„Wir brauchen eine Systemevaluation.“

15. Juli 2013

Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, über die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu den „Perspektiven des Wissenschaftssystems“:

„Das jetzt vom Wissenschaftsrat vorgelegte Papier zu den „Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems“ ist ein wichtiger Beitrag. Es liefert Impulse für die Weiterentwicklung und unterstreicht den erfreulich großen Konsens zwischen den Akteuren in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und Vielfalt des Systems“, so der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Eine „grundlegende Systemreform“ sei auch nach Einschätzung des Wissenschaftsrats nicht erforderlich, die funktionale und institutionelle Vielfalt eine „unbedingt zu erhaltende Stärke“. Die Forderung des Wissenschaftsrats, die Bildungs- und Forschungsausgaben weiter zu steigern, ist eine notwendige Voraussetzung, um die durch die bisherigen Pakte angestoßene Dynamik im System zu erhalten und auszubauen.

„Wir unterstützen daher das vom Wissenschaftsrat vorgeschlagene Konzept eines Zukunftspaktes, mit dem Bund und Länder aufgefordert werden, ihre drei großen gemeinsamen Forschungsförderprogramme  – den Hochschulpakt, den Pakt für Forschung und Innovation sowie die Exzellenzinitiative – fortzuführen“, erklärt Peter Gruss. Die vom Wissenschaftsrat angeregte Profilentwicklung und Differenzierung im Hochschulsektor decke sich mit dem Vorschlag der Max-Planck-Gesellschaft zur Etablierung von Exzellenz- und Profilstandorten. Allerdings vermisse er Instrumente, die sicherstellen, dass es auch im Rahmen des Zukunftspakts zu der vom Wissenschaftsrat geforderten notwendigen weiteren Profilschärfung der Akteure kommt. „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Bedingungen für wissenschaftlichen Wettbewerb und effektive institutionelle Governance weiter erhalten und entsprechend fortentwickelt werden“, so der Max-Planck-Präsident.

Denn die Entwicklung der vergangenen Jahre habe auch gezeigt, dass es nicht immer wissenschaftsgeleitet zugehe im deutschen Forschungssystem. Nicht jede Kooperationsstruktur orientiere sich an wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit und nicht jede Aktion folge einer wissenschaftlich nachvollziehbaren Logik. Vor diesem Hintergrund sieht der Präsident in einer unabhängigen Systemevaluation nach dem Vorbild der DFG/MPG-Systemevaluation von 1998 eine notwendige Ergänzung der jetzt vom Wissenschaftsrat aufgezeigten Weiterentwicklung. „Es waren unabhängige renommierte und internationale Experten, die MPG und DFG damals wichtige Empfehlungen gaben“, betont Gruss. Eine Gesamtanalyse mit vielleicht auch unbequemen Schlussfolgerungen könne nicht durch ein national besetztes Gremium wie die Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats geleistet werden. Das gelte für die beteiligten Wissenschaftler, aber mindestens ebenso für die Politiker. „Man verlangt ihnen eine Neutralität ab, die sie aufgrund ihrer Rolle im System nicht haben können“, erklärt Gruss.

Gerade weil das Wissenschaftssystem in Deutschland aber auf einer Vielfalt von Akteuren aufbaut, sei es von enormer Bedeutung, die Rolle der einzelnen Akteure im und für das System und ihr wirkungsvolles Miteinander zu prüfen. Denn ein wissenschaftlicher Mehrwehrt für das Gesamtsystem entsteht nur durch die Kooperation von profilierten und komplementär ausgerichteten Akteuren – und dabei gilt es auch andere Länder in den Blick zu nehmen. „Ein rein nationaler forschungspolitischer Bezugsrahmen stellt in meinen Augen eine problematische Verengung dar. Die Globalisierung macht ja vor unserem Wissenschaftssystem nicht halt – wir sind längst Teil dieser Entwicklung“, sagt Gruss. Gerne bringe sich die Max-Planck-Gesellschaft daher mit Kooperationsinstrumenten, wie im jüngst veröffentlichten Positionspapier beschrieben, ein: „Sowohl mit dem Konzept der Max-Planck-Center im Inland wie mit dem personenzentrierten Instrument der Max-Planck-Professoren an Universitäten können wir einen Beitrag zur Internationalisierung sowie zur Intensivierung der forschungsorientierten Strukturbildung an den Universitäten leisten“, erklärt der Präsident.

Dabei sollte allerdings eines nicht vergessen werden: „Eine international anerkannte Einrichtung wie die Max-Planck-Gesellschaft ist ein eigenständiger Akteur im deutschen Wissenschaftssystem. Wir leiten unsere Existenz nicht aus den Bedarfen der Hochschulen ab, sondern sind längst eingebunden in länderübergreifende Innovationsnetzwerke“, so Gruss. „Aber die aus unserer Mission und Governance resultierenden Stärken als Exzellenzstifter und Ankerpunkt für internationale Forschungsnetzwerke können natürlich genutzt werden, um den Standort Deutschland insgesamt voranzubringen.“

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