Neues mathematisches Modell zur Prognose von Tumoren

Anteil der Krebsstammzellen kann im Verlauf einer Krebsbehandlung zunehmen

Stammzellen im Knochenmark produzieren ständig neue Blutzellen. Solche Stammzellen können jedoch nicht nur der Ursprung für die lebenswichtigen Blutbestandteile, sondern auch der von Tumoren sein. Die Anzahl dieser Krebsstammzellen geht bei einer Krebsbehandlung fast nicht zurück, wohingegen der Rest des Tumors verschwindet. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön haben nun ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem sie den Anteil dieser Krebsstammzellen im Verlauf einer Krebserkrankung berechnen können – derjenigen Zellen also, die den Nachschub an neuen Tumorzellen aufrecht erhalten und dadurch das Tumorwachstum fördern. Während die Anzahl aller Tumorzellen im Laufe der Behandlung bestimmter Leukämien oft sinkt, erreicht die relative Anzahl der Krebsstammzellen einen etwa konstanten Wert. Das Modell der Forscher könnte Medizinern in Zukunft eine Voraussage der Tumorentwicklung und somit die Wahl einer passenden Therapie erleichtern.

Krebszellen sind entartete, sich unkontrolliert teilende Körperzellen. In vielen Geweben gibt es Stammzellen, die zeitlebens neue Zellen bilden. Blutzellen beispielsweise werden von Stammzellen im Knochenmark laufend nachgebildet. Im Falle einer Leukämie führen genetische Veränderungen der Stammzellen zu unkontrolliertem Wachstum.  „Zwar machen letztendlich die Stammzellen nur einen kleinen Teil eines Tumors aus –wie groß dieser ist, wissen wir aber noch nicht“, so Benjamin Werner vom Zentrum für Evolutions- und Krebsforschung in London und ehemaliger Mitarbeiter am Max-Planck Institut für Evolutionsbiologie.   

Nun haben die Wissenschaftler ein mathematisches Modell mithilfe von medizinischen Daten von Leukämiepatienten entwickelt. Die Forscher haben die Verlaufskurven des Krebses während einer Behandlung mit dem Krebsmedikament Imatinib analysiert und die Stärke der Krankheit gemessen. Das Computermodell berechnete auf Basis dieser Zahlen den Anteil an Krebsstammzellen im Körper der Patienten. Demzufolge nahm die Anzahl an Krebszellen nach einem Behandlungsjahr um das Hundertfache ab. Der Anteil der Tumorstammzellen stieg entsprechend an. Nach fünf Jahren Behandlung kletterte ihr Anteil sogar auf das Tausendfache.

Die Zahl der Krebsstammzellen sinkt langsamer als die der übrigen Krebszellen. Das Modell besitzt zudem den Vorteil, dass keine Informationen über den Krebs an sich einfließen. Es lässt sich daher auf unterschiedliche Krebsformen anwenden.

 „Krebsstammzellen fördern nicht nur das Wachstum eines Tumors. Sie können zudem gegenüber Strahlen- und Chemotherapie resistent sein. Wenn wir die Anzahl der Krebsstammzellen bei der Diagnose und im Verlauf einer Behandlung abschätzen können, kann die Therapie dementsprechend angepasst werden“, so Philipp Altrock vom Dana Farber Cancer Institute in Harvard, der Leiter der Studie. Dazu gehört etwa, wie aggressiv die Behandlung sein soll und wie lange sie andauern muss,  sowie die Frage, welche Kombinationen an Medikamenten am effektivsten sind. „Patienten mit nur wenigen Krebsstammzellen könnten eventuell die Therapie abbrechen, Patienten mit vielen Krebsstammzellen hingegen könnten von einem anderen Therapieansatz profitieren“, erklärt Werner.

Das Modell ist derzeit noch nicht in der klinischen Anwendung. „Bis dies möglich ist, müssen wir es noch weiterentwickeln“, sagt Arne Traulsen vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie, der an der Studie beteiligt war. Die Autoren hoffen, diese Methode in Zukunft auch auf solide Tumore anwenden zu können.

PH/HR

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