Zellen verschicken Stoppschilder

Signalmoleküle können Nervenzellfortsätze auch über die Distanz hinweg zum Rückzug bewegen

Eph-Rezeptoren und ihre Bindungspartner, die Ephrine, sind essentiell für die Kommunikation zwischen Zellen. Im sich entwickelnden Gehirn leiten sie junge Nervenzellen durch Abstoßung zu den richtigen Partnerzellen. Aber auch bei der Zellwanderung, Regeneration, neurodegenerativen Erkrankungen und der Krebsentwicklung spielen sie eine wichtige Rolle. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Signalübertragung nur durch direkten Zell-zu-Zell-Kontakt möglich ist. Rüdiger Klein und sein Team am Max-Planck-Institut für Neurobiologie zeigen nun, dass Zellen Ephrine und Eph-Rezeptoren auch verpacken und verschicken können. Neben einem besseren Verständnis dieses Kommunikationssystems eröffnet die Entdeckung eventuell auch neue therapeutische Ansätze.

Der menschliche Körper enthält bis zu 100 Billionen Zellen. Diese Zellen wachsen, wandern, vermehren und bewegen sich. Dabei treten die Zellen mit unzähligen anderen Zellen in Kontakt und tauschen Informationen aus. Diese Kommunikation erfolgt zum Beispiel über das Ephrin/Eph-Rezeptorsystem, das auf diese Weise die Zellwanderung und das Auswachsen von Nervenzellen steuern kann. Doch auch bei plastischen Prozessen wie Lernen und Regeneration, oder beim Krebswachstum und neurodegenerativen Erkrankungen spielt das Ephrin/Eph-System eine Rolle. 

Eph-Rezeptoren und ihre Bindungspartner, die Ephrine, sitzen auf der Oberfläche fast aller Zellen. Treffen Ephrin und Eph-Rezeptor zweier Zellen aufeinander, bilden sie einen Ephrin/Eph-Komplex. Dadurch werden zelluläre Prozesse in einer oder beiden Zellen ausgelöst, die in den meisten Fällen zur Trennung des Komplexes und zur Abstoßung einer der beiden Zellen führt. Die abgestoßene Zelle bewegt sich oder wächst dann in eine andere Richtung. Im Nervensystem lenken viele solcher Interaktionen die Fortsätze junger Nervenzellen zu den richtigen Zielorten. 

 „Es ist daher von grundlegender Bedeutung zu verstehen, wie Zellen über dieses System kommunizieren“, sagt Rüdiger Klein, der mit seiner Abteilung am Max-Planck-Institut für Neurobiologie Ephrine und Eph-Rezeptoren untersucht. Bisher schien sicher, dass Ephrin und Eph nur bei direktem Kontakt zweier Zellen einen Signalprozess auslösen können. In letzter Zeit waren Ephrine und Eph-Rezeptoren jedoch auch in sogenannten Exosomen gefunden worden. Exosome sind kleine Fetttröpfchen, die von Zellen an ihre Umgebung abgegeben werden und zum Beispiel als Transportvehikel, Signalüberträger oder zur Ausscheidung von Zellbestandteilen dienen. "Dies hat die interessante Frage aufgeworfen, was Ephs und Ephrine in den Exosomen zu suchen haben", so Klein.

In einer aufwändigen Laborstudie haben die Martinsrieder Neurobiologen daher Exosome verschiedener Zelltypen, darunter auch Nervenzellen, aufgereinigt und den Inhalt analysiert. Sie konnten zeigen, dass Ephrine und Ephs in vielen dieser Exosome enthaltenen waren, und entschlüsselten den zellulären Mechanismus über den sie in die Exosome verpackt werden. Interessanterweise zeigte eine weitere Analyse, dass Eph-Rezeptoren nicht als Abfallprodukt in den Exosomen entsorgt wurden, sondern dort aktiv blieben: Auch Eph-Rezeptoren aus Exosomen konnten an Ephrin-Moleküle auf der Oberfläche auswachsender Nervenzellen binden und so das Zurückziehen der Zellfortsätze auslösen.

Dies belegt erstmals, dass Zellen auch über Distanzen hinweg Ephrine und Ephs als Signalgeber versenden können. "Das eröffnet eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten", freut sich Rüdiger Klein. Unter anderem wurden Ephrine und Eph-Rezeptoren auch in den Exosomen von Krebszellen gefunden. "Es wäre daher denkbar, dass Strategien, die die Exosom-Ausschüttung steuern, auch die Ephrin-Eph-Signalkette unterbrechen und somit das Tumorwachstum stören könnten", so Klein.

SM/HR

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