Kein Blankoscheck

13. Februar 2015

Vor zehn Jahren, am 16. Februar 2005, trat das Kyoto-Protokoll in Kraft. Durch das internationale Abkommen sollte der jährliche Ausstoß an Treibhausgasen reduziert werden. Die Vorgaben und Erwartungen waren hoch. Konnten die Ziele eingehalten werden, wie soll es in Zukunft weitergehen? Darüber sprachen wir mit Martin Heimann, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, der den Kohlenstoffkreislauf und seine Folgen für den Klimawandel erforscht.

Ziel des Kyoto-Protokolls war es, die globalen Emissionen von Treibhausgasen bis Ende 2012 um 5,2 Prozent zu senken. Damit die Vereinbarung in Kraft treten konnte, mussten mindestens 55 Staaten das Protokoll ratifizieren. Diese waren im Jahr 1990 für mehr als 55 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich. Dieser Prozess gestaltete sich schwierig: Nachdem die USA zuerst unterzeichnet hatten, stiegen sie 2001 aus dem Abkommen aus. Erst als Russland sich beteiligte, konnte das Protokoll in Kraft treten. Inzwischen haben 191 Staaten sowie die EU das Protokoll ratifiziert.

„Das Kyoto-Protokoll hat einen wichtigen Anstoß gegeben, dass sich Politik, Wirtschaft und Bevölkerung mehr mit dem Klimawandel auseinander setzen“, sagt Martin Heimann. Erstmals wurde durch die internationale Staatengemeinschaft eine absolute und rechtlich bindende Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen in einem völkerrechtlichen Vertrag verankert.

Das Abkommen betraf dabei primär die Hauptverursacher, die Industrieländer. Einzelne Schwellen- und Entwicklungsländer beteiligten sich zwar, mussten sich aber an keine Vorgaben halten, da diese Länder bis dahin nur wenig Ausstoß zu verantworten hatten. Das Protokoll sah dabei individuelle Richtlinien für einzelne Länder vor, ein Knackpunkt bei den Verhandlungen. Dabei richteten sich die Anteile nach dem Grad der wirtschaftlichen Entwicklung im jeweiligen Land.

Für die Durchsetzung des Abkommens war der Handel mit Emissionsrechten ein wichtiger Anreiz. Kraftwerke beispielsweise durften nur eine vorgeschriebene Menge an Treibhausgasen ausstoßen. Wurde diese Freimenge unterschritten, konnten die restlichen Zertifikate an andere Konzerne oder Staaten verkauft werden. Durch eine Verringerung der Emissionen und den Verkauf von überflüssigen Zertifikaten, machten einzelne Firmen sogar wirtschaftlichen Gewinn. Das sahen viele kritisch.

Negative Bilanz

Auch Martin Heimann bemängelt, dass die auferlegten Verpflichtungen nur teilweise erfüllt wurden. Zwar senkte die EU ihre Emissionen um 12,2 Prozent. Auch  Deutschland übertraf seine Vorgaben, indem es seine Emissionen um 23,6 Prozent verringern konnte. Weltweit sah der Trend allerdings anders aus: Der globale Ausstoß an Treibhausgasen stieg um fast 30 Prozent bis zum Jahr 2010. Die Erderwärmung nahm dadurch weiter zu, mit gravierenden Folgen.

„In Zukunft werden sich die Klimazonen weiter nach Norden verschieben. Im Mittelmeerraum etwa werden Dürreperioden zunehmen und damit die Bewässerung erschweren. In nördlicheren Gebieten wird es feuchter, der Permafrostboden taut auf,“ sagt Martin Heimann. Wenn der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre weiter steige, heize sich die Erde nicht nur auf, auch Wetterextreme, wie anhaltende Dürren, Hitzewellen, Starkregen oder extreme Stürme, treten vermehrt auf. Durch die steigende Wärme kann der Boden nicht mehr so viel Kohlenstoff speichern und gibt diesen vermehrt in die Atmosphäre ab.

Ein großes Problem sieht Heimann darin, dass die größten Emissionsverursacher dem Protokoll nicht zugestimmt haben. „Schließlich machen China und die USA mehr als 40 Prozent der globalen Emissionen aus“. Die USA hatte einem Vertrag, der Schwellenländer ausschließt, nicht zustimmen wollen. „Man sollte jedoch bedenken, dass Industrieländer in der Vergangenheit einen Blankoscheck hatten und einfach ungehindert Treibhausgase ausstoßen konnten. Nun kann man Schwellenländer nicht an ihrer eigenen Entwicklung hindern,“ mahnt Heimann. Allerdings seien die Ausgaben für erneuerbare Energien nur auf den ersten Blick gewaltig. Langfristig sehe dies anders aus. Ein Umstieg auf saubere Energie schaffe zudem auch Arbeitsplätze. Eine wichtige Rolle spielen hierbei  Fonds, die Schwellenländer bei der Entwicklung von erneuerbaren Energien unterstützen.

Verlängerung des Kyoto-Protokolls

Nach mehrjährigen Verhandlungen beschloss man auf der UN-Klimakonferenz in Katar 2012 eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls. Die zweite Verpflichtungsperiode „Kyoto II“  läuft von 2013 bis 2020. Dabei wurde unter anderem veranschlagt, die Treibhausgase um 25 bis 40 Prozent zu verringern. Zu den sechs bereits eingerechneten Treibhausgasen sind neue klimaschädliche Gase dazugekommen: Stickstofftrifluorid und Lachgas. Zudem können Mitgliedsstaaten nun, ohne aufwändiges Prozedere, ihre Ziele während des Prozesses freiwillig verschärfen.

Nicht alle Staaten zeigten sich zufrieden mit dem neuen Protokoll. So stiegen etwa Russland und Japan aus. Auch die USA sind, wie bereits beim ersten Kyoto-Protokoll, nicht Teil der Mitgliedsstaaten. Inzwischen produzieren die teilnehmenden Staaten insgesamt nur noch etwa 15 Prozent der weltweit ausgestoßenen Treibhausgase. „Die Nicht-Einbeziehung der Schwellenländer bleibt dabei ein Hindernis für die Zustimmung vieler Staaten“, so Heimann. „Momentan scheint es aber so, dass die USA Bereitschaft zeigen, mitzumachen."

Erwartungen an Paris 2015

Auch wenn das Kyoto-Protokoll nicht ganz den erhofften Effekt hatte und sich der globale Ausstoß von Treibhausgas nicht komplett aufhalten lässt, wurde so die Debatte über einen zukunftsorientierten Klimaschutz weiter vorangebracht. Über ein nachfolgendes Klimaschutzabkommen wird seit längerem diskutiert. Ein Durchbruch lässt jedoch auf sich warten.

Umso höher sind die Erwartungen an den Weltklimagipfel 2015 in Paris. Während der Klimakonferenz 2014  in Lima wurden bereits Eckdaten eines zukünftigen Vertrages besprochen, dessen übergreifendes Ziel es sein wird, die Erderwärmung bis 2100 auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. „Ein sehr pauschales, unrealistisches Ziel“, meint Martin Heimann. „Schließlich haben Temperaturänderungen – je nach geografischer Lage – ganz unterschiedliche Folgen.“ Besonders interessant sind deshalb für Wissenschaftler regionale Klimaveränderungen. Kleinskalige Voraussagen sollen es in Zukunft möglich machen, konkrete Maßnahmen für Kommunen und Regionen zu entwickeln (siehe „Das Rundum-Klimapaket“. Was Klimadienste leisten“).  

LG/BA

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