Alle 90 Sekunden eine Klarstellung

Universelle Grundsätze für die ‚Reparatur’ von Kommunikation entdeckt

16. September 2015

Wenn Menschen miteinander sprechen, kommt es leicht zu Verständnisproblemen. Manchmal hört man einzelne Worte nicht richtig, ein andermal sind die Zusammenhänge unklar. Oder man ist sich nicht sicher, das Wesentliche verstanden zu haben. Ein Team von Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen hat Mechanismen gefunden, mit denen weltweit Menschen Unklarheiten in Gesprächen aufdecken und die Kommunikation 'reparieren'.

Menschen beheben Missverständnisse in der Kommunikation im Durchschnitt alle 90 Sekunden. Wie die neuen Forschungsergebnisse nahelegen, funktioniert das weltweit auf die gleiche Weise – egal in welcher Sprache die Gesprächspartner kommunizieren. „Ohne ein solches System würde unsere Kommunikation ständig fehlschlagen“, sagt Mark Dingemanse, Erstautor der Studie, die gerade in der Fachzeitschrift PLOS ONE erschienen ist.

Ein internationales Team von Linguisten unter der Leitung von Dingemanse und Nick Enfield (inzwischen Universität Sydney) haben Videoaufzeichnungen von Gesprächen in zwölf verschiedenen Sprachen aus fünf Kontinenten ausgewertet. Das Spektrum reichte von Englisch, Russisch und Hochchinesisch bis zu Cha’paa in Ecuador, Siwu in Ghana und argentinischer Gebärdensprache. All diese Sprachen unterscheiden sich in ihrer Phonetik und ihrer Grammatik grundlegend voneinander. Der Vergleich ergab, dass überall das gleiche grundlegende System für sprachliche Unklarheiten und deren Behebung verwendet wird. Im Prinzip besteht es darin, den Gesprächsverlauf zu unterbrechen und durch Nachfragen um Klarstellung des gerade Gesagten zu bitten.

Drei Strategien, um Missverständnissen zu beheben

Insgesamt identifizierten die Forscher drei grundlegende „Reparatur“-Strategien, die regelmäßig angewendet werden. Die erste, die offene Nachfrage wird oft mit einem simplen “Häh?“ zum Ausdruck gebracht. Sie signalisiert ein grundlegendes Verständnisproblem und erfordert den größten Klärungsaufwand, eine vollständige Wiederholung des Gesagten. In der zweiten Strategie kommen konkreten Fragen wie „Wer?“ oder „Wo?“ zum Einsatz, um bestimmte Angaben zu klären oder genauere Details zu erfahren. Die dritte Möglichkeit ist, dass der Zuhörer das gerade Gesagte wiederholt oder in eigenen Worten formuliert und um Bestätigung zu bittet. Sie erfordert den geringsten Klärungsaufwand, im besten Fall ein einfaches „Ja“.

Auffällig ist zudem, dass die meisten Leute dieses „Reparatur“-System uneigennützig einsetzen. Das heißt, der Zuhörer wählt eine Strategie, die mit möglichst geringem Aufwand für den Sprecher das Verständigungsproblem löst. So stellen Zuhörer eher konkrete Nachfragen als eine einfachere Form wie „Häh?“ zu verwenden. Das zeigt den zutiefst sozialen Charakter des menschlichen Sprachgebrauchs.

Nur Menschen überprüfen Verständigung

Die Ergebnisse werfen ein Licht darauf, was das Besondere an der menschlichen Sprache ist: Auch andere Spezies haben eine komplexe Kommunikation entwickelt, aber von keiner ist bekannt, dass sie den Kommunikationsablauf unterbricht und Reparaturvorgänge initiiert. Denn nur die menschliche Sprache ist in der Lage, über sich selbst zu kommunizieren. Menschen zeichnen sich zudem dadurch aus, dass sie den Erfolg der gegenseitigen Verständigung überprüfen. „Wir sind Meister der Art von Zusammenarbeit, wie sie für eine ‚Reparatur‘ in der Kommunikation benötigt wird“, fasst Nick Enfield eine grundlegende Erkenntnis der Forschung zusammen.

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Erkenntnisse in Zukunft dazu beitragen, Computer „menschlicher“ reagieren zu lassen, wenn sie gesprochene Anweisungen nicht verstehen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sieht das Forscherteam im Sprachenunterricht oder in der interkulturellen Zusammenarbeit.

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