Freundschaften zwischen Schimpansen basieren auf Vertrauen

Vertrauen und Freundschaft gehören nicht nur beim Menschen eng zusammen

14. Januar 2016

Dass eine echte Freundschaft unter Menschen sich durch gegenseitiges Vertrauen auszeichnet, scheint uns selbstverständlich. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben jetzt herausgefunden, dass dies auch auf befreundete Schimpansen zutrifft. Auf Vertrauen basierende Freundschaften scheinen also im Laufe der Evolution sehr viel früher entstanden zu sein, als bisher angenommen, und sind kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen.

„Menschen vertrauen häufig nur ihren Freunden, wenn es um entscheidende Ressourcen oder wichtige Geheimnisse geht“, sagt Jan Engelmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „In unserer Studie haben wir untersucht, ob Schimpansen vergleichbare Verhaltensmuster zeigen und gezielt den Artgenossen vertrauen, mit denen sie eine enge Bindung teilen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass dies tatsächlich der Fall ist und dass die Merkmale, die wir menschlichen Freundschaften heute zuschreiben, eine lange evolutionäre Geschichte besitzen. Sie lassen sich auch auf die sozialen Bindungen anderer Primaten übertragen.“

Frühere Studien zeigten bereits, dass Schimpansen Beziehungen miteinander haben, die Freundschaften ähneln, und zum Beispiel bevorzugt mit ausgewählten Artgenossen kooperieren. Die Frage, die sich stellte, war: Basieren diese Interaktionen auf Vertrauen? Um dies herauszufinden beobachteten Engelmann und Esther Herrmann über fünf Monate hinweg das Miteinander von 15 Schimpansen, die im "Sweetwaters Chimpanzee Sanctuary" in Kenia beheimatet sind. Basierend auf freundlichen Interaktionen, wie der gegenseitigen Fellpflege oder der gemeinsamen Nahrungsaufnahme,  ordneten die Forscher jedem Schimpansen einen besten „Freund“ und einen „Nicht-Freund“ zu.

Dann nahmen die Schimpansen an einer abgewandelten Version des so genannten "Human Trust Game", einem Vertrauensspiel, teil. In dem Spiel haben Schimpansen die Wahl, an einem „Kein Vertrauen“-Seil oder an einem „Vertrauen“-Seil zu ziehen. Wählten sie das „Kein Vertrauen“-Seil, erhielt der am Seil ziehende Schimpanse sofortigen Zugriff auf ein nicht sonderlich beliebtes Nahrungsmittel. Zog er stattdessen am „Vertrauen“-Seil, erhielt sein Gegenüber ein besonders attraktives Futterstück und die Möglichkeit, dem Schimpansen, der am Seil gezogen hatte, etwas Leckeres zurückzuschicken (oder nicht). In anderen Worten: Das „Vertrauen“-Seil stellte ein Win-Win-Potenzial dar, jedoch nur wenn der erste Schimpanse ausreichend darauf vertraute, dass der zweite Schimpanse etwas zurückschicken würde.

Die Ergebnisse dieser experimentellen Interaktionen zwischen Schimpansen zeigten, dass sie Freunden sehr viel häufiger Vertrauen schenkten als nicht befreundeten Tieren. Die Forscher erklären es wie folgt: „Schimpansen waren sehr viel eher bereit, ihrem Gegenüber freiwillig Ressourcen zu überlassen – also die riskantere, doch potenziell ertragreichere Option zu wählen – wenn es sich bei ihr oder ihm um einen Freund handelte.“

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die menschliche Freundschaft nicht so einzigartig ist, wie bisher angenommen. „Freundschaften beim Menschen sind keine Anomalie im Tierreich“, sagt Engelmann. „Andere Tiere, wie Schimpansen, gehen mit ausgewählten Individuen enge und langfristige Bindungen ein. Diese Tierfreundschaften weisen wichtige Parallelen zu engen Beziehungen zwischen Menschen auf. Ein gemeinsames Merkmal ist das Vertrauen, das Freunden in wichtigen Situationen gezielt entgegengebracht wird.“

Engelmann und Herrmann planen, die Ähnlichkeiten zwischen den engen Beziehungen der Menschen und der Schimpansen weiter zu erforschen. Dazu gehört auch die Frage, ob Schimpansen ihren Freunden eher Hilfe leisten als nicht befreundeten Artgenossen.

SJ, JE/HR

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