals sequenziert wurde. Es stellt eine wichtige Grundlage dar, um das Zusammenspiel der Moleküle zu verstehen, die das Nachwachsen von Gliedmaßen und die Regeneration von Geweben steuern.

Salamander sind von jeher wichtige biologische Modelle für Entwicklungs-, Regenerations- und Evolutionsstudien. Vor allem der mexikanische Axolotl Ambystoma mexicanum hat aufgrund seiner erstaunlichen Regenerationsfähigkeit von Körperteilen eine besondere Bedeutung. Verliert das kannibalistisch veranlagte Tier ein Körperteil, wächst innerhalb weniger Wochen ein perfekter Ersatz mit Knochen, Muskeln und Nerven an den richtigen Stellen nach. Auch durchtrenntes Rückenmark und verletztes Netzhautgewebe kann der Axolotl wiederherstellen. Diese Eigenschaften und die relativ einfache Zucht machen ihn seit bereits 150 Jahren zu einem beliebten Modellorganismus in der Biologie.

Eine der größten Axolotl-Kolonien wird im Labor von Elly Tanaka am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie in Wien betreut. Die Tanaka-Gruppe, die bis 2016 am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden und am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden aktiv war, erforscht die molekularen Mechanismen, die der Regeneration von Gliedmaßen und Rückenmark zugrunde liegen, sowie deren Evolution. Im Lauf der Jahre hat das Forschungsteam einen umfangreichen Satz an molekularen Werkzeugen entwickelt, darunter umfassende Transkriptom-Daten, mit denen die Protein-kodierenden Sequenzen im Genom des Axolotl aufgespürt werden können. Mit diesen Werkzeugen konnten Elly Tanaka und ihre Kollegen unter anderem die Zellen identifizieren, welche die Regeneration in Gang setzen, sowie die Moleküle, die diesen Prozess steuern.

Um Regeneration vollständig zu verstehen und herauszufinden, warum sie bei den meisten Arten nur sehr eingeschränkt funktioniert, müssen Wissenschaftler die gesamte DNA-Sequenz kennen, um die Regulation und Evolution von Genen zu erforschen. Bisher konnte man das Axolotl-Genom aufgrund seiner giantischen Größe nicht komplett entschlüsseln: Mit 32 Milliarden Basenpaaren ist es mehr als zehnmal so groß wie das menschliche Genom. Die Entschlüsselung des Axolotl-Genoms mit Hilfe bisheriger Techniken wurde durch die beträchtliche Anzahl langer, sich wiederholender Sequenzen weiter erschwert.

Puzzle aus Millionen Teilen

Einem internationalen Forscherteam um Elly Tanaka, Michael Hiller und Gene Myers vom Max-Planck-Institut in Dresden sowie Siegfried Schloissnig vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) haben nun das Axolotl-Genom sequenziert, zusammengesetzt und analysiert. Damit haben sie das bisher größte Genom entschlüsselt. Mit der PacBio-Methode, einer neuen Sequenziertechnologie, die längere Stücke des Genoms auslesen kann, wurden über 72 Millionen solcher Genomstücke am DRESDEN Concept Genome Center von MPI-CBG und TU Dresden sequenziert. Längere Sequenzstücke sind wichtig, da diese die sich wiederholenden Teile im Genom überspannen können und damit eine eindeutige Zuordnung erlauben. Mit einem Software-System, das gemeinsam von Gene Myers und Siegfried Schoissning mit seinem Heidelberger Team entwickelt wurde, konnte das Genom wie bei einem Puzzle aus Millionen dieser Stücke zusammengesetzt werden. 

Die Analyse des nun vorliegenden Genoms offenbarte Merkmale, die auf die Einzigartigkeit des Axolotls hinweisen: Die Forscher fanden mehrere Gene, die nur beim Axolotl und anderen Amphibienarten vorkommen und in regenerierendem Gewebe aktiv sind. Auffallend ist auch, dass ein wichtiges und weit verbreitetes Entwicklungsgen namens PAX3 beim Axolotl vollständig fehlt. Dessen Funktion übernimmt ein verwandtes Gen namens PAX7. Beide Gene spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Muskeln und Nerven.

„Wir haben jetzt die genetische Karte in der Hand, mit der wir untersuchen können, wie komplizierte Strukturen - zum Beispiel Beine - nachwachsen können ", erklärt Sergej Nowoshilow, Co-Autor der Studie und Postdoktorand am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie. "Dies ist ein echter Meilenstein für die Axolotl-Forschung und für ein Forschungsabenteuer, das vor mehr als 150 Jahren begann."

HH/KB/HR

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