Welche Bedeutung hat die Sonne für das globale Klima?

Studien des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung zeigen: Sonnenaktivität beeinflusst das Klima, hat aber geringe Rolle bei der jüngsten globalen Erwärmung

2. August 2004

Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts befindet sich die Sonne in einer Phase außergewöhnlich hoher Aktivität, die sich im häufigen Auftreten von Sonnenflecken, Gasausbrüchen und Strahlungsstürmen äußert. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau und der Universität von Oulu (Finnland), nachdem es ihnen gelungen ist, die Sonnenaktivität anhand der Häufigkeit von Sonnenflecken bis ins Jahr 850 zurückzuverfolgen. Dazu kombinierten sie historische Aufzeichnungen über Sonnenflecken mit Messungen der Häufigkeit radioaktiver Isotope in Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis. Wie die Wissenschaftler in der renommierten Fachzeitschrift "Physical Review Letters" berichtet haben, ist die mittlere Sonnenfleckenzahl seit dem Jahr 1940 so hoch wie niemals zuvor in den vergangenen tausend Jahren und zweieinhalb mal so hoch wie der langfristige Mittelwert. Der zeitliche Verlauf der Sonnenaktivität weist eine Ähnlichkeit mit der Entwicklung der mittleren Temperatur auf der Erde auf. Daher rücken diese Forschungsergebnisse den Einfluss der Sonne auf das Erdklima und insbesondere ihren möglichen Anteil an der globalen Erwärmung im 20. Jahrhundert in den Brennpunkt des Interesses. Forscher des MPS haben aber auch gezeigt, dass die Sonne höchstens für einen kleinen Teil der Erwärmung der letzten 20-30 Jahre verantwortlich sein kann. Sie benutzten dazu den gemessenen und berechneten Verlauf der Helligkeit der Sonne über die letzten 150 Jahre und verglichen sie mit der Temperatur der Erde. Obwohl sich die zwei Größen in den ersten ca. 120 Jahren einigermaßen in Einklang bewegen, stieg die Temperatur der Erde in den letzten ca. 30 Jahren rasant an, während sich die Helligkeit der Sonne nur unwesentlich erhöhte.

Seit der Erfindung des Fernrohrs im frühen 17. Jahrhundert beobachten Astronomen regelmäßig die Sonnenflecken. Hierbei handelt es sich um Regionen auf der Oberfläche der Sonne, in denen die Energieversorgung aus dem Inneren aufgrund der in ihnen wirkenden starken Magnetfelder behindert wird. Dadurch kühlen diese Gebiete um etwa 1.500 Grad ab und erscheinen dunkel im Kontrast zu ihrer rund 5.800 Grad heißen Umgebung. Die Zahl der Sonnenflecken schwankt in einem etwa elfjährigen Aktivitätszyklus, der von längerfristigen Schwankungen überlagert ist. So gab es beispielsweise in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fast gar keine Sonnenflecken.

Das deutsch-finnische Forscherteam verwendete nun eine neue Methode, um Aufschluss auch über die Entwicklung der Sonnenfleckenzahl vor dem Beginn der direkten Aufzeichnungen zu gewinnen. Die Experten werteten dazu die in Bohrkernen aus Grönland- und Antarktis-Eis gemessene Häufigkeit von Beryllium-10 aus. Dieses radioaktive Isotop entsteht, wenn energiereiche Teilchen der kosmischen Strahlung in die Erdatmosphäre eindringen und dabei Atomkerne von Stickstoff und Sauerstoff zerschlagen. Bei diesen Zerfallsprozessen entsteht Beryllium-10 (Halbwertszeit: 1,6 Mio. Jahre), das bei Niederschlägen aus der Atmosphäre ausgewaschen wird und sich in den polaren Eisschilden schichtweise niederschlägt. Da die kosmische Strahlung durch das den interplanetaren Raum erfüllende Magnetfeld der Sonne teilweise abgeschirmt wird, schwankt die Häufigkeit des erzeugten Beryllium-10 auf der Erde mit der Stärke dieses Magnetfelds, das selbst wiederum mit der Häufigkeit von Sonnenflecken in Verbindung steht.

Beim Vergleich der Beryllium-10-Daten mit den historischen Aufzeichnungen über Sonnenflecken stellten die Forscher ein hohes Maß an Übereinstimmung fest. Damit war es ihnen auch möglich, die neue Rekonstruktionsmethode zu testen und zu eichen. Dem Sonnenforscher-Team ist es nun gelungen, erstmals jedes Glied der komplexen Kette - von der Isotopenhäufigkeit im Eis bis hin zur Sonnenfleckenzahl - mit konsistenten physikalischen Modellen zu beschreiben. Dazu gehören die Entstehung von Beryllium-10 durch die kosmische Strahlung, die Modulation der kosmischen Strahlung durch das interplanetare Magnetfeld und schließlich der Zusammenhang zwischen dem Magnetfeld der Sonne und der Zahl ihrer Flecken. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern erstmals, eine quantitativ zuverlässige Bestimmung der Sonnenfleckenzahl auch für die Zeit vor dem Beginn der direkten Aufzeichnungen zu gewinnen.

Diese Daten zeigen klar, dass sich die Sonne seit etwa 60 Jahren in einem Zustand ungewöhnlich hoher Aktivität befindet. Der Zeitraum, für den man diese Aussage machen kann, hat sich durch die neuen Untersuchungen jetzt verdreifacht, denn nun liegen die rekonstruierten Sonnenfleckenzahlen schon vom Jahre 850 an vor. Eine weitere Periode erhöhter Sonnenaktivität, allerdings mit erheblich weniger Sonnenflecken als in der jetzigen Phase, trat im Mittelalter zwischen den Jahren 1100 und 1250 ein. Damals herrschte auf der Erde eine Warmzeit, während der die Wikinger blühende Siedlungen in Grönland unterhielten.

Die Sonne wirkt über verschiedene physikalischen Mechanismen auf die Klimaentwicklung ein: Einerseits schwankt die Gesamtstrahlung und insbesondere der Anteil im Ultraviolett-Bereich mit der Sonnenaktivität. Sind also viele Sonnenflecken zu sehen, ist die Sonne insgesamt etwas heller als in "ruhigen" Zeiten und zeigt eine erheblich erhöhte Ultraviolettstrahlung. Andererseits schwankt die auf die Erdatmosphäre einfallende kosmische Strahlung im genau entgegengesetzten Rhythmus zur Sonnenaktivität, da sie vom Magnetfeld der Sonne jeweils mehr oder weniger abgeschirmt wird. Die von der kosmischen Strahlung erzeugten Ionen wirken - nach einem viel diskutierten Modell dänischer Forscher - als Kondensationskeime für größere Schwebeteilchen und fördern deshalb die Wolkenbildung. Bei hoher Sonnenaktivität (stärkerem Magnetfeld) nimmt folglich die kosmische Strahlung und mit ihr auch die Bewölkung ab, so dass die Temperaturen auf der Erde steigen. Umgekehrt zieht eine geringere Sonnenaktivität niedrigere Temperaturen nach sich.

Zwei Forscher vom MPI für Sonnensystemforschung haben die drei für das Klima wesentlichen Größen der Sonne, ihre Gesamtstrahlung, ihren Anteil im Ultraviolett-Bereich sowie ihr Magnetfeld (welches die Intensität der kosmischen Strahlung bestimmt) für die letzten 150 Jahren anhand aktueller Messungen und neuester Modelle ausgerechnet. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Veränderungen der Sonne über einen Großteil der Zeit mit den Klimaschwankungen Schritt gehalten haben, was darauf hindeutet, dass die Sonne in der Vergangenheit einen Einfluss auf das Klima gehabt hat. Wie stark dieser Einfluss war, ist Gegenstand weiterer Forschung. Klar ist hingegen, dass seit etwa 1980 die Gesamtstrahlung der Sonne, ihre Ultraviolettstrahlung, wie auch die kosmische Strahlung mit dem 11- jährigen Sonnenzyklus geschwankt hat, aber nicht signifikant zugenommen hat. Im Gegensatz dazu hat sich die Erde in diesem Zeitraum weiter stark erwärmt. Dies schließt die Sonne als Verursacherin der gegenwärtigen globalen Erwärmung aus.

Diese Befunde rücken die Frage, welcher Zusammenhang zwischen den Schwankungen der Sonnenaktivität und dem Klima auf der Erde besteht, in den Brennpunkt der aktuellen Forschung. Auf der Erde spielt der Einfluss der Sonne - neben der Emission des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl - eine zunehmende Rolle als Ursache für die seit 1900 beobachtete globale Erwärmung. "Wie groß diese Rolle genau ist, muss noch erforscht werden, denn auch nach unseren neuen Erkenntnissen über die Schwankungen des solaren Magnetfelds ist der seit 1980 eingetretene starke Anstieg der Erdtemperatur wohl vor allem dem durch das Kohlendioxid bewirkten Treibhauseffekt zuzuschreiben", sagt Prof. Sami K. Solanki, Sonnenphysiker und Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

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