Forschungsbericht 2016 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Mit Quantengasmikroskopen der Supraleitung auf der Spur

Autoren
Groß, Christian
Abteilungen
Quanten-Vielteilchensysteme
Zusammenfassung
Supraleiter ermöglichen verlustfreien Energietransport dank ihres verschwindenden elektrischen Widerstands unterhalb einer gewissen Temperatur. Technologisch besonders großes Potenzial versprechen sogenannte Hochtemperatur-Supraleiter, deren Sprungtemperatur bereits durch Kühlung mit flüssigem Stickstoff erreicht werden kann. Die theoretischen Grundlagen der Hochtemperatur-Supraleitung sind allerdings bis heute nicht vollständig verstanden. Hier versprechen Quantensimulatoren weiterzuhelfen, wie sie von Wissenschaftlern der Abteilung „Quanten-Vielteilchensysteme“ realisiert werden.

Einleitung

Die Idee der Quantensimulation beruht auf einem Gedankenspiel Richard Feymans [1], der Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bereits realisierte, dass Quantensysteme nur sehr ineffizient auf Computern wie wir sie heute kennen simuliert werden können. Er schlug stattdessen vor einen Simulator zu verwenden, der sich seinerseits Quanteneffekte zu Nutze macht. Ein Ansatz, einen solchen Quantensimulator zu realisieren, ist das zu simulierende System gewissermaßen nachzubauen, jedoch in vereinfachter, dafür aber deutlich besser kontrollierbarer und beobachtbarer Form.

Die Schwierigkeiten bei der Simulation der Supraleitung liegen unter anderem daran, dass sogar stark vereinfachte mathematische Modelle dieser Materialien oft nicht einmal auf Supercomputern berechnet werden können. Hier versprechen Quantensimulatoren weiterzuhelfen, die auf dem Hubbard-Modell beruhen und mit ultrakalten Atomen in optischen Gittern realisiert werden. Hierbei übernimmt das optische Gitter die Aufgabe der Kristallionen im Festkörper: Es stellt ein periodisches Potenzial für die mobilen Atome, die den Elektronen im Festkörper entsprechen, dar. Die deutlich bessere Kontrolle des Simulators kann bei solchen hybriden Licht-Atom Systemen zum ultimativen Limit getrieben werden. So ist es schon seit einigen Jahren möglich einzelne Atome im optischen Gitter, deren Abstand im Bereich eines Mikrometers liegt, zu manipulieren und direkt zu detektieren – eine solche Art von Detektion ist für einzelne Elektronen im Festkörper heutzutage unmöglich. Hierbei wird ein speziell konstruiertes Mikroskop verwendet um die Fluoreszenz der lasergekühlten Atome räumlich aufgelöst nachzuweisen (Abb. 1).

Allerdings war diese Technologie längere Zeit nur für bosonische Atome verfügbar, deren Quantenstatistik nicht der der fermionischen Elektronen im Festkörper entspricht. Genau hier hat ein Team aus der Abteilung „Quanten-Vielteilchensysteme“ am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ), praktisch zeitgleich mit Arbeiten in Glasgow, am MIT und in Harvard, im letzten Jahr einen entscheidenden Fortschritt erzielt [2–4]. Es wurden neue Laserkühlmethoden implementiert um die Gitterplatz-aufgelöste Detektion auch für Fermionen zu ermöglichen. Eine Besonderheit des Experimentes am MPQ ist hierbei die gleichzeitige Detektion beider Drehimpulszustände der Atome, welche die beiden möglichen Stellungen des Elektronenspins simulieren [5, 6]. Mithilfe dieser neuen Technologie war es dann möglich das Verhalten fermionischer Spinmischungen im optischen Gitter bei tiefen Temperaturen direkt zu untersuchen. Dabei konnte direkt beobachtet werden wie sich unterhalb einer gewissen Temperatur und der sich hieraus ergebenden Unordnung im System antiferromagnetische Korrelationen ausbilden, bei denen der Drehimpuls benachbarter Atome entgegengesetzt ausgerichtet ist.

Das Experiment

Ein einzelner Durchlauf des Quantensimulators liefert einen Schnappschuss des Quanten-Vielteilchensystems und benötigt ca. 20 Sekunden. Den Großteil dieser Zeit benötigt die Laser- und Verdampfungskühlung der hier verwendeten Lithium-Atome von 700 Kelvin auf einige 10 Nano-Kelvin und die Präparation der Atome in einer einzelnen Ebene. Das eigentliche Experiment dauert dann nur den Bruchteil einer Sekunde. Abbildung 2 zeigt zwei dieser Schnappschüsse zusammen mit dem Schema der Drehimpuls-aufgelösten Detektion. Diese ist ein Paradebeispiel für die präzise Kontrollierbarkeit der ultrakalten Atome mittels magnetischer und optischer Felder. Die Atome sind zuerst in vertikaler Richtung in einem optischen Gitter mit großem Gitterabstand (2,3 μm) gefangen. Dieses Gitter ist so hoch, dass vertikal benachbarte Atome vollständig voneinander getrennt sind, sodass keine Bewegung zum benachbarten Gitterplatz möglich ist.

Auch das horizontale optische Gitter mit halber Periode wird vor der Detektion so stark erhöht, dass die Atome auf ihrem jeweiligen Platz im Gitter fixiert sind. Darauffolgend wird ein magnetischer Feldgradient wiederum in vertikaler Richtung angelegt, der Atome unterschiedlichen Drehimpulses aufgrund ihres entgegengesetzten magnetischen Momentes in entgegengesetzte Richtung zieht. Schließlich wird ein weiteres optisches Gitter in vertikaler Richtung mit halbem Gitterabstand (1,15 μm) eingeschaltet, welches nun im Zusammenspiel mit dem magnetischen Gradienten die Atome je nach Drehimpuls in den unteren oder oberen Topf des lokalen Doppeltopfpotenzials zwingt. Als letzter Schritt folgt nun die Fluoreszenzdetektion, während der jedes einzelne Atom ca. 5.000 Photonen streut, von denen ca. 5% auf einer hochsensitiven CCD Kamera räumlich aufgelöst detektiert werden. Dieser Schritt dauert eine halbe Sekunde. Eine Computer-basierte Analyse des aufgenommenen Rohbildes liefert dann die Drehimpuls-aufgelöste Besetzung eines jeden Gitterplatzes.

Magnetische Ordnung

Das Hubbard-Modell reduziert die komplexe Physik der Cuprat-basierten Hochtemperatur-Supraleiter auf ein System zweikomponentiger (die beiden Drehimpulszustände) wechselwirkender Fermionen im periodischen Potenzial. Bei tiefen Temperaturen, gleicher Anzahl von Fermionen pro Drehimpuls und einer Dichte, die einem Fermion pro Gitterplatz entspricht, formt das Vielteilchensystem einen sogenannten Mott-Isolator, dessen isolierende Eigenschaften alleine auf der Wechselwirkung der Fermionen beruhen. Dieser Zustand ist bereits 2008 im ultrakalten Atomsystem indirekt beobachtet worden [7, 8]. Bei noch tieferen Temperaturen, unterhalb der sogenannten Néel-Temperatur, erlaubt die geringe thermische Unordnung im System eine räumliche Ordnung der Atome unterschiedlichen Drehimpulses. Diese ist antiferromagnetisch, da benachbarte Atome unterschiedlichen Spins ihre kinetische Energie durch virtuelle Tunnelprozesse auf den Nachbarplatz verringern können, ein Prozess, der bei Nachbarn gleichen Drehimpulses durch das Pauli-Verbot unterdrückt ist.

Indizien für das Auftreten dieser Ordnung wurden schon vor einiger Zeit beobachtet [9, 10]. Das hier vorgestellte Quantengasmikroskop für fermionisches Lithium ermöglicht jedoch die direkte lokale Beobachtung der magnetischen Ordnung. Tatsächlich konnten die Wissenschaftler am MPQ diese Ordnung auf kleinen Distanzen beobachten und präzise charakterisieren [6]. Abbildung 3 zeigt einen einzelnen Schnappschuss des zweidimensionalen Quantensystems. In diesem Fall wurden die Parameter der optischen Gitter vor der Detektion so gewählt, dass die Lithium-Atome sich in der kompletten zweidimensionalen Ebene bewegen konnten. Diese Bewegung war nur eingeschränkt durch ein Fallenpotenzial, das die äußere Form des Systems bestimmt. Das im gezeigten Rohbild klar erkenntliche Schachbrettmuster aus Atomen unterschiedlichen Drehimpulses ist eine klare Signatur der antiferromagnetischen Ordnung im System.

Ausblick

Die Entwicklungen der letzten Jahre bedeuten einen entscheidenden Fortschritt im Bereich der Kontrolle und Charakterisierung stark korrelierter Quantenvielteilchen-Systeme. Insbesondere werden mit den neu entwickelten fermionischen Quantengasmikroskopen Systeme in Temperaturbereichen beobachtet, in denen die komplexen Korrelationen eine direkte Simulation auf Supercomputern unmöglich machen. Dies ist vor allem im „gedopten“ Bereich des Hubbard-Modells der Fall, d. h. bei Dichten, die eine endliche Anzahl von Löchern im System zulassen.

Hier wird sich in Zukunft das volle Potenzial des MPQ-Quantengasmikroskops zeigen. Insbesondere das Zusammenspiel der Dynamik der Löcher und der magnetischen Ordnung ist entscheidend für das Verhalten des Systems in diesem Parameterbereich, in dem im Festkörper nicht nur Hochtemperatur-Supraleitung auftritt, sondern theoretischen Vorhersagen nach auch eine Reihe weiterer Phasen mit exotischen Eigenschaften auftreten können. Im atomaren System kann dieses Zusammenspiel direkt und auf bisher nicht zugängliche Weise mittels räumlicher Korrelationen zwischen Löchern und Drehimpulsen charakterisiert werden. Hierbei ist nicht nur die Messung von auch indirekt zugänglichen Zweipunktkorrelatoren möglich, sondern auch von Vielpunktkorrelatoren und sogenannten String-Korrelatoren, die zur Identifikation topologischer Phasen dienen können. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Realisierung eines Quantensimulators für Hochtemperatur-Supraleiter und anderer stark korrelierter Elektronensysteme.

Literaturhinweise

Feynman, R. P.
Simulating Physics With Computers
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