Bonnie Bassler und Martin Wikelski erhalten Max-Planck-Forschungspreis

Alexander von Humboldt-Stiftung und Max-Planck-Gesellschaft zeichnen Wissenschaftler für ihre bahnbrechende Forschung über die Sinneswahrnehmung von Organismen aus

Die diesjährigen Preisträger des Max-Planck-Forschungspreises beschäftigen sich mit der Frage, wie Organismen ihre Umwelt wahrnehmen können. Sie erforschen dabei Lebewesen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Bonnie L. Bassler von der Universität Princeton und dem Howard Hughes Medical Institute arbeitet mit Bakterien. Die US-Amerikanerin hatte einen entscheidenden Anteil an der Entdeckung, dass die Einzeller über Signalstoffe miteinander kommunizieren. Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell und Seewiesen, der zugleich als Honorarprofessor an der Universität Konstanz lehrt, erforscht die Sinnesleistungen von Tieren in ihrer natürlichen Umgebung: Mit dem Satelliten-gestützten Beobachtungssystem Icarus ist er ein Pionier auf dem Gebiet der Wildtier-Telemetrie. Mit dem Preisgeld von jeweils 750 000 Euro können die für ihre bahnbrechenden Erkenntnisse ausgezeichneten Wissenschaftler künftige Projekte mit Kollegen im In- und Ausland finanzieren.

Der Hawaiianische Zwergtintenfisch Euprymna scolopes nutzt symbiotische Bakterien als Tarnkappe. Wenn er in Vollmondnächten nahe der Meeresoberfläche auf die Jagd geht, erzeugen Bakterien in einem speziellen Organ des Tiers ein Licht, das den Kopffüßler mit dem Mondlicht verschwimmen lässt. Dadurch wirft er keinen Schatten und ist für Räuber unsichtbar. Die Mikroben kommunizieren dabei miteinander, zählen die benachbarten Zellen und handeln dann als Kollektiv. So können sie das Licht gemeinsam ein- und ausschalten.

Heute wissen wir, dass die Fähigkeit zur Kommunikation und Gruppenverhalten nicht nur bei solch exotischen Einzellern vorkommt, sondern bei Bakterien die Norm ist. Diese als „quorum sensing“ bezeichnete Eigenschaft hat Bonnie Bassler wegweisend mit erforscht. Ihre Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Bakterien Botenstoffe abgeben, die von anderen Bakterien wahrgenommen werden können. Je mehr Zellen in der Umgebung vorhanden sind, desto mehr Signalmoleküle werden produziert. Diese können dann von der Bakteriengemeinschaft registriert werden. Die Zellen verändern daraufhin das Aktivitätsmuster ihrer Gene und stimmen ihr Verhalten aufeinander ab.

Verständigung über Artgrenzen hinweg

Bassler und ihre Kollegen haben darüber hinaus entdeckt, dass Bakterien mehrsprachig sind. Jede Bakterienart besitzt nicht nur eigene „Molekülworte“, die nur sie selbst verstehen kann. Sie beherrscht darüber hinaus noch eine Universalsprache – also eine Art Bakterien-Esperanto. Mit den Informationen, die die Mikroorganismen aus diesem inner- und zwischenartlichen Austausch erhalten, können sie sich an ihre Umgebung anpassen und im Kollektiv Aufgaben wirkungsvoller erfüllen als alleine.

Basslers Forschung hat also die Vorstellung von Bakterien als Einzelgänger widerlegt, die isoliert voneinander agieren. Diese kommunizieren vielmehr intensiv untereinander und koordinieren ihr Verhalten gegenseitig. Manche Forscher sehen in solchen Bakteriennetzwerken denn auch die Vorläufer zu vielzelligen Organismen.

Das „quorum sensing“ der Bakterien hat auch für die Medizin enorme Bedeutung, denn es spielt eine wichtige Rolle bei bakteriellen Infektionen. So hat Bassler herausgefunden, dass Bakterien nur dann zusammen ihre krankmachenden Substanzen abgeben, wenn sie das Immunsystem ihres Wirts überwältigen können. Mit dem „quorum sensing“ können sie also einen koordinierten Angriff gegen einen viel größeren Gegner starten. Bassler und ihren Kollegen ist es gelungen, mit künstlichen Hemmstoffen die Kommunikation verschiedener Krankheitserreger zu blockieren. Nach diesem Prinzip sollen künftig neue Antibiotika entwickelt werden. Sie arbeitet zudem daran, die Kommunikation von Bakterien für die Landwirtschaft oder für Anwendungen in der Industrie zu nutzen.

Tierisch gute Sinne

Auch Martin Wikelski erforscht die Sinnesleistungen von Organismen – allerdings nicht von Bakterien, sondern von Vögeln, Fledermäusen, Galapagos-Schildkröten und Schmetterlingen. Er möchte wissen, wie diese Tiere ihre Umwelt mit ihren Sinnesorganen wahrnehmen und sich in ihr zurecht finden. Sein Motto dabei: „Raus aus dem Labor, rein in die Natur!“ Er untersucht die Sinneswahrnehmung also nicht unter künstlichen Bedingungen, sondern in der natürlichen Umgebung der Tiere. Damit hat er über die Jahre wertvolle Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Tiere sich auf ihren mitunter tausende Kilometer langen Reisen orientieren und an ihr Ziel finden.

So hat er beispielsweise erstmals nachgewiesen, dass Zugvögel einen Magnetsinn besitzen, den sie jeden Abend von neuem eichen. Dies geschieht anhand des Winkels, mit dem die Sonne über dem Horizont untergeht,  denn dort ist immer Westen. Er konnte auch zeigen, dass andere Tiere wie Fledermäuse ebenfalls ihren Magnetkompass am Sonnenuntergangswinkel kalibrieren. Sie können diesen Sinn auch nachts in kompletter Dunkelheit zur Orientierung nutzen, zum Beispiel wenn sie lange Strecken im Nebel oder in Wolken fliegen. 

Die Wahrnehmung der Magnetrichtung ist aber nicht der einzige Sinn, auf den sich Zugvögel verlassen: Auf langen Strecken folgen sie ihrer Nase. In aufwändigen Freiland-Experimenten konnten Wikelski und seine Kollegen nachweisen, dass Heringsmöwen und Tauben ohne ihren Geruchssinn Abweichungen von ihrem natürlichen Flugkorridor nicht ausgleichen können. Welchen Gerüchen die Vögel dabei folgen, wissen die Forscher noch nicht. Klar ist nur: Die Gerüche müssen mindestens 300 Kilometer weit durch die Luft übertragen werden. Einzelne Geruchsposten auf der Route geben wohl die grobe Flugrichtung vor. Der Licht-unabhängige Magnetkompass zeigt den Zugvögeln die Richtung an, während ihnen der Geruchssinn sowie in der Jugend eingeprägte Wegmarken Hinweise auf den Aufenthaltsort geben. Im Falle der Heringsmöwen funktioniert dieses Karte-Kompass System über fast 8000 Kilometer hinweg.

Eine große Herausforderung dabei ist, den Tieren zu folgen. Wikelski rüstet seine Untersuchungsobjekte dafür mit Sendern aus, die ihm den Aufenthaltsort der Tiere verraten. Singvögeln fuhr er dabei schon nächtelang mit dem Auto hinterher, für die Verfolgung von Insekten und Fledermäusen setzte er sich sogar selbst ins Cockpit eines Kleinflugzeugs – mühsam und nicht sehr effektiv, denn so lassen sich natürlich nur wenige Individuen auf ihren Reisen beobachten.

Tiere als Sensoren

Mit seinem Icarus-Projekt will Wikelski deshalb der Erforschung der Sinnesleistungen von Tieren einen großen Schub verleihen. Mit diesem Satelliten-gestützten Beobachtungssystem will er die Wanderungen unterschiedlichster Arten erstmals in einem globalen Maßstab beobachten. Sender im Miniaturformat sollen Forschern weltweit Daten zur körperlichen Verfassung und den Umgebungsbedingungen liefern, in denen sich ein Tier gerade befindet. Mit Icarus will Wikelski aber auch ein globales Netzwerk aufbauen, das Umweltdaten über den Zustand unserer Erde zusammenträgt. Die besenderten Tiere mit ihren Sinneswahrnehmungen übernehmen dabei die Funktion mobiler Messstationen. Icarus könnte so künftig vor Klimaveränderungen, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen warnen und die Ausbreitungswege von Epidemien enthüllen.

Max-Planck-Forschungspreis

Der Max-Planck-Forschungspreis ist einer der höchst dotierten Wissenschaftspreise in Deutschland. Er wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und jährlich von der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Max-Planck-Gesellschaft an einen in Deutschland und einen im Ausland tätigen Wissenschaftler verliehen. Die Ausschreibung des Themas wechselt jährlich zwischen Teilgebieten der Natur- und Ingenieurwissenschaften, der Lebenswissenschaften und der Geisteswissenschaften.

HR

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