Forschungsbericht 2017 - Max-Planck-Institut für Kohlenforschung

Neue Möglichkeiten der Treibstoffproduktion aus unkonventionellen Ausgangsstoffen durch 3D-Bildgebung auf Nanaoskala

Autoren
Duyckaerts, Nicolas; Jeske, Kai; Schüth, Ferdi; Prieto, Gonzalo*
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr

Zusammenfassung
Ein vor fast 100 Jahren am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung entwickeltes Verfahren erfährt durch neue Erkenntnisse und den Einsatz von 3D-Bildgebungsverfahren auf Nanoebene beim Katalysatordesign eine Renaissance: die Fischer-Tropsch-Synthese. Mit ihr lässt sich in einem einzigen Schritt durch ein Tandemkatalyse-Verfahren und speziell zugeschnittene Katalysatoren auch aus unkonventionellen Einsatzstoffen eine ungeahnt hohe Ausbeute an wachsfreien flüssigen Kohlenwasserstoffen generieren.

Die Fischer-Tropsch-Reaktion

Im Jahr 1925 entdeckten Franz Fischer, damals Direktor am Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung, und sein Mitarbeiter Hans Tropsch eine Reaktion, die zu den wichtigsten im Bereich der heterogenen Katalyse zählt und deren wissenschaftliche, ökonomische und soziale Bedeutung noch heute sichtbar ist. In der Fischer-Tropsch-Synthese wird Synthesegas – eine Mischung aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO), die sich aus praktisch allen kohlenstoffreichen Rohstoffen wie Kohle, Erdgas oder Biomasse gewinnen lässt – in eine breite Produktspanne von linearen Kohlenwasserstoffen umgesetzt [1]. Hierbei führt eine Oberflächenpolymerisierung auf Metallen, wie zum Beispiel Kobalt, zu einer Produktverteilung, die von gasförmigen Alkanen bis zu Wachsen reicht. Ausgehend von Kohlegas fand die Reaktion bereits 1936 industrielle Anwendung bei der Ruhrchemie AG im benachbarten Oberhausen. Auch international gewann das Verfahren schnell an Bedeutung – unter anderem in Japan, Frankreich, Südafrika und Indonesien. Heutzutage wird die Fischer-Tropsch-Synthese vor allem in Ländern mit reichen Erdgasvorkommen wie Katar genutzt, um Synthesegas auf der Basis von Erdgas in über 32 Millionen Liter synthetische Kraftstoffe pro Tag umzusetzen.

Neue Herausforderungen für eine „alte“ Chemie

Trotz ihrer fast einhundertjährigen Geschichte weckt die Fischer-Tropsch-Synthese nach wie vor das Interesse von Grundlagenforschung und Verfahrenstechnik. Da sich Synthesegas aus praktisch jedem kohlenstoffhaltigen Material produzieren lässt, bietet das Verfahren die Möglichkeit, hochqualitative und sauber verbrennende Diesel und Kerosine herzustellen, die nicht auf Erdöl basieren. Dies ist von besonderem Interesse, da im Bereich von Schwerlasttransport und Luftfahrt flüssige Kraftstoffe mit hoher Energiedichte benötigt werden. So kann die Fischer-Tropsch-Synthese auch auf längere Sicht ein Grundpfeiler einer weltweiten, dezentralisierten und nachhaltigen Produktion von hochqualitativen Flüssigtreibstoffen sein. Zukünftig wird dabei vor allem die Ausbeutung von unkonventionellen, geographisch isolierten oder marinen Erdgas- und Biomassequellen im Kleinstmaßstab an Bedeutung gewinnen. Die Erschließung dieser Vorkommen stellt neue Herausforderungen an die Neuentwicklung, Größenanpassung und Intensivierung der bestehenden Technologie und führt zu einer Renaissance der Fischer-Tropsch-Chemie. Mit dem bevorstehenden 100-jährigen Jubiläum der Entdeckung der Reaktion und den technologischen Anforderungen einer nachhaltigen Treibstoffwirtschaft ist die Erforschung der Fischer-Tropsch-Reaktion ans Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (MPI-KOFO) zurückgekehrt.

Tandemkatalyse: Effizienz durch Kombination

Die derzeitige Forschung fokussiert sich auf das Konzept der Tandemkatalyse, bei der in einem Schritt konsekutive Reaktionen in einem Reaktor durch zwei unterschiedliche Katalysatoren gesteuert werden. Die Tandemkatalyse stellt eine elegante Lösung zur Intensivierung chemischer Prozesse durch Eliminierung von intermediären Aufreinigungsschritten dar und kann neue Produktverteilungen im Vergleich zu konventionellen, mehrschrittigen katalytischen Prozessen liefern [2]. Die besonderen Herausforderungen der Tandemkatalyse liegen in der Festlegung einer einzigen Reaktionstemperatur sowie der Abstimmung von Reaktionsgeschwindigkeiten der Intermediate und deren Austauschraten zwischen den aktiven Phasen beider Katalysatoren. Dadurch lassen sich unerwünschte Nebenreaktionen von Intermediaten durch Sekundärreaktionen unterdrücken – ein Konzept, das auch in katalytischen Prozessen in der Natur vorkommt. So werden enzymatisch katalysierte Reaktionen der Atmungskette in tandem durch direkte Substratweiterleitung (substrate channeling) an große Enzymkomplexe optimiert [3]. In der Tandemkatalyse muss man dabei immer abwägen, wie nah sich die Katalysatorkomponenten integrieren lassen, um Sekundärreaktionen zu minimieren und trotzdem beide Katalysatoren bei ihren Temperaturoptima betreiben zu können, damit hohe Aktivität, gezielte Selektivität und gute Stabilität garantiert werden können.

Jüngste Ergebnisse am MPI für Kohlenforschung zeigen einen Weg auf, dieses grundsätzliche Problem der Tandemkatalyse in Bezug auf gas-to-liquid-Technologien anzugehen. Auf der Basis kinetischer Messungen haben Forscher des Instituts divergierende Reaktionspfade von intermediären α-Olefinen und n-Paraffinen in der Fischer-Tropsch-Reaktion identifiziert [4]. Durch die Koppelung eines nachgeschalteten Hydrocrackingschritts bei einer Reaktion in tandem lassen sich flüssige Kohlenwasserstoffe direkt aus Synthesegas gewinnen, ohne die bei der Fischer-Tropsch-Reaktion anfallenden festen Wachse isolieren und entfernen zu müssen.

Für dieses System haben die Forscher am MPI für Kohlenforschung innovative Katalysatorsysteme – unterstützt von 3D-Bildgebung auf der Nanoskala – entwickelt. Dabei setzen sie gezielt hierarchisch strukturierte Porosität im Nano- bis Mikrometerbereich ein, um molekulare Transportwege stark zu verkürzen und so Nebenreaktionen zu unterdrücken. Außerdem hilft die Tandemintegration, Sekundärreaktionen von Zwischenprodukt-Olefinen zu vermeiden. Diese würden auftreten, falls die katalytisch aktiven Phasen zu nah beieinander lägen, so dass eine individuelle Temperatursteuerung der unterschiedlichen Phasen nicht mehr möglich wäre. Hierdurch ließen sich ungekannt hohe Ausbeuten an wachsfreien flüssigen Kohlenwasserstoffen als Ausgangsprodukte für hochqualitative Kraftstoffe aus Synthesegas in einem einzigen Schritt erreichen [5]. Die Ergebnisse zeigen, wie sich die Effizienz bei intensivierten Prozessen zur Kraftstoffherstellung aus unkonventionellen Einsatzstoffen deutlich verbessert. Darüber hinaus veranschaulicht unsere Arbeit, wie moderne Synthese- und Strukturdiagnostikmethoden das rationale Design innovativer Katalysatormaterialien ermöglichen und den Wirkungsgrad altbekannter Reaktionen erweitern, um die chemischen Prozesse von morgen auf dem Weg zu bringen.

Literaturhinweise

Fischer, F.; Tropsch, H.

The Synthesis of Petroleum at Atmospheric Pressures from Gasification Products of Coal.
Brennstoff-Chemie, 7 (1926), 97-104
Lohr, T. L.; Marks, T. J.
Orthogonal tandem catalysis.
Nature Chemistry, 7 (2015), 477-482
You, C.; Myung, S.; Zhang, Y. H. P.
Facilitated Substrate Channeling in a Self-Assembled Trifunctional Enzyme Complex.
Angewandte Chemie International Edition, 51 (2012), 8787-8790
Duyckaerts, N.; Trotuş, I.-T.; Swertz, A.-C.; Schüth, F.; Prieto, G.
In Situ Hydrocracking of Fischer–Tropsch Hydrocarbons: CO-Prompted Diverging Reaction Pathways for Paraffin and α-Olefin Primary Products.
ACS Catalysis, 6 (2016) 4229–4238
Duyckaerts, N.; Bartsch, M.; Trotuş, I.-T.; Pfänder, N.; Lorke, A.; Schüth, F.; Prieto, G.
Intermediate Product Regulation in Tandem Solid Catalysts with Multimodal Porosity for High-Yield Synthetic Fuel Production.
Angewandte Chemie International Edition, 56 (2017), 11480–11484
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