Wort und Sinn näher als gedacht

Laute und Formen in der Sprache hängen oft mit der Bedeutung zusammen

1. Oktober 2015

Er ist so etwas wie ein Eckpfeiler der theoretischen Linguistik: der Grundsatz der Arbitrarität, nach dem die Form eines Wortes nichts über dessen Bedeutung aussagt. Zunehmend stellt sich heraus, dass dieser Grundsatz ergänzungsbedürftig ist. Laute und Formen von Wörtern beinhalten häufiger als bisher angenommen Aspekte ihrer Bedeutung und ihrer grammatischen Funktion. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die gerade von einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung von Max-Planck-Wissenschaftlern veröffentlicht wurde.

„Die Arbitrarität ist ein wichtiger Grundsatz. Aber er liefert eben keine vollständige Erklärung, wie Wörter funktionieren”, sagt Mark Dingemanse, Sprachwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen und Hauptautor der Studie. Die Forscher sammelten Erkenntnisse aus verschiedenen Bereichen der Kognitionswissenschaft, die nahelegen, dass der Grundsatz der Arbitrarität mindestens um zwei weitere Ansätze ergänzt werden muss.

Der eine ist die "Ikonizität", das heißt, die Form der Wörter weist auf ihre Bedeutung hin. Ikonizität ist im Wortschatz stärker verbreitet als oft angenommen, am bekanntesten in lautmalerischen Wörtern, wie sie in vielen Weltsprachen vorkommen. Der andere ist die "Systematizität", die eine statistische Beziehung zwischen den Lautmustern einer Gruppe von Wörtern und ihrem grammatikalischen Gebrauch bezeichnet. Untersuchungen der Co-Autoren Padraic Monaghan und Morten Christiansen haben ergeben, dass subtile Lautmuster in Wörtern der japanischen, englischen, niederländischen und französischen Sprache den Sprechern helfen können, Substantive von Verben zu unterscheiden.

Vielfalt an Perspektiven

Zentrales Anliegen der Untersuchung ist, potenzielle Kausalbeziehungen stärker zu berücksichtigen und zu erklären, wie Ikonizität, Systematizität und Arbitrarität in der Sprache nebeneinander bestehen können. Umfassende empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass jede Form bestimmte Vorteile bietet für die Verarbeitung und das Lernen von Sprache sowie für die Kommunikation selbst. Erkenntnisse aus dem Bereich der kulturellen Evolution könnten dazu beitragen, die drei Muster im Wortschatz zu erklären, vermutet das internationale Autorenteam.

Die Studie veröffentlichte Dingemanse gemeinsam mit Damián Blasi vom MPI für Mathematik in den Naturwissenschaften und dem MPI für evolutionäre Anthropologie, Gary Lupyan von der University of Wisconsin-Madison, Morten Christiansen von der Cornell University und der University of Southern Denmark sowie Padraic Monaghan von der Lancaster University. Die Autoren decken ein breites Feld von Forschungsgebieten in den Kognitionswissenschaften ab – von der Linguistik und der experimentellen Psychologie bis hin zur kulturellen Evolution, Mathematik und Sprachtypologie. Diese interdisziplinäre Herangehensweise sei sehr wertvoll, sagt Damián Blasi: „Die menschliche Sprache ist ein fundamentales Thema für die gesamten Kognitionswissenschaften. Um sie umfassend zu erforschen, brauchen wir eine Vielfalt an Perspektiven.“

MD/MEZ

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