Schimpansen passen ihre Kommunikation an den Wissensstand ihrer Artgenossen an

Forscher zeigen, dass die Produktion von Lautäußerungen bei Schimpansen durch sozial-kognitive Prozesse beeinflusst werden

Menschen berücksichtigen beim Kommunizieren, ob ihrem Gegenüber bestimmte Informationen bereits zur Verfügung stehen und passen den Inhalt ihrer Äußerungen entsprechend an; eine Fähigkeit, die anderen Tieren, zumindest bisher, nicht zuerkannt wurde. Die Wissenschaftler Catherine Crockford und Roman Wittig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, Deutschland und Klaus Zuberbühler von der Universität Neuchâtel, Schweiz zeigen jetzt, dass frei lebende Schimpansen aus dem Budongo Forest in Uganda andere Artgenossen nur dann vor einer Gefahr warnen, wenn sie annehmen, dass diese nicht schon von ihr wissen. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass die vokale Kommunikation von Schimpansen komplexer ist als bisher angenommen.

Menschen zeichnen sich durch äußerst flexible kommunikative Interaktionen aus, sind in der Lage, ihre Äußerungen an den Wissensstand ihres Gegenübers anzupassen und teilen nur solche Informationen mit anderen, von denen sie wissen, dass sie dem Zuhörer noch nicht bekannt sind. Bisher ging man davon aus, dass andere Tiere über diese Fähigkeit nicht verfügen. Vergangene Studien haben jedoch ergeben, dass nicht-menschliche Primaten im Falle einer Gefahr zunächst die Gefahr für ihr Gegenüber einschätzen und ihre Alarmrufe dann entsprechend anpassen.

„Um zu testen, ob andere Tiere in der Lage sind, die Perspektive und den Wissensstand anderer Artgenossen zu lesen und miteinzubeziehen, müssen wir zunächst ausschließen, dass sie deren Verhalten interpretieren “, sagt Catherine Crockford vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Dazu spielen wir über einen Lautsprecher einen Ruf ab, der den Empfänger simuliert. Außer dem Ruf selbst gibt es keine anderen Informationen, insbesondere keine Hinweise in Form eines bestimmten Verhaltens.“

Die Forscher untersuchten, ob Schimpansen ihre Signale variieren und miteinbeziehen, ob der Empfänger zuvor schon selbst vor einer Schlange gewarnt hatte oder nicht. Dies würde bedeuten, dass die Tiere ihre Kommunikation an das bereits vorhandene Wissen ihres Gegenübers anpassen können. „Wir spielten einem auf einem Pfad im Regenwald entlang laufenden Schimpansen unterschiedliche Rufe vor: entweder einen von einem Artgenossen, der eine Schlange gesichtet hatte, oder einen ähnlichen Ruf mit anderer Bedeutung. Kurz darauf stieß das Tier dann auf ein von uns dort platziertes Modell einer Schlange“, erklärt Crockford. Die Forscher fanden auf diese Weise heraus, dass Schimpansen abhängig davon, welche Art von Ruf sie kurz zuvor gehört hatten und welches Wissen sie also voraussetzen konnten, den Artgenossen vor der Schlange warnten oder nicht. Demnach berücksichtigen die Tiere nicht nur den Kenntnisstand ihrer Artgenossen, sondern passen auch ihre eigenen Lautäußerungen daran an.

Die Forscher schlussfolgern, dass Schimpansen die Perspektive eines anderen Artgenossen miteinbeziehen können und in diesem Kontext nur Informationen an unwissende Gruppenmitglieder weitergeben. Das legt nahe, dass die Integration von Vokalisierungs- und sozial-kognitiven Systemen bereits vor dem Entstehen sprachspezifischer Merkmale wie zum Beispiel Grammatik und Syntax bei frühen Hominoiden zu entstehen begann. Crockford sagt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schimpansen einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Evolution von Sprache gemacht haben, von dem man bisher dachte, dass er nur der menschlichen Kommunikation vorbehalten war: nämlich gezielt die Kommunikation an Wissenslücken eines anderen Artgenossen anzupassen.“

SJ/HR

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