Risikobereitschaft ändert sich in jungen Jahren und im höheren Alter am stärksten

Langzeitstudie untersucht individuelle und altersbedingte Veränderungen in unterschiedlichen Lebensbereichen

29. Januar 2016

Erstmals gibt eine Untersuchung unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung Auskunft darüber, wie und in welchen Bereichen sich unsere Risikobereitschaft mit dem Alter verändert. Die individuelle Risikobereitschaft kann demnach als Teil der Persönlichkeit gesehen werden, der veränderbar ist.

Auch wenn unser Hang zum Risiko im Laufe des Lebens im Durchschnitt abnimmt, so ist dieser besonders im jungen Erwachsenenalter bis etwa 30 Jahre sowie im höheren Alter ab etwa 65 Jahre veränderbar. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität Basel, der Yale University und der Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel SOEP, auf deren Daten die Untersuchung beruht. Sie zeigt, wie sich die individuelle Risikobereitschaft über eine Zeitspanne von bis zu zehn Jahren in verschiedenen Lebensbereichen verändert. Die beteiligten Wissenschaftler vermuten, dass insbesondere die frühen und späten Lebensphasen von individuellen kognitiven und biologischen Veränderungen geprägt sind sowie von einflussreichen Lebensereignissen – wie beispielsweise Heirat oder Renteneintritt. Das könnte Einfluss auf die individuelle Stabilität der Risikoneigung haben.

Bereitschaft, Fremden zu vertrauen bleibt gleich

Wie die im „Journal of Personality and Social Psychology“ veröffentlichte Studie zeigt, sind die Veränderungen vor allem in den Lebensbereichen Arbeit und Freizeit im Durchschnitt am deutlichsten. Dort sinkt die Bereitschaft, Risiken einzugehen, im Laufe des Lebens am stärksten. Auffällig ist, dass sich die Risikopräferenzen im sozialen Bereich kaum verändern. Dies bestätigt auch ein studienbegleitendes Verhaltensexperiment. Es zeigt, dass sich die Bereitschaft, fremden Menschen zu vertrauen, im Wesentlichen stabil bleibt. „Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass im Vergleich zu den Bereichen Arbeit und Freizeit die Wichtigkeit des sozialen Lebensbereiches über die gesamte Lebensspanne gleich bleibt oder sogar mit dem Alter durch das Ausdünnen sozialer Netzwerke zunimmt“, sagt die Erstautorin der Studie Anika Josef vom Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Insgesamt betrachtet, sind Frauen in allen Bereichen und über die Lebensspanne hinweg weniger risikofreudig als Männer.

Auf individueller Ebene analysierten die Wissenschaftler außerdem den Zusammenhang der Risikoneigung mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Extraversion. Dabei zeigt sich, dass die individuelle Risikoneigung mit den Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion und Offenheit für Erfahrungen zusammenhängt. „Das heißt, wird eine Person im Laufe ihres Lebens offener beziehungsweise extravertierter, so nimmt auch ihre Bereitschaft zu, Risiken einzugehen – und umgekehrt“, erklärt Co-Autor David Richter (SOEP).

Risikobereitschaft als Persönlichkeitsmerkmal

„Die Risikobereitschaft kann als Persönlichkeitsmerkmal gesehen werden, das im Laufe unseres Lebens Veränderungen unterliegt. Diese Veränderungen können von Lebensbereich zu Lebensbereich aber ganz unterschiedlich verlaufen“, ergänzt Co-Autor Rui Mata, Assistenzprofessor und Leiter des Zentrums für „Cognitive and Decision Sciences“ an der Universität Basel. „Interessant ist zudem, dass individuelle Veränderungen über die Zeit mit Veränderungen bekannter Persönlichkeitsmerkmale zusammenhängen“, sagt Rui Mata.

In die Studie gingen Längsschnittsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ein. Für den Zeitraum von 2004 bis 2014 wurden die Angaben von 44.076 Frauen und Männdern zwischen 18 und 85 Jahren analysiert. Die Befragten beantworteten in diesem Zeitraum bis zu neunmal Fragen zu ihrer generellen Risikobereitschaft. Zusätzlich gaben 11.903 Personen bis zu dreimal Auskunft, welche Einstellung sie zu Risiken in Bezug auf verschiedene Lebensbereiche wie Finanzen, Freizeit, Arbeit, Gesundheit, Soziales und Autofahren haben. Zusätzlich führten die Wissenschaftler mit Probanden mit weiteren SOEP-Teilnehmern Verhaltensexperimente durch, um Risikoverhalten und Vertrauen zu erfassen.

NIS/MEZ

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