Mobile Neandertaler

40 000 Jahre alter Zahn liefert Forschern den ersten Beweis für die Mobilität der Neandertaler

12. Februar 2008

Mittels modernster Lasertechnologie hat ein internationales Forscherteam um Michael Richards vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Durham University (Großbritannien) mikroskopisch kleine Zahnschmelzpartikel von einem rund 40 000 Jahre alten Neandertaler-Zahn abgetragen. Die Forscher analysierten den Anteil von Strontium-Isotopen im Zahnschmelz - Strontium ist ein durch Nahrung und Wasser vom Körper aufgenommenes, natürlich vorkommendes Metall - und konnten dadurch die geologischen Besonderheiten jener Orte ermitteln, an denen der Neandertaler gelebt hat, als sich der Zahn herausbildete (Journal of Archaeological Science, 11. Februar 2008).

Den Zahn, einen dritten Backenzahn, fanden die Forscher während einer von Dr. Eleni Panagopoulou vom Griechischen Ministerium für Kultur geleiteten Ausgrabung in einer Kalksteinhöhle an der Küste von Lakonis (Südgriechenland). Er bildete sich heraus, als der Neandertaler zwischen sieben und neun Jahren alt war. Die Analyse der im Zahnschmelz befindlichen Strontium-Isotope deutete jedoch darauf hin, dass der Neandertaler zu diesem Zeitpunkt in einer anderen Region gelebt haben muss, deren Boden aus einem älteren vulkanischen Grundgestein bestand.

Diese neuen Erkenntnisse, die in der Fachzeitschrift Journal of Archaeological Science veröffentlicht wurden, könnten nun dabei helfen, die Antwort zu finden auf eine lang anhaltende Debatte bezüglich der Mobilität unseres bereits ausgestorbenen Verwandten. Einige Forscher gehen davon aus, dass Neandertaler ihr Leben größtenteils an ein und demselben Ort verbrachten, während andere ihrer Mobilität eine größere Bedeutung beimessen und annehmen, dass sie in ihrem Leben längere Wanderungen zurücklegten. Wiederum andere Forscher sind der Meinung, dass Neandertaler sich innerhalb eines begrenzten Gebietes bewegten, möglicherweise aufgrund einer saisonalen Notwendigkeit bei der Nahrungsbeschaffung.

"Das durch Nahrung und Wasser aufgenommene Strontium wird, wie Kalzium auch, von Säugetieren während ihres Zahnwachstums absorbiert", so Michael Richards. "Unsere Tests zeigen, dass dieser Neandertaler an einem anderen Ort als dem jetzigen Fundort des Zahns gelebt haben muss, als sich seine Zahnkrone herausbildete." Und er fügt hinzu: "Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass dieser Neandertaler sich im Laufe seines Lebens über eine Entfernung von wenigstens 20 Kilometern, vielleicht sogar noch mehr, fortbewegt hat. Wir können davon ausgehen, dass Neandertaler sich im Laufe ihres Lebens von einem Ort zum anderen fortbewegten und nicht in geographisch eingeschränkten Arealen lebten."

Katerina Harvati, die ebenfalls am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig forscht und die Studie ins Leben gerufen hatte, sagt: "Frühere Hinweise auf die Mobilität der Neandertaler stammen nur aus indirekten Quellen. Das sind Steinwerkzeuge oder Artefakte, die nicht aus der Region stammen konnten, wie z.B. Muscheln, die man weit entfernt von der Küste fand. Aber keine dieser Quellen half uns bisher dabei, die Mobilität der Neandertaler mit einer Zahl zu versehen."

Die Forscher glauben, dass sie mittels der Laser-Technologie auch andere seltene Neandertalerfossilien untersuchen und Vergleiche anstellen können, wie mobil Neandertaler in anderen Regionen oder zu einem anderen Zeitpunkt gewesen sind. Die Technologie könnte es den Wissenschaftlern darüber hinaus auch ermöglichen, kleinere Migrationen, die sich mit herkömmlichen Forschungsmethoden nicht untersuchen ließen, nun näher zu betrachten, und sie könnte möglicherweise auch bei der Erforschung früherer Menschen äußerst nützlich sein.

Finanzierung
Die Isotopenforschung wurde vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie finanziert, die Ausgrabung in Lakonis vom Griechischen Ministerium für Kultur, der Wenner-Gren-Stiftung, der LSB Leakey-Stiftung und dem Institut für Ägäische Vorgeschichte.

Das Forscherteam
Zum Forscherteam unter der Leitung von Professor Michael Richards vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Durham University (Großbritannien) gehörten Katerina Harvati, Vaughan Grimes, Colin Smith, Tanya Smith und Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie sowie Panagiotis Karkanas und Eleni Panagopoulou von der Ephoreia für Paläoanthropologie und Speläologie (Höhlenkunde) von Süd-Griechenland.

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