Forschungsbericht 2010 - Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH

Sauerstoffreduktion im Fokus der Grenzflächenchemie oder „Was haben Korrosion und Brennstoffzellen gemeinsam?“

Autoren
Auer, Alexander A.; Biedermann, P. Ulrich; Mayrhofer, Karl J. J.
Abteilungen
Grenzflächenchemie und Oberflächentechnik (Prof. Dr. Martin Stratmann)
Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf
Zusammenfassung
Ob die Wasserstoffbrennstoffzelle die Antriebstechnik der automobilen Zukunft darstellt ist noch offen – sicher ist jedoch, dass Korrosion in vielen Bereichen der Technik ein ernst zu nehmendes Problem darstellt, denn nicht nur wer rastet, rostet. So unterschiedlich die beiden Prozesse erscheinen mögen, ihnen gemeinsam ist eine wichtige chemische Teilreaktion: die Sauerstoffreduktion. Am Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH in Düsseldorf wird diese Reaktion im Rahmen eines interdisziplinären Projektes untersucht, um Brennstoffzellen besser und Korrosionsschutz effizienter zu machen.

Einleitung

Wann immer metallische Komponenten durch Korrosion geschädigt werden, läuft ein Oxidationsprozess ab, bei dem Metallatome im Rahmen einer Redoxreaktion Elektronen abgeben. Werden Elektronen abgegeben, müssen diese an anderer Stelle aufgenommen werden und so gibt es zu jeder Oxidationsreaktion eine Reduktion als Gegenreaktion. Im Fall der Korrosion ist dies meist die Sauerstoffreduktion, bei welcher Luftsauerstoff reduziert wird [1]. Aus diesem Grund ist die Versiegelung eines zu schützenden Werkstücks ein guter Korrosionsschutz – können Luftsauerstoff und Elektrolyt nicht an die Metalloberfläche gelangen, wird die Sauerstoffreduktion unterbunden und der Korrosion effektiv entgegengewirkt.

Wenn aus Sauerstoff und Wasserstoff elektrochemisch Wasser wird, spielt die Sauerstoffreduktion eine entscheidende Rolle. Dieser Prozess ist die Grundreaktion für die Umwandlung von chemischer Energie in elektrische, wie sie in Brennstoffzellen abläuft. In diesem Fall ist die Gegenreaktion zur Sauerstoffreduktion die Oxidation von Wasserstoff. Während letztere schnell abläuft, stellt die Sauerstoffreduktion das Nadelöhr dieses Prozesses dar. Könnte man diese durch die Entwicklung besserer Katalysatoren beschleunigen, würde dies erheblich zur Effizienzsteigerung dieser zukunftsträchtigen Technologie beitragen (siehe Abb. 1) [2].

Sauerstoffreduktion im Fokus von Theorie, Spektroskopie und Elektrochemie

Ein tieferes Verständnis dieser zentralen Reaktion ist das Ziel eines interdisziplinären Projektes von Elektrochemie, Grenzflächenspektroskopie und Theoretischer Chemie am Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH in Düsseldorf.

Wie wenig trotz zahlreicher Studien immer noch über die elementaren Schritte der Sauerstoffreduktion bekannt ist, zeigen diverse Arbeiten, in denen der Mechanismus auf unterschiedlichsten Oberflächen kontrovers diskutiert wird [3, 4]. Der Grund dafür ist nicht zuletzt die hohe Komplexität der Vorgänge bei der Sauerstoffreduktion – je nach Oberfläche, pH-Wert, Elektrodenpotenzial und Sauerstoffkonzentration ändert sich nicht allein die Reaktionsgeschwindigkeit, sondern der gesamte Mechanismus.

Um die unterschiedlichen Einflüsse auf die Reaktion richtig zu deuten und gezielt beeinflussen zu können, bedarf es zahlreicher Informationen, die selten über eine einzelne Messung oder Simulation erhalten werden können. Im Rahmen der hier vorgestellten Studie soll ein detailliertes Verständnis über eine dreigleisige Strategie erhalten werden: sorgfältige elektrochemische Messungen unter Kontrolle aller externen Einflüsse, eine möglichst genaue Kenntnis der aktiven Spezies, der Oberflächenstruktur und der Reaktionskinetik sowie ein detailliertes atomistisches Modell der unterschiedlichen Reaktionskanäle.

Dies erfordert das Zusammenspiel von Experimentatoren und Theoretikern, bei dem durch Abstimmung von Experiment und Simulation ein Gesamtbild der Reaktion entsteht. Von großer Wichtigkeit ist hier, stets Modellsysteme zu verwenden, die hinreichend gut charakterisiert sind, so dass schwer kontrollierbare Störfaktoren und Fehlerquellen weitgehend ausgeschlossen werden.

Quantenchemische Untersuchung des Mechanismus

Bei der elektrochemischen Sauerstoffreduktion werden vier Elektronen und bis zu vier Protonen übertragen. Die Bilanzgleichung in sauren bzw. alkalischen Elektrolyten ist:

O2 + 4 H3O+ + 4 e → 6 H2O

O2 + 2 H2O   + 4 e → 4 OH

 

Der molekulare Mechanismus ist jedoch viel komplizierter, wie zahlreiche frühere Studien gezeigt haben. Dabei wurden auch verschiedene Zwischenstufen, wie zum Beispiel Wasserstoffperoxid (H2O2), beobachtet. Kurzlebige, molekulare Zwischenstufen wie das Hyperoxid-Ion (O2-) sind wichtige Komponenten der Sauerstoffreduktion, deren Untersuchung nicht nur Aufschluss über den genauen Reaktionsverlauf geben, sondern auch Angriffspunkte zur Beschleunigung (bzw. Inhibierung) der Reaktion darstellen. Außer dem pH-Wert spielen das Elektrodenpotenzial U und die katalytischen Eigenschaften der Elektrodenoberfläche eine wesentliche Rolle. Um den Mechanismus besser zu verstehen, wurde zunächst die unkatalysierte Reaktion untersucht. Alle möglichen Zwischenstufen, die aus Sauerstoff durch schrittweise Übertragung von ein bis vier Elektronen und ein bis vier Protonen entstehen können, sind in der Tabelle in Abbildung 2 links dargestellt. Ihre Struktur und Stabilität als Funktion des pH und des Elektrodenpotenzials wurden mit quantenchemischen Methoden berechnet. Dabei ist die Berücksichtigung der Stabilisierung durch die Solvathülle, die sich in wässriger Lösung ausbildet, von besonderer Bedeutung. Durch elektrostatische Wechselwirkungen und Wasserstoffbrückenbindungen werden hier insbesondere ionische Spezies wesentlich stabilisiert. Aus diesen Ergebnissen lässt sich ein Mechanismus ableiten, der auf Elektronentransfer und Protonentransfer als Elementarschritten basiert. Dies ist in Abbildung 2 rechts für das Gleichgewichtspotenzial in sauren Elektrolyten illustriert. Die relative Stabilität der wichtigsten Zwischenstufen ist als Funktion der Reaktionsschritte, ausgehend von Sauerstoff, dargestellt. Der Mechanismus mit den stabilsten Zwischenstufen besteht aus abwechselnden Elektronen- und Protonenübertragungen, die durch rote bzw. blaue Verbindungslinien dargestellt sind. Anionische Zwischenstufen sind stabiler als kationische. Die Bindung zwischen den beiden Sauerstoffatomen bricht beim Übertragen des dritten Elektrons. Eine frühere Bindungsdissoziation führt zu relativ energiereichen Zwischenstufen, die in der Abbildung nicht aufgeführt sind.

In weiteren Studien wird ausgehend vom Mechanismus in homogener wässriger Lösung als nächster Schritt der katalytische Einfluss bzw. der hemmende Effekt von spezifischen Oberflächen untersucht werden.

Untersuchungen mit grenzflächensensitiver Infrarotspektroskopie

Mit spektroskopischen Untersuchungen sollen die kurzlebigen Zwischenstufen der Sauerstoffreduktion nachgewiesen werden. Dazu werden hauptsächlich Oberflächen dotierter Halbleiter untersucht, denn auch die meisten Oxide, die als Korrosionsprodukte entstehen können, sind Halbleiter. Da die Intermediate nicht in hoher Konzentration vorliegen, muss die spektroskopische Nachweismethode sowohl grenzflächensensitiv als auch empfindlich sein. Eine Skizze des Prinzips der verwendeten Methode ist in Abbildung 3 dargestellt.

Befinden sich Moleküle bzw. Ionen, die das Licht absorbieren, nahe der Oberfläche, wird die Lichtintensität bei einer bestimmten, für die entsprechenden Moleküle bzw. Ionen charakteristischen Wellenlänge verringert. An der Oberfläche, an der sich das Licht ausbreitet, kann man gleichzeitig elektrochemische Reaktionen, hier die Sauerstoffreduktion, ablaufen lassen. So lassen sich spektroskopisch die charakteristischen Wellenlängen der dabei auftretenden Zwischenprodukte identifizieren. Wichtig ist die anschließende Zuordnung der entsprechenden Schwingungsfrequenzen zu bestimmten Molekülen bzw. Ionen. Speziell für hochreaktive Zwischenstufen gibt es kaum Referenzverbindungen. Hier kommt das zweite Mal die Theorie ins Spiel, mit deren Hilfe sich auch die charakteristischen Wellenlängen der jeweiligen Moleküle berechnen lassen. Damit erreicht man für die Zuordnung der Banden eine Hypothese, die in weiteren Experimenten überprüft werden kann, z.B. mit Hilfe von Isotopenmarkierung.

Elektrochemische Untersuchungen an Edelmetallkatalysatoren

Während für das Verständnis der Korrosion die Sauerstoffreduktion auf Metallen und Halbleitern im Zentrum steht, ist für Brennstoffzellen vor allem die Sauerstoffreduktion auf Edelmetallen, die in der Praxis als Katalysatoren eingesetzt werden, von Interesse. Auch hier sind der exakte Reaktionsmechanismus und auftretende Zwischenprodukte trotz jahrzehntelanger Forschung nicht vollständig geklärt. So zielen die elektrochemischen Untersuchungen im Rahmen des Projektes in erster Linie darauf ab, ein besseres Verständnis der fundamentalen Prozesse zu erlangen, um eine Verbesserung von Katalysatormaterialien für die elektrochemische Energieumwandlung zu erreichen. Dazu werden Messungen auf wohl definierten Oberflächen unter sorgfältiger Kontrolle der Einflussparameter durchgeführt, die es erlauben, die Beziehung zwischen Katalysatorstruktur und -zusammensetzung und der Kinetik der Sauerstoffreduktion aufzuklären. Zusätzlich wird versucht, die Ergebnisse auf diesen idealen Modellsystemen zur Erklärung des weitaus komplexeren Verhaltens realer Katalysatoren heranzuziehen. Idealerweise sollten aus dem weiterentwickelten Verständnis dann neuartige Konzepte zur Synthese von verbesserten Systemen mit optimierten Eigenschaften bezüglich der Sauerstoffreduktion abgeleitet und umgesetzt werden [5].

Im Bereich der Brennstoffzellen ist derzeit der beste Katalysator für die Sauerstoffreduktion das verhältnismäßig teure Platin, das in Form von Nanopartikeln auf einem Kohlenstoffträger zum Einsatz kommt. Während theoriebasierte Studien nahe legen, dass eine deutliche Verbesserung dieses Systems durch Legierung mit anderen Metallen möglich sein sollte, dauert die Suche nach dem optimalen Katalysator an [6, 7].

Um diese so effizient wie möglich zu gestalten, werden neue gekoppelte elektrochemische Untersuchungsmethoden basierend auf automatisierten Hochdurchsatzverfahren entwickelt und angewendet. Diese erlauben ein schnelles Durchleuchten von katalytischen Eigenschaften einer Vielzahl von Materialien innerhalb kürzester Zeit – ein entscheidender Faktor speziell bei der Optimierung der Zusammensetzung in Systemen mit zahlreichen Komponenten. Des Weiteren können durch die Synchronisation mit gekoppelten Analysegeräten (z.B. Inductively-Coupled Plasma Mass Spectrometry und Differential Electrochemical Mass Spectrometry) in Echtzeit gleichzeitig Stabilität und Selektivität untersucht werden, was das umfangreiche Gesamtbild über den Zusammenhang von Oberflächenstruktur und Aktivität noch um die zeitliche Veränderung erweitert. So werden die katalytischen Eigenschaften z.B. von Pt-Legierungs-Katalysatoren ganzheitlich betrachtet und entscheidende Aspekte wie der Einfluss der Partikelgröße, des Kohlenstoffträgers und der Oberflächensegregation auf die Reaktionsgeschwindigkeit und den Mechanismus untersucht (siehe Abb. 4) [8, 9].

M. Stratmann, G. S. Frankel (Eds.):
Encyclopedia of Electrochemistry, Vol. 4, Corrosion and oxide films.
Wiley-VCH, Weinheim 2003, 755 p.
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J. A. Keith, G. Jerkiewicz, T. Jacob:
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AuPt core-shell catalyst with bulk Pt activity.
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J. K. Nørskov, J. Rossmeisl, A. Logadottir, L. Lindqvist, J. R. Kitchin, T. Bligaard, H. Jonsson:
Origin of the overpotential for oxygen reduction at a fuel-cell cathode.
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K. J. J. Mayrhofer, J. C. Meier, S. J. Ashton, G. K. H. Wiberg, F. Kraus, M. Hanzlik, M. Arenz:
Fuel cell catalyst degradation on the nanoscale.
Electrochemistry Communications 10, 1144-1147 (2008).
K. J. J. Mayrhofer, V. Juhart, K. Hartl, M. Arenz:
Degradation of Carbon-supported Pt Bimetallic Nanoparticles by Surface Segregation.
Journal of the American Chemical Society 131 (45), 16348-16349 (2009).
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