Hilfsbereitschaft ist gezielt messbar

Verschiedene Verhaltenstests erfassen unterschiedliche Motive für prosoziales Verhalten und sind deshalb kaum miteinander zu vergleichen

Ob wir unserem Gegenüber einen Keks anbieten, Senioren einen Sitzplatz frei machen oder Flüchtlinge aufnehmen – die Bandbreite prosozialen Verhaltens ist groß. Ähnlich divers sind auch die Methoden, mit denen die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen dieses Verhalten untersuchen. Dem bisher als prosoziales gemessenen Verhalten liegen jedoch unterschiedliche Motive zugrunde. Diese reichen von reinem Altruismus bis hin zu strategischen Überlegungen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben in einer Studie aufgeschlüsselt, welche Testmethoden Auskunft über die Absichten geben, die hinter prosozialem Verhalten stecken. Dadurch lassen sich altruistische Motive gezielt messen und möglicherweise sogar trainieren. Ihren Ergebnissen zufolge halten sich Menschen oft für hilfsbereiter und großzügiger, als sie tatsächlich sind. Außerdem weisen solche Altruisten häufig einen höheren Intelligenzquotienten auf.

Wenn in einer Besprechungsrunde eine Person Kekse aus ihrer Tasche holt und sie den anderen Teilnehmern anbietet, kann dies verschiedene Gründe haben: Vielleicht schmecken ihr die Schokotaler einfach und sie möchte die anderen an dem Geschmackserlebnis teilhaben lassen. Oder vielleicht weil es sich so gehört. Möglicherweise aber auch, weil sie sich davon einen Vorteil in der Besprechung verspricht. Ob Altruismus, gesellschaftliche Norm, strategische Motive - es gibt folglich verschiedene Gründe, warum Menschen prosozial handeln –  sich also so verhalten, dass es positive Konsequenzen für ihre Mitmenschen hat.

Warum und wie stark sich Menschen prosozial verhalten, interessiert sowohl Ökonomen als auch Psychologen und Neurowissenschaftler. Für ihre Untersuchungen wenden sie dabei jedoch ganz unterschiedliche Methoden an: Während sich Ökonomen eher spieltheoretischer Methoden bedienen, nutzen Neurowissenschaftler und Psychologen häufig Computersimulationen oder Fragebögen. Obwohl jedes der Verfahren vorgibt, Prosozialität zu messen, lassen sich ihre Ergebnisse kaum miteinander vergleichen.

Um Klarheit in dieses Potpourri der Methoden zu bringen, haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in einer Studie mit mehreren hundert Probanden eine Vielzahl dieser Verfahren miteinander verglichen. „Wir haben gezeigt, dass die einzelnen Methoden tatsächlich sehr unterschiedliche Aspekte prosozialen Verhaltens messen. Neben altruistisch motivierten auch normorientierte und strategische Komponenten“, so Anne Böckler, Erstautorin der Studie. Dank ihrer Ergebnisse wissen die Forscher nun, welches Verfahren dafür geeignet ist, die Beweggründe für Prosozialität zu untersuchen. „Dadurch könnte es möglich werden, einzelne Motivationen gezielt durch Training zu stärken und dessen Effekte zu erfassen“, erklärt Tania Singer, Leiterin der Studie und Direktorin am Leipziger Max-Planck-Institut.

Altruistische beispielsweise, die zum Wohlbefinden anderer Menschen beitragen, selbst wenn das mit Kosten für die Person selbst verbunden ist. Als gutes Maß für diese Uneigennützigkeit haben sich Methoden herausgestellt, die die Bereitschaft erfassen, zu teilen, zu vertrauen, einfach großzügig zu geben oder Zeit für andere zu investieren.

Das Interessante dabei: Eine besonders häufig genutzte Methode, die Fragebögen, entpuppten sich als kaum geeignet, um prosoziales Verhalten zu messen. Denn sie untersuchen offenbar weniger, wie sich Personen wirklich verhalten. Vielmehr erfassen sie, wie Personen sich selbst gern sehen oder von anderen gesehen werden wollen.

Deutlich wurde dies beispielsweise dadurch, dass sich weibliche Probanden in den Fragebögen selbst als hilfsbereiter und großzügiger einschätzten als männliche – sich aber in den Methoden, die das Verhalten tatsächlich messen, genau das Gegenteil herausstellte. „Außerdem deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass altruistisch motivierte Menschen, die im Alltag gern mal als naive Gutmenschen bezeichnet werden, in Wirklichkeit intelligenter sind“, sagt Böckler.

Und die Kekse? „Dass jemand seine Knabbereien mit uns teilt, kann also verschiedene Gründe haben. Vorsicht ist geboten, wenn jemand nachdrücklich seine hehren Motive dafür betont“, so die Neurowissenschaftlerin lächelnd.

VM/HR

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