Kometen eher "eisige Staubbälle" als "schmutzige Schneebälle"?

Max-Planck-Forscher in Katlenburg-Lindau blicken mit den Kameras OSIRIS ins Innere des Kometen Tempel 1

12. Oktober 2005

Als die NASA am 4. Juli 2005 ein Projektil in den Kometen Tempel 1 schoss, um Kometenmaterial in den Weltraum zu schleudern, da verfolgten Wissenschaftler das Ereignis unter anderem mit Hilfe der OSIRIS-Kameras an Bord der ESA-Kometensonde Rosetta, die unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entwickelt worden waren. Die Kameras filmten den Kometen von fünf Tagen vor dem Einschlag bis zehn Tage nach dem Einschlag. Aus den OSIRIS-Messungen des Auswurfs schließen Forscher jetzt, dass der Komet mehr Staub als Wasser enthält (Nature, 13. Oktober 2005 und Science, 14. Oktober 2005).

Die Max-Planck-Forscher beobachteten die Folgen des Einschlags des 380 Kilogramm schweren Kupfer-Projektils, das mit einer Geschwindigkeit von 10 km/s in die Kometenoberfläche gerast war, und verglichen die Daten mit denen der normalen Koma - des "Schweifs" - des Kometen vor und nach dem Ereignis. Die Koma besteht vor allem aus Wasserdampf und Staub, die durch Sonneneinstrahlung von der Oberfläche des Kometen abgelöst werden. Das Eis geht dabei in den gasförmigen Zustand über, ohne zu verflüssigen; es "sublimiert". Die frei werdenden Moleküle werden schneller, reißen die Staubteilchen mit und beschleunigen sie zusätzlich.

Der Staub in der Koma ist sichtbar, da er das Sonnenlicht reflektiert. Der beim Einschlag freigesetzte Staub wurde mit der Telekamera (Narrow Angle Camera) von OSIRIS mit einer Auflösung am Kometen von 3000 Kilometer beobachtet.

In den Stunden und Tagen nach dem Einschlag zeigte sich der zusätzliche Staub durch einen Helligkeitszuwachs in der Koma des Kometen (s. Abb. 1). Es bildete sich zunächst eine Wolke, die aufgrund der Geometrie des Auswurfs aus dem Krater halbkreisförmig war. Später wurde der Staub durch den Strahlungsdruck der Sonne von der Sonne weg beschleunigt.

Aufgrund der Entfernung der Staubwolke vom Kern in verschiedenen Bildern kann man die Geschwindigkeit des Staubs abschätzen: Die Staubteilchen entfernten sich mit einer typischen Geschwindigkeit von ca. 110 m/s vom Kern, die schnellsten Teilchen mit mindestens 300 m/s.

Der Anstieg der Helligkeit durch den beim Einschlag erzeugten Staub dauerte ungefähr 40 Minuten (s. Abb. 3). Es wird vermutet, dass ein Großteil des Materials den Kometenkern beim Einschlag als eishaltige Staubkörner (icy grains) verlassen hat. Danach waren die einzelnen Körner dem Sonnenlicht ausgesetzt und sublimierten. Der Staub in den Körnern zerbröselte bei diesem Prozess. Mehr Staub hat eine größere Oberfläche und reflektiert so mehr Sonnenlicht; so steigt die Helligkeit an.

Die Wassermoleküle (H2O) werden durch die ultraviolette Strahlung der Sonne zerlegt, größtenteils in OH + H. Die OH-Radikale fluoreszieren und konnten daher mit der Weitwinkelkamera (wide angle camera) von OSIRIS gemessen werden. Daraus wurde die beim Einschlag erzeugte Menge von Wasser berechnet. Sie ist mit 4.500 Tonnen deutlich geringer als die geschätzte Gesamtmasse der Staubteilchen, die aus der Helligkeit des Staubes bestimmt wird. Die Forscher vermuten daher, dass die Vorstellung vom Kometen als einem "schmutzigen Schneeball" aus den 1950er Jahren wohl korrigiert werden sollte - Tempel 1 hat sich eher als "eisiger Staubball" entpuppt.

Die Kameras gaben noch weiteren Einblick ins Innere des Kometen: Das Molekül-Radikal CN kommt im Auswurf des Einschlags relativ zum Wasser etwas häufiger vor als in der normalen Koma vor und nach dem Einschlag. Daraus lässt sich schließen, dass es sich das Innere des Kometenkerns chemisch anders zusammensetzt als seine Oberfläche. Und: In den Stunden und Tagen nach dem Einschlag wurde keine erhöhte Aktivität des Kometen Tempel 1 entdeckt. Die Forscher vermuten daher, dass die bei Kometen häufig beobachteten Helligkeitsausbrüche nicht von Meteoriteneinschlägen verursacht werden.

Zur Redakteursansicht