Späte Kinder machen glücklich

Studie zeigt Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Aufschub der Familiengründung

Kinder können ihre Eltern in Entzücken versetzen und ihnen kurze Zeit später den letzten Nerv rauben. Insofern gibt es auf die Frage, ob Kinder ihre Eltern glücklicher machen, sehr unterschiedliche Antworten. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Zufriedenheit von Eltern unter anderem mit der Anzahl der Kinder sowie dem Zeitpunkt der Familiengründung zusammenhängt.

„Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise“, heißt einer der berühmtesten ersten Sätze in der Weltliteratur. Zu der Frage, warum das so ist, hat Lew Tolstoi einen gut tausend Seiten langen Roman geschrieben. Etwas enger in der Fragestellung, dafür sehr präzise ist die Studie von Mikko Myrskylä vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock und seiner Kollegin Rachel Margolis von der University of Western Ontario zu dem Thema. Die Demografen konnten mit Hilfe der beiden längsten Paneldatensätze der Welt, dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) aus Deutschland und dem British Household Panel Survey (BHPS), die Zufriedenheit von insgesamt über 7000 befragten Personen bereits vor der Geburt erster Kinder und weit darüber hinaus analysieren. Sie verglichen die Zufriedenheit verschiedener Elternteile untereinander und ebenso, wie sich die Zufriedenheit einer Person im Laufe des Lebens und nach der Geburt eines oder mehrerer Kinder verändert hat. Dabei prüften sie auch, ob andere Faktoren, wie das Alter bei der Geburt, die Bildung, das Einkommen oder der Partnerschaftsstatus einen Einfluss auf die Zufriedenheit haben.

Ganz allgemein zeigte sich zunächst einmal, dass die Ergebnisse für Großbritannien und Deutschland im Wesentlichen relativ ähnlich sind: Die Zufriedenheit steigt bereits ein Jahr vor Geburt des Kindes an, bleibt im Jahr der Geburt hoch und sinkt dann relativ schnell wieder auf das Niveau, das drei bis fünf Jahre vor der Geburt ermittelt wurde. Dabei gehen eine gute Gesundheit, eine Arbeitsstelle, ein hohes Einkommen und gute Bildung generell mit höherer Zufriedenheit einher. Zudem steigt die Zufriedenheit von Frauen vor und kurz nach der Geburt stärker an als bei den Männern. Über ein Jahr nach der Geburt aber ist auch der Rückgang der Zufriedenheit stärker als bei den Vätern.

Neben diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden, die auf eine unterschiedliche starke Einbindung in die Kinderbetreuung sowie auf hormonelle Umstellungen zurückzuführen sein könnten, fällt vor allem ein weiterer wichtiger Faktor ins Auge: Die Zufriedenheit nach der Geburt eines Kindes hängt sehr stark vom Alter der Eltern ab. Bei jungen Eltern im Alter von 18 bis 22 Jahren sinkt die Zufriedenheit demnach bereits vor der Geburt des Kindes und steigt auch im Jahr der Geburt nicht über das Ausgangslevel hinaus. Bei den 23- bis 34-Jährigen gibt es vor und im Jahr der Geburt einen Anstieg, danach aber einen sehr schnellen Abfall der Zufriedenheit bis zum ursprünglichen Niveau oder sogar darunter. Eltern über 34 Jahren haben einen Anstieg vor und während des Jahres der Geburt und danach ein kleines Tief. Insgesamt aber bleibt das Zufriedenheitslevel stets über dem Ausgangsniveau.

Der zweite große Glücks-Unterschied findet sich bei der Anzahl der Kinder: Während der Verlauf der Zufriedenheit beim zweiten Kind auf etwas niedrigerem Niveau, aber sehr ähnlich zum ersten Kind ist, hat die Geburt eines dritten Kindes keinen positiven Einfluss mehr auf die Zufriedenheit der Eltern. Es scheint sogar eher negative Auswirkungen zu haben, wobei die Abnahme der Zufriedenheit nicht statistisch signifikant ist. Diese Ergebnisse hatten auch Bestand, wenn die Demografen Änderungen beim Job, beim Einkommen, der Gesundheit oder dem Familienstatus berücksichtigten.

Damit entspricht das Muster der Zufriedenheit in erstaunlich exakter Weise dem Geburtenverhalten der vergangenen Jahre: dem Trend zur späten Familiengründung und dem Rückgang der 3-, 4- oder 5-Kind-Familien. Diese für Industrienationen so typische Entwicklung wurde bisher zumeist mit individuellen Werten oder mit der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie erklärt. Die subjektive Zufriedenheit hat derweil nur wenig Aufmerksamkeit erhalten, obwohl sie mit den hier vorgestellten Ergebnissen eine gute Erklärungsgrundlage liefern könnte: Wer bei anderen beobachtet, dass es die Zufriedenheit steigert, wenn die Familiengründung in eine spätere Lebensphase mit größerer sozialer und finanzieller Sicherheit aufgeschoben wird und nicht mehr als zwei Kinder geboren werden, könnte sich ähnlich verhalten.

Zukünftige Studien könnten diese Zusammenhänge genauer untersuchen und auch hier nicht erfasste Umstände wie Adoptionen, Fehlgeburten und nicht zuletzt auch die Qualität einer Partnerschaft berücksichtigen. Gerade letztere könnte einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Anzahl der Kinder und die Zufriedenheit der Eltern haben. Anna Karenina hatte schließlich auch zwei Kinder. Glücklich machen konnten die sie bekanntermaßen nicht.

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