Risikobereitschaft ist ein relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal

Großangelegte Studie ermöglicht ein besseres Verständnis von Risikobereitschaft

Jeder Mensch hat eine andere Bereitschaft, Risiken einzugehen. Und diese kann sich in verschiedenen Lebensbereichen unterscheiden. Dennoch gibt es – ähnlich dem allgemeinen Intelligenzquotienten (IQ) – einen individuellen, allgemeinen Faktor der Risikobereitschaft, der über die Zeit beständig ist. Dieser kann allerdings nicht aus den herkömmlichen, oft widersprüchlichen Verhaltenstests erschlossen werden. Dies zeigt eine Studie der Universität Basel und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Die Gesamtergebnisse wurden in den Fachzeitschriften Science Advances und Nature Human Behaviour veröffentlicht.

Investiere ich mein Geld oder lasse ich es auf dem Bankkonto liegen? Lasse ich mich operieren oder nicht? Nehme ich Drogen oder führe ich ein gesundes Leben? Dies sind alles Entscheidungen, die wir in dem Wissen treffen müssen, dass sie Konsequenzen haben und mit Risiken verbunden sind. Doch welches psychologische Konstrukt steht hinter unseren Risikoentscheidungen? Hängt unsere Risikobereitschaft davon ab, worum es sich handelt und variiert sie je nach Lebensbereich oder ist sie weitestgehend gleichbleibend? Die Antwort lautet: Beides ist richtig. Das zeigt die großangelegte Basel–Berlin-Risiko-Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Universität Basel, die auch vom Schweizerischen Nationalfonds finanziell unterstützt wurde.

„Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Risikobereitschaft ein ähnliches psychometrisches Muster hat wie psychologische Persönlichkeitsmerkmale. Vergleichbar mit dem allgemeinen Faktor der Intelligenz gibt es auch einen allgemeinen Faktor der Risikobereitschaft. Das heißt, dass man in verschiedenen Lebensbereichen zwar unterschiedlich risikobereit sein kann, doch dass ein allgemeiner Faktor immer mitwirkt“, sagt Erstautor Renato Frey, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Basel und Assoziierter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Für diese Erkenntnis spricht auch, dass dieser individuelle Faktor der Risikobereitschaft in den Tests über die Zeit stabil blieb.

Entgegen bisheriger Studiendesigns, die meist auf einzelnen oder nur wenigen Messinstrumenten für Risikobereitschaft beruhen, untersuchten die Wissenschaftler die Risikopräferenz von 1.507 Erwachsenen im Alter von 20 bis 36 Jahren mit drei verschiedenen Messansätzen. Dazu zählten: Selbstauskünfte über hypothetische Risikoszenarien, experimentelle Verhaltenstests mit finanziellen Anreizen sowie Angaben zu risikoreichem Verhalten im Alltag. Insgesamt 39 Tests mussten die Probanden innerhalb eines Tages absolvieren. Um zu sehen, wie stabil die Risikobereitschaft über die Zeit ist, ließen die Wissenschaftler 109 der Probanden die Tests nach sechs Monaten wiederholen.

Widersprüchliche Ergebnisse bei Verhaltenstests

Ein wichtiger Befund dieser Studie ist, dass die hypothetischen Risikoszenarien und die Angaben zu risikoreichem Verhalten im Alltag ein ähnliches Ergebnis zur Risikobereitschaft einer Person lieferten. Im Gegensatz dazu ergaben die experimentellen Verhaltenstests ein davon abweichendes Bild. Eine detaillierte Analyse dieser Unstimmigkeiten zeigte, dass die Probanden in den verschiedenen Verhaltenstests teils sehr unterschiedliche Entscheidungsstrategien angewandt hatten. Je nach den Eigenschaften der Verhaltensaufgaben – etwa ob Risiken eher spielerisch erfahrbar gemacht oder eher abstrakt dargestellt wurden – verhielten sich die Probanden sehr unterschiedlich. „Diese Ergebnisse zeigen, dass die von Ökonomen häufig bevorzugten Verhaltenstests oft ein inkonsistentes Bild der Risikobereitschaft von Menschen ergeben, die nur schwer mit einheitlichen Theorien zum Risikoverhalten erklärt werden können“, sagt Jörg Rieskamp, Direktor der Abteilung für Wirtschaftspsychologie der Psychologischen Fakultät der Universität Basel.

Diese Resultate sind sowohl aus methodischen wie auch theoretischen Gründen bedeutsam. „Unsere Arbeiten sind ein Weckruf, die verschiedenen Messtraditionen zu hinterfragen und insbesondere besser zu verstehen, was genau die Verhaltenstests eigentlich messen. Sie scheinen jedenfalls keine situationenübergreifende Risikopräferenz zu erfassen. Die Entdeckung des allgemeinen Faktors der Risikobereitschaft – basierend auf Urteilen über sich selbst sowie Angaben zu risikoreichem Verhalten im Alltag – deutet allerdings darauf hin, dass Risikobereitschaft ein eigenständiger Teil unserer Persönlichkeit ist. In Zukunft erlaubt uns dieses Wissen, auch die biologischen Grundlagen von Risikobereitschaft besser zu untersuchen“, sagt Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs „Adaptive Rationalität“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

KS

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