Elend und Not erhöhen Risikobereitschaft älterer Menschen

Studie untersucht Zusammenhang zwischen Lebensumständen und Umgang mit Risiken im Alter

Mit zunehmendem Alter nimmt normalerweise die Bereitschaft ab, ein körperliches, soziales, rechtliches oder finanzielles Risiko einzugehen. Das legen bisherige Studien nahe. Neue Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Basel und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zeigen nun, dass dies nicht für alle Menschen gilt. Die Risikobereitschaft wird auch von Armut und Einkommensunterschieden bestimmt.

In den meisten Ländern nimmt die Neigung, im Alltag Risiken einzugehen, mit zunehmendem Alter ab. So zum Beispiel in Deutschland, Russland oder den USA. In diesen Ländern sind zudem Männer im Durchschnitt deutlich risikobereiter als Frauen. In Ländern, wie Nigeria, Mali und Pakistan, bleibt die Risikobereitschaft dagegen im Alter konstant, zudem gibt es weniger geschlechtsspezifische Unterschiede. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universität Basel und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, deren Studie auf Daten aus 77 Ländern basiert.

Da die Risikobereitschaft nicht überall mit steigendem Alter sinkt, verglichen die Wissenschaftler zusätzlich die vorherrschenden Lebensumstände in diesen Ländern miteinander – so beispielsweise die wirtschaftliche und soziale Armut, die Mordrate, das Pro-Kopf-Einkommen oder auch die Einkommensungleichheit. Die Ergebnisse zeigten einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Situation in einem Land und der Neigung der Einwohner, Risiken einzugehen. Ob Menschen dazu neigen, sich auch im Alter Risiken auszusetzen, hängt also von den äußeren Umständen ab.

Konkurrenz könnte Risikobereitschaft erhöhen

„Wir konnten zeigen, dass in Ländern mit großer Armut und schwierigen Lebensumständen die Neigung zur Risikobereitschaft auch im Alter unverändert hoch bleibt“, sagt Rui Mata, Assistenzprofessor und Leiter des Zentrums für „Cognitive and Decision Sciences“ an der Universität Basel. „Ein Grund könnte sein, dass die Menschen in Ländern, in denen die Ressourcen knapp sind, stärker miteinander konkurrieren müssen, als Menschen in reichen und sozialen Ländern.“ Dies gelte für Männer wie Frauen gleichermaßen und erkläre die geringeren Geschlechterunterschiede in diesen Ländern.

„Die Ergebnisse unterstreichen, dass für die Untersuchung von Phänomenen menschlicher Entwicklung das Zusammenspiel von Mensch und Umwelt berücksichtigt werden muss“, sagt der Autor Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs „Adaptive Rationalität“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. „Das bedeutet, dass die individuelle Risikoneigung nicht, wie oftmals in der Ökonomie unterstellt, als konstant in der Zeit angesehen werden kann. Unsere Studie zeigt vielmehr, dass Menschen – und dies gilt über viele Kulturen hinweg – dazu neigen, mit zunehmenden Altern weniger Risiken einzugehen. Gleichzeitig hängt diese Anpassungsleistung aber auch von den lokalen Lebensbedingungen und existentiellen Erfordernissen ab“, betont Ralph Hertwig.

Für ihre Studie analysierten die Forscher Daten des „World Values Survey“, einer internationalen Erhebung, die Wertevorstellungen und Anschauungen von Menschen aus der ganzen Welt zusammenfasst. Dafür verglichen sie insgesamt 147.118 Antworten von Menschen im Alter zwischen 15 und 99 Jahren aus insgesamt 77 Ländern. Im Fokus der Untersuchung stand die Neigung zur Risikobereitschaft. Jeder Befragte sollte angeben, wie sehr er zu abenteuerlustigen und riskante Aktivitäten neigt. Dafür nutzten die Befragten eine Skala von eins (das trifft voll und ganz auf mich zu), bis sechs (das trifft überhaupt nicht auf mich zu).

KS/MEZ

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