Neuer Tumormarker für Nachweis und Diagnose von Krebs

Internationales Forscherteam weist Tumor-spezifische Rolle eines Membranproteins nach, das direkt mit der Krebsprogression in Verbindung steht

17. Oktober 2006

Zwischen der hohen Expression spezieller Kalium-Kanäle in der Membran von Zellen und verschiedenen bösartigen Tumorarten besteht eine starke Korrelation. Zu diesem Befund sind Forscher am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Zusammenarbeit mit der Abteilung Pathologie der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität in Göttingen und dem Instituto Nacional de Câncer in Rio de Janeiro, Brasilien, gekommen. Ihre Forschungsergebnisse wurden in zwei aufeinander folgenden wissenschaftlichen Artikeln in der Ausgabe des Fachjournals "Molecular Cancer" am 5. Oktober 2006 veröffentlicht. Weitere Untersuchungen des neuen Tumormarker Eag1 öffnen die Tür für die Entwicklung neuer Strategien zur Diagnose und Behandlung von Krebs und haben ein hohes Potenzial für die klinische Anwendung.

Bei ihren Experimenten hatten die Forscher entdeckt, dass der Eag1-Kanal häufig in Zelllinien exprimiert wird, die aus Tumoren stammen. Zudem konnten sie zeigen, dass der Ionenkanal in diesen Zellen in den Verlauf des Zellzyklus involviert ist und dass man die Zellproliferation in vitro signifikant reduzierten kann, wenn man die Eag1-Expression mittels verschiedener Methoden reduziert. Darüber hinaus führte die Introduktion von Eag1-transfizierten Zellen bei Mäusen zu schnell wachsenden und aggressiven Tumoren, was darauf schließen lässt, dass die Expression von Eag1 den Krebszellen einen selektiven Vorteil verschafft.

Ionenkanäle spielen oft eine Rolle bei der Entstehung verschiedener Krankheiten. Sie sind als Ziele für Therapiemaßnahmen gut geeignet, da es sich um leicht zugängliche, an der Zelloberfläche exprimierte Moleküle handelt, die pharmakologisch relativ leicht anzugreifen sind. Über eine Reihe von Ionenkanälen weiß man bereits, dass sie mit Tumoren in Verbindung stehen. Eag1 ist nun der erste Ionenkanal, der direkt mit der Tumorprogression zusammenhängt. Mit genetischen Methoden (reverse transcription real-time PCR) und speziell erzeugten und modifizierten monoklonale anti-Eag1-Antikörpern haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass die Expression des humanen Eag1-Kaliumkanals, auch bekannt als KCNH1 oder Kv10.1, normalerweise auf spezifische Hirnregionen und vereinzelte bestimmte Zellpopulationen im Körper beschränkt ist. Aufgrund dieser außergewöhnlichen Verteilung der Eag1-exprimierenden Zellen könnten bei Therapien die unerwünschten Nebenwirkungen vermieden werden.

Um die Relevanz von Eag1 als möglichem Ansatz für die Krebstherapie beurteilen zu können, haben die Forscher die Verteilung und die Häufigkeit der Expression des Eag1-Kanals in normalem Gewebe und in einer großen Anzahl von Tumorgewebeproben mit molekularbiologischen und immunhistochemischen Techniken untersucht. Von insgesamt 756 Patienten zeigten 77 Prozent der Fälle eine starke Überexpression des Kanals. Diese außergewöhnliche Häufigkeit ist wahrscheinlich darauf begründet, dass die Eag1-exprimierenden Zellen eine höhere Überlebensrate haben und daher einen Selektionsvorteil besitzen. Dafür spricht auch, dass jene Zellen, die erst Monate nach den ersten bösartigen Veränderungen entnommen wurden, einen deutlich höheren Anteil an Eag1-exprimierenden Zellen aufweisen.

In der zweiten Veröffentlichung nutzten die Wissenschaftler dieselben spezifischen monoklonalen Antikörper, um das Expressionsniveau von Eag1 in Weichteil-Sarkomen zu bestimmen. Weichteil-Sarkome sind seltene Tumore (weniger als 1 Prozent aller Krebsarten) mit schlechten Prognosen - über 40 Prozent Sterblichkeitsrate im ersten Jahr nach der Diagnose. Die relativ geringe Anzahl an Fällen und die große Vielfalt ihres histopathologischen Erscheinungsbildes, ihrer anatomischen Lage und des biologischen Verhaltens machen ein umfassendes Verständnis dieser Krankheit äußerst schwierig. Ärzte und Patienten stehen immer noch nur begrenzte therapeutische Möglichkeiten gegenüber, die nur eine geringe Verbesserung der Überlebenschancen bieten.

Eag1 wurde in 71 Prozent der 210 untersuchten Sarkome exprimiert. Die Häufigkeit der Eag1-Überexpression bei Weichteil-Tumoren reicht von 56 Prozent (Liposarkome) bis 82 Prozent (Rhabdomyosarkome). Die Unterschiede in den Expressionsniveaus lassen sich nur mit dem histologischen Typ in Verbindung bringen, nicht aber mit dem Geschlecht oder dem Alter der Patienten noch mit dem Malignitätsgrad oder der Größe des Tumors. Bei manchen histologischen Typen konnten die Forscher eine Korrelation zwischen Eag1-Expression und einer geringen Lebenserwartung feststellen. Wie schon bei der ersten Studie zeigen die Zelltypen, die Sarkome hervorrufen, keine Eag1-Expression.

Als Beispiele für relevante histologische Typen (Fibrosarkom und Rhabdomyosarkom) haben die Forscher schließlich vier Zelllinien mit reverse transcription real-time PCR als positiv hinsichtlich der Eag1-Expression getestet. Darüber hinaus führte die Unterdrückung der Eag1-Expression durch RNA-Interferenz in diesen Zellen zu einer Verminderung der Zellproliferation.

Zusammengefasst zeigen diese Ergebnisse, dass die Eag1-Kanäle direkt am Zellwachstum beteiligt sind. Die Befunde lassen vermuten, dass Eag1 bei der Umwandlung normaler Zellen in Tumorzellen eine wichtige Rolle spielt. Außerhalb des Gehirns kommen Eag1-Kanäle nur in ganz wenigen Zelltypen vor. Im Gegensatz dazu exprimieren Tumorzellen ganz unterschiedlicher Art Eag1-Kanäle mit einer höheren Häufigkeit als übliche Tumormarker. Folglich bietet Eag1 einen neuen Ansatz zum Nachweis und zur Diagnose von Krebs. Noch dazu ist es ein Transmembranprotein und daher von außerhalb der Tumorzellen zugänglich.

Normale Zellen, die Eag1 exprimieren, sind entweder durch die Blut-Hirn-Schranke geschützt oder stellen das Endstadium der normalen Entwicklung dar. Diese Tatsachen sowie das Wissen, dass eine Eag1-Hemmung zu einer Verminderung des Tumorwachstums führt, bedeuten, dass dieses Kanalprotein einen viel versprechenden Ansatz für die maßgeschneiderte Behandlung menschlicher Tumore darstellt. Darauf basierende Therapien sollten zudem nur geringe Nebenwirkung hervorrufen.

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