Tuberkulose-Biomarker hat ausgedient

Forscher stellen eine nur mangelhafte Beziehung zwischen T-Zell-Reaktion und Tuberkuloseschutz nach BCG-Impfung fest

30. Juli 2007

Nadel oder Pille - auch wenn der Impfschutz davon unbeeinflusst bleibt, so macht es bei der Tuberkuloseimpfung doch einen Unterschied wie der Wirkstoff verabreicht wird: Fortdauer und Ausbreitung des Impfstoffs sowie Frequenz und Lokalisierung der für den Schutz verantwortlichen T-Zellpopulationen zeigen deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Darreichungsformen, wie Forscher vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin bei Versuchen an Mäusen herausgefunden haben. Noch viel wichtiger war aber ein weiteres Ergebnis ihrer Studie. Zeigte sie doch, dass die als Biomarker zur Bewertung neuer Impfstoffkandidaten verwendete zelluläre Immunantwort zu diesem Zwecke wenig taugt. Sie sagt mehr über das Ausmaß der Infektion als über die Stärke des Schutzes aus (PNAS, Juli 2007).

Weltweit sterben jedes Jahr fast zwei Millionen Menschen an Tuberkulose. Die krankheitsauslösenden Bakterien (Mycobacterium tuberculosis) werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Ein Drittel der Weltbevölkerung gilt mittlerweile als infiziert. Und noch immer gibt es keinen optimalen Impfstoff. Zwar entwickelten schon 1921 die beiden französischen Forscher Albert Calmette und Camille Guérin am Pasteur-Institut in Lille auf der Basis des Erregers der Rindertuberkulose einen TBC-Impfstoff. Doch hilft dieser lediglich bei Kleinkindern gegen die Miliartuberkulose. Bei der weltweit häufigsten TBC-Form, der Lungentuberkulose, bleibt der nach den beiden Forschern benannte Bacille-Camette-Guérin Impfstoff (BCG) wirkungslos.

Fieberhaft suchen die Infektions- und Immunbiologen deshalb nach neuen, wirksamen Impfstoffen, deren Effizienz sie mit sogenannten Biomarkern prüfen. "Unser Wissen um den Zusammenhang zwischen Schutz und Impfroute bzw. Dosierung ist jedoch dürftig", so Stefan Kaufmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie über die Ausgangslage. In ihrer Studie an Mäusen verglichen die Berliner Forscher daher den Schutz nach oraler (Darreichung in Tablettenform) und systemischer (per Injektion) Impfung und brachten die durch die Impfung induzierte Immunität auf Zellebene mit dem Schutz gegen die experimentelle Tuberkulose in Verbindung.

Dabei zeigten sich in der Fortdauer und Ausbreitung des Bacille-Camette-Guérin-Impfstoffs (BCG) sowie der Frequenz und Lokalisierung der für den Schutz verantwortlichen T-Zellpopulationen deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Darreichungsformen. Bei systemischer Impfung fand das Team um Stefan Kaufmann und Hans-Willi Mittrücker große Mengen BCG in Milz, Leber und Lunge und nur geringe Mengen in den Lymphknoten und im Dünndarmgewebe. Bei Mäusen, denen sie den Impfstoff oral verabreicht hatten, fiel das Ergebnis anders aus: Bei ihnen wimmelte es vor allem in den Lymphknoten und Dünndarmzellen von den Impfbakterien, während in tieferen Gewebeschichten nur wenige nachzuweisen waren. Offenbar kann die Darmschleimhaut und das mit ihr verbundene Lymphgewebe eine wirksame Barriere gegen oral verabreichte Mykobakterien aufbauen, folgern die Forscher.

Oral oder per Injektion - für den Impfschutz spielte die Eingabe allerdings eine weitaus geringere Rolle. Beide Impfwege schützen etwa gleichermaßen gegen eine Infektion mit Mycobacterium tuberculosis über die Atemwege, stellten die Forscher fest. Bei ihren Versuchen entdeckten sie allerdings noch ein weiteres wichtiges Detail, das neue Perspektiven in der Impfstoffforschung eröffnen könnte. Bislang ging man davon aus, dass bestimmte T-Zellen (die Interferon-Gamma produzierenden CD4+ T-Zellen) beim Aufbau des Schutzeffekts die Hauptrolle spielen. Sie werden daher oft als Biomarker eingesetzt, der Aufschluss über die Wirkung neuer Impfstoffkandidaten bieten soll.

Doch die Resultate von Kaufmann, Mittrücker und Kollegen weisen in eine andere Richtung. "Am besten korrelierte der Schutz mit der raschen Ansammlung spezifischer CD8+ T-Zellen im infizierten Gewebe", sagt Kaufmann. "Dagegen zeigten die CD4+ T-Zellen eher die Infektionsstärke mit Mycobacterium tuberculosis an und nicht die Stärke des Schutzes." Damit steht die Forschung nun vor der Aufgabe, sich einen neuen Biomarker für den Effizienztest neuer Impfstoffkandidaten gegen Tuberkulose suchen zu müssen.

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