Der Staub, der aus dem Weltall kommt

Forscher werten Messungen der Raumsonde Ulysses an interstellarem Staub aus

20. Oktober 2015

Als die Sonnensonde Ulysses 1990 auf ihre 19 Jahre währende Erkundungstour aufbrach, richteten die beteiligten Forscher ihr Augenmerk nicht nur auf unser Zentralgestirn, sondern auch auf deutlich kleinere Objekte: interstellare Staubteilchen, die aus den Tiefen des Weltalls ins Sonnensystem vordringen. Als erste Mission hatte Ulysses unter anderem das Ziel, mit seinem Staubdetektor die winzigen Fremdlinge direkt zu vermessen, und spürte mehr als 900 von ihnen auf. Eine umfassende Analyse dieses bisher größten Datensatzes interstellarer Staubteilchen legen Wissenschaftler unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen und des International Space Science Institute in Bern vor. Ihre Bilanz: Im Einflussbereich der Sonne können sich Flugrichtung und -geschwindigkeit der Teilchen stärker ändern als bisher gedacht.

Unaufhörlich bewegt sich unser Sonnensystem durch die Milchstraße. Seit etwa 100.000 Jahren durchquert es dabei die Lokale Flocke – eine Wolke aus interstellarer Materie, die etwa 30 Lichtjahre durchmisst. Mikroskopisch kleine Staubteilchen aus dieser Wolke bahnen sich ihren Weg bis ins Innere unseres Sonnensystems. Für Forscher sind sie eine Art Botschafter aus den Tiefen des Alls und enthalten grundlegende Informationen über unsere entferntere kosmische Heimat.

Mehrere Raumsonden haben die „zugereisten“ Teilchen in der Vergangenheit aufgespürt und charakterisiert. Zu ihnen zählen Galileo und Cassini, welche die Gasplaneten Jupiter und Saturn zum Ziel hatten, sowie die Mission Stardust, die im Jahr 2006 eingefangene interstellare Staubteilchen zur Erde brachte.

„Die Daten von Ulysses, die wir jetzt erstmals in ihrer Gesamtheit ausgewertet haben, sind einzigartig“, sagt Harald Krüger vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Principal Investigator des Staubdetektors. 16 Jahre lang untersuchte das Instrument an Bord von Ulysses fast ohne Unterbrechungen den Teilchenstrom von außerhalb unseres Sonnensystems. Im Vergleich dazu lieferten andere Missionen nur Momentaufnahmen.

„Zudem war Ulysses‘ Beobachtungsposition optimal“, sagt Veerle Sterken. Die Wissenschaftlerin vom International Space Science Institute in Bern leitete zusammen mit Harald Krüger die Analysen. Ulysses ist die bisher einzige Raumsonde, welche die Bahnebene der Planeten verlassen hat und über die Pole der Sonne geflogen ist. Während interplanetarer Staub, der innerhalb unseres Planetensystems entsteht, in der Ebene der Planetenbahnen konzentriert ist, lässt sich der interstellare Staub außerhalb dieser Ebene gut messen.

„Im Einflussbereich der Sonne und des interplanetaren Magnetfelds, das die Sonne erzeugt, verändern die Staubteilchen ihre Eigenschaften“, erklärt Peter Strub vom Göttinger Max-Planck-Institut. In Abhängigkeit von der Masse der Teilchen wirken sich die Anziehungskraft und der Strahlungsdruck der Sonne sowie die Magnetfelder im Planetensystem aus und beeinflussen so deren Flugrichtung und -geschwindigkeit. „Da die Sonne – und besonders ihre Magnetfelder – einem etwa elfjährigen Zyklus unterliegt, können nur langjährige Messungen diesen Einfluss wirklich greifbar machen“, so Strub.

Den Daten der mehr als 900 Teilchen, die das Staubinstrument von Ulysses detektierte, haben die Forscher die bisher detailliertesten Informationen über Masse, Größe und Flugrichtung der interstellaren Wanderer entnommen. Computersimulationen halfen dabei, die verschiedenen Einflüsse der Sonne zu verstehen und voneinander zu trennen.

So bestätigten sich frühere Analysen, wonach der interstellare Staub stets in ungefähr derselben Richtung das Sonnensystem durchquert. Sie entspricht der Richtung, in der sich das Sonnensystem und die Lokale Flocke relativ zueinander bewegen. „Kleinere Abweichungen von dieser Hauptrichtung hängen von der Masse der Teilchen und vom Einfluss der Sonne ab“, sagt Peter Strub.

Im Jahr 2005 allerdings zeigte sich ein anderes Bild: Die weitgereisten Teilchen erreichten den Staubdetektor aus einer verschobenen Richtung. „Unsere Simulationen legen nun nahe, dass auch dieser Effekt auf die Schwankungen des Sonnenmagnetfelds zurückzuführen ist“, erklärt Veerle Sterken. „Veränderte Ausgangsbedingungen in der Lokalen Flocke sind vermutlich nicht der Grund.“

Auch Größe und Beschaffenheit der Teilchen nahmen die Forscher unter die Lupe. Während die meisten der Staubpartikel im Durchmesser zwischen einem halben und 0,05 Mikrometern (Tausendstel Millimeter) messen, gibt es auch einige auffallend große Exemplare von mehreren Mikrometern Größe. „Bemühungen, die Staubteilchen außerhalb unseres Sonnensystems von der Erde aus zu beobachten und zu charakterisieren, liefern keine derart großen Teilchen“, sagt Harald Krüger.

Im Gegenzug finden sich die sehr kleinen Teilchen, die Astronomen mit Teleskopen typischerweise nachweisen, nicht in den Ulysses-Messungen. Wie Computersimulationen zeigen, laden sich diese Winzlinge im Vergleich zu ihren Massen im Einflussbereich der Sonne stark elektrisch auf, werden abgelenkt und so aus dem Hauptteilchenstrom herausgefiltert.

Die Simulationen deuten zudem darauf hin, dass der exotische Staub eine geringe Dichte aufweist und somit porös ist. „Die innere Struktur der Teilchen kann der Ulysses-Staubdetektor zwar nicht messen“, so Sterken. „Am Computer können wir jedoch verschiedene Dichten ausprobieren. Mit porösen Teilchen lassen sich die Messdaten von Ulysses am besten rekonstruieren.“

Die Zusammensetzung der interstellaren Partikel konnten die Forscher mit dem Staubinstrument auf Ulysses nicht untersuchen. Dies ist jedoch mit dem am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg entwickelten Nachfolgeinstrument auf der Cassini-Sonde möglich. Diese Messungen werden ganz neue Einblicke in die Entstehungsbedingungen und die Entwicklung der interstellaren Teilchen gewähren.

Die Messungen interstellarer Staubteilchen im Sonnensystem erlauben somit einen Blick in die Lokale Flocke, die sich sonst nur durch Beobachtungen von der Erde aus untersuchen lässt. Bei zukünftigen Ausschreibungen der europäischen Weltraumagentur ESA wollen sich Staubforscher mit eigenen Vorschlägen für Missionen zur Untersuchung von interstellarem Staub beteiligen.

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Die Weltraumission Ulysses war ein Gemeinschaftsprojekt der europäischen Weltraumbehörde ESA und der US-amerikanischen NASA. Der Staubdetektor wurde am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gebaut und betrieben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das International Space Science Institute in Bern haben die Auswertung der Langzeitmessungen von interstellarem Staub ermöglicht.

BK / HOR

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