Fliegenforschung an Max-Planck-Instituten

Fliegenforschung an Max-Planck-Instituten

Max-Planck-Wissenschaftler untersuchen an Fruchtfliegen unter anderem Alterungsprozesse, Demenzerkrankungen und grundlegende Abläufe im Gehirn – erstaunlich für einen Organismus, der nur einen Monat alt wird und dessen Gehirn „nur“ aus 250.000 Nervenzellen besteht. Aber das Altern läuft in der kurzlebigen Drosophila eben schneller ab, und ein vergleichsweise einfach aufgebautes Gehirn lässt sich einfacher studieren. Zudem sind Experimente mit Drosophila rechtlich gesehen keine Tierversuche.

Anti-Ageing für Fliegen

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns haben ein neues Fliegenfutter entwickelt, in dem sie alle Bestandteile einzeln verändern können. Damit konnten sie zeigen, dass eine niedrige Konzentration der Aminosäure Methionin in der Nahrung die Lebenserwartung der Fliegen verlängert. Die Forscher nutzen nun ihre Erkenntnisse aus der Fliegenforschung, um neue optimierte Diäten für Mäuse zu entwickeln.

Die Forscher haben darüber hinaus herausgefunden, dass die Fliegen länger leben, wenn ein bestimmter Signalweg in ihren Zellen weniger aktiv ist. Tiere mit einer entsprechenden Mutation leben nicht nur länger, sondern sind im Alter insgesamt gesünder: Sie schlafen besser und sind gegen viele altersbedingte Krankheiten besser geschützt. Auch Mäuse und Menschen besitzen diesen sogenannten Insulin/Target of Rapamycin-Signalweg. Es verwundert daher wenig, dass Menschen mit bestimmten Varianten des Signalwegs im Schnitt ebenfalls länger leben.

Die Max-Planck-Wissenschaftler haben an Fliegen auch die lebensverlängernde Wirkung von Wirkstoffen nachgewiesen, die den Signalweg hemmen: Fliegen, die mit Trametinib gefüttert werden, leben um bis zu zwölf Prozent länger. Der Wirkstoff wird bereits in der Medizin als Medikament gegen Hautkrebs eingesetzt. Substanze, die den Insulin/Target of Rapamycin-Signalweg beeinflussen, könnten demnach auch beim Menschen lebensverlängernd sein.

Auch der Stimmungsstabilisierer Lithium verlängert offenbar das Fliegenleben: Die Tiere leben 16 Prozent länger, wenn ihnen geringe Dosen des zur Behandlung von Depressionen eingesetzten Wirkstoffs verabreicht werden. Bislang war unbekannt, wie Lithium eigentlich wirkt. Mithilfe der Fliegen haben die Forscher nun zwei Moleküle entdeckt, an denen Wirkstoffe angreifen könnten, um den Alterungsprozess zu verlangsamen: die sogenannte Glykogen Synthase Kinase-3 (GSK-3) und NRF-2. Letzteres kommt in Würmern, Fliegen und Säugern vor und schützt Zellen vor Schäden. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte GSK-3 ein Ziel für Medikamente sein, die den Altersprozess beeinflussen.

Eine Kombination aus Lithium, Trametinib und der Immunregulatur Rapamycin verlängert das Fliegenleben sogar um fast 50 Prozent. Medikamente, die niedrige Dosen mehrerer pharmazeutischer Wirkstoffe kombinieren, können demnach möglicherweise vor altersbedingten Krankheiten schützen.

Fliegen mit Demenz

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns haben Fliegen mit einer Mutation ausgestattet, wie sie auch Menschen mit frontotemporaler Demenz und Amyotropher Lateralsklerose (ALS) besitzen. Sie konnten zeigen, dass bestimmte Proteine des mutierten C9orf72-Gens Nervenzellen im Fliegengehirn abtöten. Diese toxischen Proteine kommen auch in den Nervenzellen von ALS-Patienten vor und spielen wahrscheinlich auch im Mensch eine wichtige Rolle.

Entscheidungen im Fliegenhirn

Forscher des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie haben im Fliegenhirn ein Gebiet entdeckt, mit dessen Hilfe die Fliegen Entscheidungen treffen. Die sogenannten Pilzkörper sind Lernzentren, die Sinneseindrücke bewerten und dann schnelle Entscheidungen fällen. So unterdrücken sie die angeborene Abneigung der Fliegen gegen Kohlendioxid, wenn es zusammen mit Futterduft auftritt. Dann zeigt das an sich giftige Gas nämlich die Anwesenheit überreifer Früchte an.

Die Fliegen verlieren dadurch aber ihre Abneigung gegen Kohlendioxid nicht für immer – eine wahrscheinlich überlebenswichtige Anpassung, die auch uns Menschen bei der Bewertung von Sinneseindrücken hilft. So löst der Geruch von Raubtieren zum Beispiel eine instinktive Furcht aus. Diese Furcht verlieren wir selbst dann nicht, wenn wir zuvor schon viele Raubtiere ohne Angst im Zoo gesehen haben. Auch hier scheint das Gehirn zu vergleichen und je nach den Umständen zu anderen Schlüssen zu kommen.

Dicke Fliegen: Wie der Vater so der Sohn

Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik zufolge vererben Fruchtfliegen Änderungen ihres Stoffwechsels vom Vater auf den Sohn. Ein zuckerreiches Festmahl vor der Paarung kann so für eine Fruchtfliege und ihren Nachwuchs Folgen haben: Die Fliegenkinder werden dann nämlich anfälliger für Übergewicht. Die Ernährung der Väter aktiviert Gene, die das Erbgut epigenetisch verändern können. Diese Veränderungen werden vererbt und steuern in der nächsten Generation die Aktivität von Genen für den Fettstoffwechsel.

Die Forscher haben darüber hinaus ein ähnliches Gen-Netzwerk auch bei Menschen und Mäusen gefunden, das die Anfälligkeit für Übergewicht erhöht. Die Forscher haben die Daten von Untersuchungen an Pima-Indianern – einem Stamm nordamerikanischer Ureinwohner, deren Angehörige häufig unter Übergewicht leiden – sowie eineiigen Zwillingen ausgewertet. Demnach besitzen übergewichtige Menschen dieselbe Gen-Signatur wie die Fruchtfliegen. Die Anfälligkeit für ein hohes Körpergewicht steigt also auch beim Menschen, wenn bestimmte Gene epigenetisch verändert werden.

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