In Käfern ist der Wurm drin

Max-Planck-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Fadenwürmer der Gattung Pristionchus von Mikroorganismen an Käfern leben.

25. April 2005

Fadenwürmer gibt es fast überall: Im Meer, im Strandsand und im Ackerboden. Bestimmte Arten können sich sogar in den Augen des Menschen einnisten und die in den Tropen gefürchtete Flussblindheit auslösen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen haben jetzt entdeckt, das einige Fadenwürmer der Gattung Pristionchus auf Maikäfern, Mistkäfern und Kartoffelkäfern vorkommen. Solange die Käfer leben, harren sie als Dauerlarven aus. Erst wenn die Käfer sterben, fressen sie Bakterien, Pilze und andere Fadenwurmarten, die sich auf dem Kadaver ausbreiten. Biologen halten es für möglich, dass diese Lebensweise eine Vorstufe des Parasitismus darstellt. Mit Hilfe der neuen Erkenntnisse lässt sich also vielleicht klären, wie Parasitismus überhaupt entstanden ist. (Zoology, 17. April 2006)

Parasiten leben auf Kosten ihres Wirts und töten ihn dabei in vielen Fällen.

Dem Menschen setzen vor allem Bandwürmer, Läuse und Mücken zu. Andere Schmarotzer richten im Ackerbau und in der Viehzucht große Schäden an. Doch auch Käfer und andere kleine Bodenbewohner bleiben von Parasiten nicht verschont. Darüber wissen Biologen bislang aber wenig. Auch wie sich das Schmarotzertum überhaupt entwickelt hat, ist noch kaum erforscht.

Alleine die Fadenwürmer sind acht Mal unabhängig voneinander auf die parasitäre Lebensweise verfallen. Ralf Sommer und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie haben untersucht, wie der Fadenwürmer der Gattung Pristionchus leben. Pristionchus pacificus bevölkert als Versuchstier zwar schon viele Labore, doch wo sich die Würmer seiner Gattung in der Natur tummeln, war bislang kaum bekannt. Nun hat das Forscherteam von Ralf Sommer Fadenwürmer der Gattung Pristionchus an mehr als der Hälfte von 4000 Käfern gefunden, die sie in verschiedenen Ländern Westeuropas inspiziert haben. In der Tübinger Gegend waren sogar bis zu 70 Prozent der Mistkäfer befallen. Sieben verschiedene Pristionchus - Arten habe die Entwicklungsbiologen bei ihren Untersuchungen identifiziert.

Diese Fadenwürmer leben allerdings nicht als Schmarotzer in den Käfern, vielmehr warten sie auf den natürlichen Tod des Insekts. Die Zwischenzeit überleben sie als Dauerlarve, einem inaktiven Stadium. Stirbt der Käfer, so weiden sich an ihm Bakterien, Einzeller und Pilze. Von diesen wiederum ernähren sich die Fadenwürmer, die damit zu den Allesfressern unter den Schmarotzern gehören. Dieses Verhalten nennen Wissenschaftler necromenisch. Sie vermuten, dass es eine direkte Vorstufe des Parasitismus darstellt.

Die Erkenntnisse der Max-Planck-Wissenschaftler könnten dazu beitragen, die Entstehung des Parasitismus besser zu verstehen. In künftige Arbeiten wollen sie das Zusammenleben der Käfer und Fadenwürmer genauer erforschen. Dass die amerikanische Gesundheitsbehörde, die National Institutes of Health, derzeit sein komplettes Genom entschlüsselt, wird den Forscher dabei vermutlich sehr helfen.

Für die Wissenschaft ist Pristionchus pacificus aber noch aus einem anderen Grund interessant: Er ist mit Caenorhabditis elegans verwandt. Als Modellorganismus in der vergleichenden Entwicklungsbiologie kann er somit helfen, die Evolution dieser Fadenwürmer nachzuvollziehen. Bei ihren Untersuchungen profitieren die Biologen davon, dass viele Fadenwürmer der Gattung Pristionchus, so auch Pristionchus pacificus, als Zwitter leben. Daher verändert sich sein Erbgut von Generation zu Generation nur sehr wenig. So ist es leichter, genetische Veränderungen zu verfolgen.

Zur Redakteursansicht