Zur Weiterentwicklung der deutschen Forschungslandschaft

3. März 2016

Der Imboden-Bericht liegt vor – und er fiel anders aus, als erwartet. Dabei ist der analytische Teil nicht wirklich überraschend: Mehr Geld floss in das System, aber es zeigen sich kaum numerisch belegbare Erfolge. Die Feststellung, dass die deutschen Universitäten im Vergleich zu internationalen Spitzenuniversitäten völlig anders verfasst sind, ist auch nicht neu.

Imboden liefert hierfür noch einmal ernüchternde Zahlen: So habe „die Universität Konstanz bei fast gleichen Studierendenzahlen nur rund 9% des Budgets des MIT.“ Und mit Blick auf die Betreuungsquoten an den Universitäten schreibt er: „Würden der RWTH Aachen die gesamten Jahresausgaben der Exzellenzinitiative zusätzlich zur Verfügung stehen, gliche ihr Budget in etwa dem […] der ETH Zürich, die [jedoch] weniger als die Hälfte der Studierenden hat.“

Doch bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit der deutschen Forschung greifen diese Vergleiche zu kurz. Denn die Struktur der deutschen Forschungslandschaft unterscheidet sich grundsätzlich von der vieler, insbesondere angelsächsischer Länder. Die Leistungsfähigkeit der deutschen Forschung ist nicht einzuordnen, wenn man den Vergleich auf Universitäten beschränkt. In Deutschland spielen die außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine wichtige Rolle.

Möchte man Forschungsräume wie Martinsried oder Garching beurteilen, so muss man die dortigen Max-Planck-Institute in die Analyse mit einbeziehen. Sie erbringen neben herausragenden Forschungsleistungen auch eine beachtliche Lehrleistung. Die Summe aller universitären und außeruniversitären Beiträge verleiht Garching und Martinsried deutliche internationale Sichtbarkeit. Das gilt im Übrigen für viele unserer Standorte.

Für die Exzellenzcluster konstatiert Imboden daher auch, dass „bibliometrische Untersuchungen eine beeindruckende qualitative Leistung der im Rahmen von Exzellenzclustern entstandenen Publikationen zeigen. Es sei allerdings unklar, „inwieweit diese universitären Forschungsschwerpunkte durch die Exzellenzförderung „neu“ geschaffen oder durch Bündelung bereits vorhandener Forschungskapazitäten sichtbar gemacht wurden.“

Die Wirkung der Exzellenzinitiative auf den akademischen Nachwuchs, die allerdings auch nie als Nachwuchsprogramm konzipiert war, bezeichnet die Kommission als ambivalent: So habe sich „der Zeitpunkt der Entscheidung für oder gegen eine akademische Karriere durch die Schaffung von mehr PostDoc-Stellen tendenziell nach hinten statt nach vorne zu jüngerem Alter verschoben. Die Exzellenzinitiative habe „in dieser Hinsicht kontraproduktiv gewirkt“. Imboden legt den Finger in die Wunde.


Die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses steht auch im Zentrum der politischen Diskussionen – und wird parteiübergreifend sehr kritisch gesehen. Die Ursache kennen wir alle: Zeitverträge und nur wenig langfristige Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein Thema das auch die Max-Planck-Gesellschaft beschäftigt. Mit der Neugestaltung der Nachwuchsförderung haben wir bereits einen entscheidenden Schritt getan: Die Umstellung von Stipendien auf Förderverträge für Doktoranden trat am 1. Juli 2015 in Kraft. Zum Stichtag 1. Januar konnten wir gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung der Förderverträge um 36% verzeichnen.

Doch aus der wenig überraschenden Analyse der Imboden-Kommission folgt kein einfaches „weiter so“. Die von der Kommission unterbreiteten Vorschläge für eine Fortsetzung der Exzellenzinitiative kommen unerwartet – und sind zum Teil politisch hoch umstritten. Im Kern aber sind sie tatsächlich wissenschaftsbasiert, exzellenzorientiert und sie entsprechen weitgehend den Prinzipien, denen die Max-Planck-Gesellschaft schon lange folgt.

Da wäre zum einen der Vorschlag zur Weiterführung der Exzellenzcluster als wissenschaftliche Kooperationen ohne Bedingungen, rein wissenschaftsgetrieben, auch überregional, mit genügender zeitlicher Perspektive, angemessener fachspezifischer Ausstattung sowie risikofreudiger und zurückhaltender Zwischenevaluation. Besonders interessant: Die Kommission empfiehlt einen zusätzlichen Overhead von 20% für die Cluster, um den Handlungsspielraum für die Universitätsleitungen zu erhöhen. Einen solchen Vorschlag kann ich nur unterstützen.

Und zum anderen die Einführung einer Exzellenzprämie für die besten Universitäten auf der Basis von „past performance“, also bisher erbrachter Leistungen. Dabei wird es jedoch schwierig bis unmöglich sein, sich auf Bewertungskriterien der „past performance“ zu einigen, die größennormiert sind und die der unterschiedlichen fächerspezifischen Verfasstheit der Universitäten entsprechen.

Man kann das Imboden-Gutachten in den folgenden Kernaussagen zusammenfassen:

  • Antrags- und Begutachtungsverfahren maßvoll gestalten und politischen Einfluss minimieren;
  • Handlungsspielräume in den Universitäten durch Stärkung der Governance und über freie Mittel in den Händen der Universitätsleitung verbessern;
  • Differenzierung der Universitäten auf der Basis existierender Unterschiede fortsetzen;
  • die prekäre Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses beseitigen.

Die Max-Planck-Gesellschaft unterstützt die Wissenschaftsbezogenheit und Exzellenzorientierung des Gutachtens und warnt davor, die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel durch Ausweitung der Förderziele zu verwässern. Sie wird sich – wie sie es bisher schon getan hat – an lokalen und regionalen Campus-Entwicklungsmodellen beteiligen, ohne dabei jedoch ihre autonome Institutsentwicklung einzuschränken.

Wir werden an Tenure-track-Modellen für Nachwuchswissenschaftler mit Universitäten mitwirken, sofern sie unseren Exzellenzkriterien entsprechen und wir auch von den Nachwuchswissenschaftlern wie bisher profitieren. Unabhängig davon werden wir an einem Standort-übergreifenden Konzept der Weiterentwicklung unserer International Max Planck Research Schools arbeiten. Hier sehen wir die Chance, gemeinsam mit den deutschen Universitäten an die Spitze einer Exzellenzbewegung zu rücken.

Eines allerdings halten wir für hochproblematisch: eine Förderung der Universitäten durch räumliche, sich strukturell verfestigende Cluster mit außeruniversitären Einrichtungen – die von Imboden vorgeschlagene „stärkere Integration, inklusive gemeinsamer Governance, von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen“. Das würde uns zerreißen, uns in unserer Fähigkeit einschränken, neue innovative Forschungsfelder aufzugreifen, und in unserem Berufungsgeschäft weitgehend handlungsunfähig machen.
Die herausragenden Erfolge der Max-Planck-Gesellschaft beruhen auf einer stringenten und konsequent gemeinsam gelebten Politik unserer Organisation, die ausschließlich auf den Elementen Flexibilität, Autonomie und Exzellenz basiert und die regionalen Interessen nicht geopfert werden darf.

Martin Stratmann

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