Unermüdlicher Mahner und intellektuelle Leitfigur

Hubert Markl - ehemaliger Präsident und Ehrenmitglied der Max-Planck-Gesellschaft - ist gestorben

9. Januar 2015

Er war jemand, der den unbequemen Weg geht, der sich einmischt, mit Esprit und Sprachgewalt. Intern formte Hubert Markl als konsequenter Macher die Max-Planck-Gesellschaft, deren Präsident er von 1996 bis 2002 war. Der Hochschullehrer und Wissenschaftsmanager ist am 8. Januar nach längerer Krankheit im Alter von 76 Jahren in Konstanz gestorben. "Wir haben mit ihm einen eloquenten Repräsentanten der deutschen Wissenschaft verloren, der wichtige Anstöße für eine innere Reform der Max-Planck-Gesellschaft gegeben hat", würdigte der heutige Präsident Martin Stratmann seinen Vorgänger.

Die Max-Planck-Gesellschaft wusste, wen sie sich an ihre Spitze holte, als Hubert Markl 1996 sein Amt als Präsident antrat: einen erfahrenen Wissenschaftsmanager, politisch versiert und durchsetzungsfähig. Zu diesem Zeitpunkt war der Biologe bereits zehn Jahre lang nicht mehr an der Universität Konstanz tätig, wo er seit 1974 eine Professur innehatte. Er hatte 1986 entschieden, sich beurlauben zu lassen und die wissenschaftliche Karriere gegen die Leitung der Deutschen Forschungsgemeinschaft einzutauschen. 1993 folgte die Präsidentschaft der neugegründeten Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und 1996 schließlich wählte ihn der Senat der Max-Planck-Gesellschaft zum obersten Forschungsorganisator. Er war und blieb bis heute der erste Präsident, der nicht vorher Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft war.

Vielleicht gerade deswegen gelang es ihm, die erste Hürde seiner Amtszeit konsequent zu nehmen, die schon zu Beginn aufgebaut war. Es waren Zeiten des Wandels, als Markl 1996 das Ruder der Max-Planck-Gesellschaft als deren Präsident in die Hand nahm: sechs Jahre nach der Wiedervereinigung, mitten im Aufbau Ost. Der Max-Planck-Gesellschaft blieb kein finanzieller Spielraum für Veränderungen. An bestehenden Max-Planck-Instituten musste gespart, in neue Institute investiert werden. In einem immensen Kraftakt verkleinerte und schloss der neue Präsident Abteilungen und Institute. Aber er konnte auch mit der Berufung von 153 Direktorinnen und Direktoren neue Akzente in der Forschung setzen.

Damals festigte sich sein Ruf, ein „harter Hund“ zu sein. Wer seine brillante Art zu argumentieren fürchtete, stellte sich ihm nicht gern in den Weg. Wer es trotzdem wagte, konnte mit ihm streiten – und erfolgreich arbeiten. „Ich war sicherlich manchmal heftig und ungeduldig“, gestand er bei einem Gespräch zu seinem 70. Geburtstag. Aber es sei ihm dabei immer um die Sache gegangen. „Ich wollte den hohen Leistungsanspruch der Max-Planck-Gesellschaft erhalten.“ Das ist ihm gelungen. „Er hat in einer schwierigen Lage das Schiff geschickt, mit viel Erfahrung und wortgewaltig durch die schwere See laviert“, sagt Wolf Singer, damals Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates und Direktor am MPI für Hirnforschung. Letztlich habe er die Krise souverän bewältigt und sehr unpopuläre Maßnahmen durchgesetzt, sagt er anerkennend.

Hubert Markl setzte im März 1997 sogar die Schließung von zwei Instituten und die Halbierung eines weiteren durch. Anderseits durfte er für zahlreiche Neugründungen in den fünf neuen Bundesländern „Geburtshelfer“ spielen. In die Wege geleitet hatte diese im Osten Deutschlands noch Vorgänger Hans Zacher. Markl konnte nun so interdisziplinäre Einrichtungen wie das MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und das MPI für evolutionäre Anthropologie in Betrieb nehmen. Als „großen Aufbruch“ hat er dies einmal bezeichnet, der der Öffentlichkeit jedoch wenig bewusst geworden sei. Das habe wohl daran gelegen, so Markl im Gespräch mit einer Journalistin, dass der Gründungsprozess in der MPG wie eine Geburt bei Elefanten sei; die hätten eine relativ lange Tragzeit, aber dann werde ein ziemlich fertiger Elefant geboren.

Der unbequeme Weg erwies sich als „beeindruckender Erneuerungsschub für die Max-Planck-Gesellschaft“, wie es Peter Gruss in der Rede zum 70. Geburtstag seines Vorgängers formulierte. Markl gelang es auch, junge, begabte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu fördern: Er gründete die „International Max-Planck-Research Schools“. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Doktoranden, die an den Max-Planck-Instituten forschen, enorm gestiegen, der überwiegende Teil der neuen Absolventen dieser strukturierten Graduiertenausbildung stammt aus dem Ausland. Gerhard Wegner, Vizepräsident unter Markl und emeritierter Direktor des MPI für Polymerforschung meint rückblickend: „Sie haben eine noch viel größere Bedeutung als ursprünglich vorhergesehen.“

Und auch hier zahlte sich Markls „bemerkenswert beharrliches“ Auftreten  aus, wie sich Klaus Hahlbrock, emeritierter Direktor des MPI für Pflanzenzüchtungsforschung und ebenfalls Vizepräsident zu Markls Zeiten, erinnert. „In seinem Bestreben, einerseits nicht um Dinge herumzureden und anderseits Dinge besonders schnell erfassen zu können, hat er für die MPG vieles erreicht.“ Denn die Verhandlungen mit anderen Forschungsorganisationen und Universitäten seien durchaus auch schwierig gewesen, resümiert Hahlbrock. Ebenso wie Gerhard Wegner sieht er in Markls gesamten Agieren, den konsequenten Willen zur ständigen Qualitätsverbesserung und -sicherung in der Max-Planck-Gesellschaft. Diesem Ziel habe auch die Einführung der vergleichenden Begutachtung der Max-Planck-Institute gedient, so Wegner. Markls habe die Arbeit der Fachbeiräte in den Instituten auf den Prüfstand gestellt und einheitliche Bewertungskategorien eingeführt.

Als ein mutiger Blick zurück erwies sich die Aufarbeitung der Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Dritten Reich. Hubert Markl berief eine unabhängige Präsidentenkommission, um die Verfehlungen von Wissenschaftlern zu erforschen und zu publizieren. Am 7. Juni 2001 lud er überlebende Opfer von wissenschaftlichen Versuchen ein und bekannte sich öffentlich zur Schuld, welche die Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft durch die Vertreibung jüdischer Kollegen und die Beteiligung an Verbrechen der Nazis auf sich geladen haben. „Ein bewegender Moment“, wie sich Wegner erinnert. Er rechnet es Markl hoch an, dass er den Anstoß gab, die Verquickung von Wissenschaft und Ideologie offenzulegen. Sie beschrieben und die Auswirkungen dokumentiert zu haben, sei das große Verdienst Markls.

Ob für die Freiheit der Stammzellforschung, den Schutz der Artenvielfalt oder guten Biologie-Unterricht – Hubert Markl brillierte stets als streitbarer Geist, der Konflikte nicht scheute und konsequent Stellung bezog. Wenn es sein musste sogar gegen den Bundespräsidenten. Als „Bürger Markl“ widersprach er 2001 bei seiner Rede anlässlich der Jahresversammlung der Max-Planck-Gesellschaft Ausführungen Johannes Raus zur Präimplantationsdiagnostik und mischte sich in die Stammzelldebatte ein, die im Jahr der Lebenswissenschaften geführt wurde. „Er hat kein Blatt vor den Mund genommen und verfügte über die Kunst, Sachverhalte so zu formulieren, dass sie hinterher völlig klar waren“, sagt Gerhard Wegner.

Auch wenn fähige Forscher Deutschland verließen, um an US-amerikanischen Universitäten zu arbeiten, als eine Exzellenzinitiative an den Hochschulen ins Leben gerufen wurde oder es an allen Ecken und Enden an Ingenieursnachwuchs mangelte, war er mit Überzeugungen stets zur Stelle. Eine Haltung, die der heutige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Martin Stratmann sehr schätzt: „Hubert Markl war einer der profiliertesten Wissenschaftsmanager der vergangenen Jahrzehnte. Er hat durch seine Eloquenz und seine gehaltvollen und geistreichen Beiträge in Wort und Schrift Wissenschaft auf höchstem Niveau nach außen repräsentiert und gleichzeitig in seiner Präsidentschaft Anstöße für eine innere Reform der Max-Planck-Gesellschaft gegeben, die die Gesellschaft bis heute maßgeblich prägen.“


Biografische Hinweise

Geboren wurde Markl wurde am 17. August 1938 in Regensburg. Nach dem Abitur studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Biologie, Chemie und Geographie. Zu seinen Lehrern zählten so bekannte Wissenschaftler wie Martin Lindauer, Hansjochen Autrum und die späteren Nobelpreisträger Konrad Lorenz und Karl von Frisch. 1962 wurde Markl in München im Fach Zoologie promoviert und arbeitete danach ein Jahr als wissenschaftlicher Assistent. 1965 führte ihn ein Forschungsaufenthalt in die USA nach Harvard, an die New Yorker Rockefeller University und an die Tropical Research Station der New York Zoological Society. Seine Habilitationsschrift über das "Kommunikationsverhalten sozialer Insekten" reichte Markl 1967 an der Universität Frankfurt/Main ein.

Hubert Markl war seit 1963 mit Eva-Maria Markl verheiratet. Sein Sohn Gregor Markl ist Professor für Petrologie an der Universität Tübingen. In den letzten Jahren lebte Hubert Markl zurückgezogen in Konstanz.

SB/BA

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