Forschungsbericht 2017 - Max-Planck-Institut für Astronomie
Wie die Bausteine des Lebens aus dem Weltall auf die Erde kamen
Wie auf der Erde vor rund vier Milliarden Jahren das erste Leben entstand, ist eine der großen Fragen der Wissenschaft. Neue Ergebnisse von Forschern der McMaster University und des Max-Planck-Instituts für Astronomie deuten darauf hin, dass Meteoriten dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben dürften. Diese Körper landeten in warmen kleinen Teichen auf der Erde und deponierten dort organische Stoffe, welche die Entstehung des Lebens in Form von selbstreplizierenden RNA-Molekülen ermöglichten [1].
Die Schlussfolgerungen der Astronomen basieren auf einem Modell, das heutiges Wissen zu Planetenentstehung, Geologie, Chemie und Biologie zusammenfasst. Das vielleicht interessanteste Ergebnis der Berechnungen ist, dass das Leben vergleichsweise früh entstanden sein dürfte: Nur wenige hundert Millionen Jahre nachdem die Erde ausreichend abgekühlt war, um flüssiges Oberflächenwasser wie Teiche oder Ozeane zuzulassen. Damals trafen ungleich viel mehr Meteorite auf die Erde als heutzutage.
Bis jetzt hatte niemand diese Berechnungen tatsächlich durchgeführt. Weil das neue Modell so viele Ergebnisse aus so vielen verschiedenen Bereichen einschließt, ist es erstaunlich, dass alles so schlüssig zusammenhängt. Jeder Schritt des Modells führte ganz natürlich zum nächsten. Dass dabei am Ende ein klares Bild herauskam ist ein klares Indiz dafür, dass das Szenario so falsch nicht sein kann.
Um den Ursprung des Lebens zu verstehen, müssen wir die Erde so verstehen, wie sie vor Milliarden von Jahren war. Wie die Studie des MPIA zeigt, liefert die Astronomie einen wichtigen Teil der Antwort. Die Details der Entstehung unseres Sonnensystems haben direkte Folgen für den Ursprung des Lebens auf der Erde.
Die neue Arbeit unterstützt die Hypothese, Leben sei in kleinen warmen Gewässern entstanden. Die Zyklen, in denen flache Teiche erst austrocknen und dann wieder mit Wasser gefüllt werden, begünstigen dabei die Entstehung längerer RNA-Ketten. Die Forscher konnten zeigen, dass Meteoriten eine ausreichende Menge an Nukleobasen zu Tausenden solcher Teiche auf der Erde transportiert haben könnten und damit die Entstehung selbstreplizierender RNA-Moleküle in mindestens einem dieser Teiche anstießen.
Basierend auf dem bekannten wissen über die Planetenbildung und die Chemie des Sonnensystems haben die Forscher des MPIA ein konsistentes Szenario für die Entstehung des Lebens auf der Erde vorgeschlagen. Sie liefern plausible physikalische und chemische Informationen über die Bedingungen, unter denen das Leben hätte entstehen können. Jetzt sind die Experimentatoren an der Reihe, herauszufinden, wie das Leben unter diesen ganz spezifischen frühen Bedingungen tatsächlich entstanden sein könnte.
Damit ist zwar noch lange keine definitive Antwort auf die fundamentale Frage nach dem Ursprung des Lebens auf der Erde gefunden, aber in den letzten Jahrzehnten haben sich einige interessante mögliche Antworten ergeben. Eine in den 1980er Jahren näher ausgearbeitet Theorie postuliert eine RNA-Welt: Die genetische Information höherer Organismen wird in der Doppelhelix der DNA-Moleküle gespeichert, aber es gibt auch eng verwandte Moleküle, RNA (Ribonukleinsäure), die eine herausragende Rolle in modernen Zellen spielen. Insbesondere katalysieren sie in den Zellen bestimmte chemische Reaktionen und sind für die Weiterleitung genetischer Informationen ebenso unentbehrlich wie für die Synthese spezifischer Proteine (sozusagen den Dekreten der Zellregierung) auf der Grundlage des genetischen Codes. Bei einigen Viren wird für die Speicherung der genetischen Information überhaupt keine DNA verwendet, sondern alle Informationen sind in Virus-RNA kodiert.
Erstautor der Studie ist Ben K. D. Pearce (McMaster University), weitere Kollegen sind Ralph E. Pudritz (McMaster University, Max-Planck-Institut für Astronomie und Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg) sowie Dmitri Semenov und Thomas K. Henning (beide Max-Planck-Institut für Astronomie).