Mittelalterlicher Pesterreger verursachte Seuchen in der Neuzeit

Der Schwarze Tod verbreitete sich in mehreren Wellen weltweit

Ein einzelner Stamm des Pestbakteriums Yersinia pestis hat zum Ausbruch mehrerer historischer und neuzeitlicher Pestepidemien rund um den Globus geführt. Das zeigen die Analyse und der Vergleich von Genomen des Erregers, die von unterschiedlichen Krankheitsausbrüchen und aus mehreren Regionen Europas stammen. Die Studie des internationalen Forschungsteams unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena erscheint aktuell in der Fachzeitschrift Cell Host & Microbe.

Die Pest war auch nach dem Ende ihres verheerenden Ausbruchs, dem Schwarzen Tod (1347-1351), noch jahrhundertelang die am meisten gefürchtete Krankheit in Europa. Bis ins 18. Jahrhundert hinein kam es wiederholt zu Ausbrüchen der Krankheit, die zusammenfassend mit dem Begriff „zweite Pandemie“ bezeichnet werden. Heute ist die Pest rätselhafter Weise auf dem europäischen Kontinent ausgestorben, in anderen Regionen der Welt existiert sie jedoch noch.

Um die Entwicklungsgeschichte dieses berüchtigten Erregers näher zu untersuchen, rekonstruierten Wissenschaftler drei historische Genome des Pesterregers Yersinia pestis. Sie stammen aus Massengräbern in Barcelona, Spanien, und Ellwangen, Süddeutschland, sowie aus einem Einzelgrab im russischen Bolgar. Für die Studie verglichen die Forscher die Befunde mit historischen sowie heutigen Erreger-Genomen. Während der spanischen Erreger aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt und damit am ehesten den Beginn des Schwarzen Todes repräsentiert, stammt das russische Genom aus den Jahrzehnten nach dem Abklingen der Pandemie. Die Ellwanger Probe ist einem späteren Pestausbruch im 16. Jahrhundert zuzurechnen. „Wir haben gehofft, durch die Untersuchung von Pestopfern verschiedener Pestwellen unterschiedliche Entwicklungsstufen des Bakteriums im mittelalterlichen Europa erfassen zu können", sagt Maria Spyrou, die Hauptautorin der Studie.

Der Schwarze Tod verbreitete sich nach China

Aus historischen Quellen lässt sich schließen, dass die Pest in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in nordöstlicher Richtung nach Russland wanderte. Was die Geschichtsbücher nicht verraten, ist, dass die Pest damit nicht gebannt war. Schon 2014 wurde spekuliert, dass sich die Krankheit von Russland aus weiter nach China ausbreitete. „Unsere Arbeit bietet erstmals genetische Belege dafür, dass mit dem Abklingen des Schwarzen Todes in Mitteleuropa Stämme der europäischen Pest nach Osten wanderten, am Ende des 14. Jahrhunderts das Gebiet der Goldenen Horde im heutigen Russland erreichten und schließlich bis nach China gelangten. Dort lösten sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts den Start einer dritten weltweiten Pestpandemie aus“, erläutert Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte die Ergebnisse.

Alexander Herbig, Experte für Pathogenomik und ein weiterer Hauptautor der Studie, fügt hinzu: „Obwohl heute in China verschiedene Stämme des Pesterregers existieren, verließ nur die Abstammungslinie, die Jahrhunderte zuvor in Europa den Schwarzen Tod verursacht hatte, im späten 19. Jahrhundert Südostasien und verbreitete sich schnell fast über die ganze Welt.“

Europa jahrhundertelang ein Hotspot für Pest

Auch wenn die Krankheitswelle des Schwarzen Todes nach 1353 abebbte, gab es bis ins 18. Jahrhundert hinein immer wieder Pestausbrüche in Europa. Wo sich der mittelalterliche Pesterreger zwischen den Krankheitswellen verbarg, ist umstritten. Zu Beginn dieses Jahres hatten Mitglieder des Forscherteams von einem Peststamm berichtet, der für den wahrscheinlich letzten Pestausbruch in Europa, die große Pest von Marseille (1720-1722), verantwortlich war. Nach heutigen Erkenntnissen existiert er nicht mehr. Seine enge Verwandtschaft mit dem Ellwanger Pesterreger aus dem 16. Jahrhundert legt nahe, dass der Erreger nicht von weither kam. Anders als Marseille liegt Ellwangen fernab von Küsten und großen Handelswegen. Das Vorhandensein einer gemeinsamen Abstammungslinie der Pest in beiden Städten, legt nach Meinung des Forscherteams nahe, dass Europa über lange Zeit ein Pest-Hotspot blieb. „Die Hinweise verdichten sich, dass das Pestbakterium sich noch über Jahrhunderte nach dem Ende des Schwarzen Todes in Europa aufhielt“, sagt Kirsten Bos, Paläopathologin am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Aus welchen Gründen der Pesterreger jedoch heute aus Europa verschwunden ist, bleibt ein Geheimnis.“

PM/MEZ

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