Biomarker entlarven unser biologisches Alter

Forscher hoffen auf verbesserte Therapien bei der Behandlung altersassoziierter Erkrankungen

12. August 2008

Kein Tag vergeht, an dem wir nicht ein bisschen älter werden. Doch die genauen Prozesse des menschlichen Alterns geben noch viele Rätsel auf. Wissenschaftler um Lenhard Rudolph und Hong Jiang von der Max-Planck-Forschungsgruppe für Stammzellalterung in Ulm haben nun eine Gruppe von Proteinen identifiziert, die das biologische Alter eines Menschen verraten können. Diese Biomarker könnten in der Medizin dazu genutzt werden, um Therapien bei alten Menschen dem individuellen biologischen Alter anzupassen. (PNAS, 12. August 2008)

Lebenserfahrung, Weisheit und eine gewisse innere Ruhe - all das sind Eigenschaften, über die wir dem Volksmund nach erst in einem gewissen Alter verfügen. Und ein wachsender Prozentsatz von Menschen in unserer Bevölkerung kann sich über diese positiven Aspekte des Altwerdens freuen, denn der medizinische Fortschritt und die Verbesserungen in der Hygiene, der Nahrungsversorgung und den Wohnbedingungen haben dazu geführt, dass in den Industrieländern immer mehr Menschen immer älter werden.

Doch diese positive Entwicklung hat auch eine Kehrseite: Viele ältere Patienten leiden an alternsassoziierten Erkrankungen, und den Medizinern fällt es häufig schwer einzuschätzen, welche Therapien einem alten Menschen zugemutet werden können. Denn: Das chronologische Alter in Jahren muss nicht zwangsläufig mit dem biologischen Alter übereinstimmen. "Viele ältere Patienten besitzen ein sehr gutes Regenerationsvermögen, besser sogar als manche Jüngeren", sagt Lenhard Rudolph, der Leiter der Studie. Mit seiner Doktorandin Hong Jiang machte er sich deshalb auf die Suche nach Biomarkern, die Hinweise auf das biologische Alter eines Menschen liefern. Unterstützt wurden die beiden Max-Planck-Forscher bei ihrer Suche von Harald Mischak von der Firma Mosaiques Diagnostics.

Die Wissenschaftler nahmen die Telomere, die Endstücke der menschlichen Chromosomen, genauer unter Beobachtung. Sie sind notwendig, um das Chromosom stabil zu halten und gleichzeitig abzuschirmen. Telomere verkürzen sich jedoch bei jeder Zellteilung um 50 bis 200 Basenpaare - im Verlauf des Älterwerdens werden sie schließlich so kurz, dass ihre Schutzfunktion verloren geht. Die Folge: Die Chromosomen werden instabil und die Zelle verliert irreversibel ihre Teilungsfähigkeit. Wissenschaftler konnten mittlerweile nachweisen, dass hierin ein Auslöser der Zellalterung liegt.

Rudolph und Jiang entdeckten, dass die Verkürzung der Telomere und DNA-Schäden, die sie in ihrer Studie durch radioaktive Strahlung ausgelöst hatten, zu einer überlappenden Reaktion in den menschlichen Zellen führen: In den betroffenen Zellen kommt es in beiden Fällen zu einer Freisetzung von Markerproteinen. "Eine interessante Beobachtung war, dass die gleichen Proteine auch im menschlichen Blut gemessen werden können und ein deutlicher Anstieg im Rahmen der Alterung und bei alternsassoziierten Erkrankungen nachweisbar ist", fasst Rudolph zusammen.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit stellen somit nicht nur aussagekräftige Marker für die biologische Alterung der Menschen bereit, sondern untermauern zudem die DNA-Schädigungs-Hypothese der menschlichen Alterung. Die Max-Planck-Forscher hoffen auf den Einsatz ihrer Biomarker in der Klinik. Denn Therapien könnten dann individuell auf das biologische Alter der Patienten angepasst und so bessere Therapieergebnisse erzielt werden. Doch die Biomarker haben noch mehr drauf, wie Rudolph erklärt: "Sie könnten auch genutzt werden, um Verhaltensmaßnahmen, Nahrungszusätze und pharmakologische Therapien zur Verzögerung von Alternsvorgängen zu testen."

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