Wolf im Schafspelz - Vorgesetzte als nette Erpresser

Erpresserische Strategien können erfolgreich sein – sie dürfen allerdings nicht zu plump angewendet werden

Was macht ein gewinnorientierter Chef, wenn er mit dem Verhalten seines Angestellten nicht zufrieden ist? „Wenn Sie den Job nicht machen wollen, findet sich sicher ein anderer“ – er nutzt seinen strategischen Vorteil und erpresst seine Untergebenen. Gemeinsam mit Forschern aus Harvard und dem Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön herausgefunden, dass ungleiche Machtverhältnisse erpresserische Verhaltensweisen fördern. Sowohl im Modell als auch im Experiment haben diese Strategien den Erpresser zum Erfolg geführt. Besonders erstaunlich: Die Untergebenen sind sogar besser dran, wenn sie das unfaire Spiel mitspielen. Allzu plump darf der Erpresser dabei jedoch nicht handeln – er schafft es allein durch wohl dosierte Freundlichkeit.

Fast jeder Zweite haut andere Menschen über’s Ohr, wenn er die Möglichkeit dazu hat. So lautet die ernüchternde Bilanz einer kürzlich erschienen Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie. Die Forscher haben dafür über 160 Studenten in mehreren Spielrunden des „Gefangenendilemmas“ gegeneinander antreten lassen. Um einen Geldgewinn zu erhalten, entscheiden sich dabei zwei Spieler über mehrere Spielrunden hinweg jeweils für oder gegen eine Kooperation mit dem Gegenspieler. Dabei zahlt sich Kooperation nur dann aus, wenn der Gegner ebenfalls kooperiert.

Besonders hinterhältige Spieler wiegen ihr Gegenüber daher durch beständige Kooperation in Sicherheit, nur um die Zusammenarbeit dann in der nächsten Spielrunde plötzlich zu verweigern und ihren Gegner damit in die Pfanne zu hauen. Dann nämlich erhält der Spieler einen besonders hohen Gewinn, wohingegen der geprellte Gegner leer ausgeht. Solche Strategien sind allerdings nur kurzfristig erfolgreich: Am Ende stehen solche Spieler häufig als Verlierer da, weil ihre Gegenspieler die Zusammenarbeit mit ihnen komplett einstellen.

Wer nicht mitzieht, fliegt

In dieser Studie änderten die Wissenschaftler jedoch die Spielregeln: In ihrem Experiment hatte einer der Spieler die Möglichkeit, seinen Gegner auszutauschen, wenn er mit dessen Kooperationsverhalten nicht zufrieden war. Der ausgewechselte Spieler wurde dann durch einen bislang inaktiven Spieler ersetzt und musste für einige Runden pausieren. „Man kann sich das auch in etwa wie einen Chef vorstellen, der einen Angestellten entlässt und ihn durch einen neuen Mitarbeiter ersetzt“, erklärt Christian Hilbe vom IST Austria.

Fast die Hälfte der mit diesem Privileg versehenen Spieler nutzte die ungleiche Machtverteilung zu ihren Gunsten und zwang ihre Gegenspieler zur Kooperation, ohne selber in gleichem Maße kooperativ zu handeln. Dadurch erzielten sie deutlich höhere Gewinne als die Spieler in einer Vergleichsgruppe, die ihre Gegenspieler nicht auswechseln konnten.

So erfolgreich konnten die Erpresser nur sein, weil ihre Gegenspieler das unfaire Spiel mitspielten. Tatsächlich war es für diese sogar lohnender, sich oft ausbeuten zu lassen, als die Kooperation ganz zu verweigern. Spieler, die die Zusammenarbeit mit dem Erpresser verweigerten, wurden nämlich permanent auf die „Arbeitslosen“- Ersatzbank geschickt und gingen am Ende mit einem niedrigen Gewinn nach Hause.

Befragungen der Versuchsteilnehmer nach dem Experiment zeigten, dass viele Spieler ihre Situation sehr genau erfasst hatten. Sie erkannten meistens schnell, dass sie gegenüber dem strategischen Vorteil des Gegenspielers machtlos waren und das Beste für sich nur herausholen konnten, wenn sie sich kooperativ zeigten – auch wenn der Gegner das immer wieder ausnutzt. Die privilegierten Spieler waren sich ebenfalls häufig im Klaren über ihre Situation und die bestmögliche Strategie.

Erpressung will gelernt sein

Neben denen, die sich ganz bewusst für oder gegen ein erpresserisches Verhalten entschieden, gab es jedoch auch solche, die sich bei ihren Erpressungsversuchen schlichtweg zu plump anstellten. Denn die Strategie funktioniert nur dann, wenn der Erpresser auch immer mal wieder mit seinem Gegenspieler kooperiert. „Ein plumper Chef, der immer nur auf Ausbeutung setzt, ist nicht erfolgreich“, betont Manfred Milinski, Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie. „Ohne gelegentliche Kooperation funktioniert das System nicht. Es sind also die vordergründig freundlichen Menschen, vor denen wir uns in Acht nehmen müssen.“ Der Wissenschaftler vermutet, dass erpresserische Verhaltensweisen viel häufiger existieren als bislang angenommen – besonders dort wo ein Machtgefälle herrscht, wie etwa zwischen Chef und Angestellten, aber nicht nur dort.

MT/HR

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