Mutation macht Zebrafinken-Spermien schneller

Inversion auf einem der Geschlechtschromosomen verschafft Zebrafinken Fortpflanzungsvorteil

17. Juli 2017

Bei Zebrafinken beeinflusst eine Mutation auf einem der Geschlechtschromosomen Gestalt und Geschwindigkeit der Spermien und damit auch den Fortpflanzungserfolg der Tiere. Männliche Finken besitzen zwei Kopien dieses Chromosoms. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben herausgefunden, dass die Spermien jener Vögel besonders schnell schwimmen können, die sowohl die mutierte als auch die unveränderte Version besitzen (heterozygote Individuen). Auch wenn nur die schnellsten Spermien zur Befruchtung kommen, stirbt die unterlegene genetische Variante jedoch nicht aus, denn in jeder Generation entstehen zwangsläufig auch Nachkommen mit identischen Varianten (homozygote Individuen). Dieser Effekt könnte laut den Wissenschaftlern ein Grund für Unfruchtbarkeit bei männlichen Zebrafinken sein.

Das „Ziel“ eines jeden Spermiums ist es, nach einem langen Rennen durch die weiblichen Fortpflanzungsorgane als erstes bei der Eizelle zu sein. Mitunter treten Spermien dieses Rennen nicht nur gegen ihre Geschwister an, sondern auch gegen die Spermien fremder Männchen. Bei diesem harten Wettbewerb und dadurch strengen Selektion auf die Geschwindigkeit von Spermien wäre es nicht verwunderlich, wenn es nur die eine, perfekte Form gäbe, die alle anderen im Laufe der Evolution schnell verdrängt hätte. Bei einem kleinen australischen Singvogel, dem Zebrafinken, fanden Evolutionsbiologen jedoch durchaus Spermien von ganz unterschiedlicher Form und Geschwindigkeit.

Zusammen mit Kollegen aus Tschechien haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen nun herausgefunden, dass die Inversion eines längeren Gen-Abschnitts auf dem Geschlechtschromosom namens „Z“ für das Aussehen der Spermien verantwortlich ist, mit unmittelbaren Konsequenzen auf Befruchtungsraten und Fortpflanzungserfolg eines Männchens.

Jedes Männchen besitzt zwei Kopien des Z-Chromosoms, eine von der Mutter und eine vom Vater vererbt. Das Z-Chromosom gibt es in zwei Versionen, einer regulären (A) und einer invertierten (B). „Nur wenn ein Männchen beide Versionen trägt, also heterozygot AB statt homozygot AA oder BB ist, haben Spermien ein langes Mittelstück, welches für den nötigen Antrieb sorgt, um schnell schwimmen zu können“, erklärt Ulrich Knief, Erstautor der Studie. Die homozygoten Männchen AA oder BB bilden nur suboptimale Spermien aus und haben daher eine schlechtere Fortpflanzungsquote. Die Studie beruht auf genetischen Vaterschaftsanalysen von 435 Männchen in Paarbeziehung ohne männliche Konkurrenten und weiteren 482 Männchen, deren Spermien bei der Befruchtung mit denen anderer Männchen konkurrierten. Die heterozygoten Männchen befruchteten sowohl beim eigenen als auch bei fremden Weibchen deutlich mehr Eier als die Männchen der beiden homozygoten Gruppen.

Varianten bleiben erhalten

Die schnelleren Spermien heterozygoter Männchen können bestehende Fertilitätsprobleme mindern, aber heterozygote Männchen produzieren stets auch 50 Prozent homozygote Söhne. Die genetische Variation in einer Population wird also nicht weniger, denn der optimale Genotyp kann sich nicht stabilisieren. Seit vielen Jahren schon stellt sich der Evolutionsbiologe Wolfgang Forstmeier die Frage, warum es relativ hohe Raten an Unfruchtbarkeit bei dieser Art gibt und dies im Laufe der Evolution trotz starkem Selektionsdruck gegen unfruchtbare Männchen nicht verlorengegangen ist. „Diese Studie liefert erste positive Ergebnisse zu dieser Fragestellung“, freut sich Forstmeier. „Bei einem Vererbungssystem, an dem zwei Chromosomensätze beteiligt sind, kommt die Evolution ins Stocken, wenn nur die Mischung aus beiden den optimalen Fortpflanzungserfolg ermöglicht.“

Während die Gruppe um die Seewiesener Forscher an den Auswirkungen der Z-Chromosomen-Inversion auf die Fitness der Tiere interessiert war, ist zeitgleich eine Gruppe von Wissenschaftlern um Jon Slate von der Universität Sheffield mit einem völlig anderen Ansatz zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Diese Wissenschaftler untersuchten verschiedene Zuchtlinien von Zebrafinken, die entweder kurze oder lange Spermien hatten. Bei einer Suche im gesamten Erbgut nach Ursachen für die unterschiedlichen Spermienformen stießen sie dann ebenfalls auf die Inversion auf dem Z-Chromosom. Diese Studie zeigt, dass die relevanten genetischen Informationen für die Spermiengestalt nahezu ausschließlich auf dem Z-Chromosom zu finden sind.

„Dass der genetische Einfluss der Inversion auf die Spermienmerkmale identisch beschrieben worden ist, macht die beiden Studien keinesfalls redundant“, erklärt Bart Kempenaers, Leiter der Studie. „Sie ergänzen sich vielmehr wunderbar durch die verschiedenen Herangehensweisen und stärken durch ihre Wiederholbarkeit die Aussagekraft.“

SSp/HR

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