Ein Quasar-Quartett gibt Rätsel auf

Astronomen müssen Modelle über die Entwicklung großräumiger kosmischer Strukturen überdenken

14. Mai 2015
Mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii haben Astronomen um Joseph Hennawi vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie das erste Quasar-Quartett entdeckt: vier seltene aktive schwarze Löcher in direkter Nachbarschaft zueinander. Das Quartett befindet sich in einer der massereichsten Strukturen, die je im fernen Universum nachgewiesen wurden, und ist von einem Nebel aus kaltem Gas umgeben. Handelt es sich nicht um eine Zufallsentdeckung, müssten die Kosmologen ihre Modelle über die Entwicklung von Quasaren und der großräumigen kosmischen Strukturen noch einmal überdenken.

Quasare repräsentieren ein vergleichsweise kurzes Stadium der Galaxienentwicklung, das durchschnittlich nur zehn Millionen Jahre dauert. Angetrieben wird ein solches kosmisches Kraftwerk durch den Einfall von Materie auf das supermassereiche schwarze Loch im Herzen des Milchstraßensystems. Während dieser Phase gehört der Galaxienkern zu den hellsten Objekten im Universum überhaupt – er sendet mehr als hundert Mal mehr Licht aus als der gesamte Rest der Galaxie mit seinen immerhin bis zu Hunderten von Milliarden Sternen.

Weil Quasare so selten sind, liegen die bekannten Exemplare weit voneinander entfernt, mit typischen Abständen von einigen hundert Millionen Lichtjahren. Die Wahrscheinlichkeit, durch Zufall ein Quasar-Quartett zu finden, schätzen die Forscher als äußerst gering ein: auf ungefähr eins zu zehn Millionen.

Wie kam es trotz der geringen Wahrscheinlichkeit zu dieser Entdeckung? Hier dürften die besonderen Eigenschaften der Raumregion ins Spiel kommen, in der das Team unter Leitung von Joseph Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie die vier Quasare entdeckt hat.

Eingebettet sind die jungen Galaxien in einen sogenannten Lyman-α -Nebel – eine gigantische Wolke aus kühlem, vergleichsweise dichtem Wasserstoffgas, die durch die Strahlung der Quasare selbst zum Leuchten angeregt wird. Hennawi und Kollegen tauften dieses Gebilde den „Jackpot-Nebel“.

Die Raumregion enthält besonders viel Materie. „Wir finden dort mehrere hundert Mal so viele Galaxien, wie man in dieser Distanz erwarten würde“, sagt J. Xavier Prochaska von der University of California Santa Cruz, Hauptantragsteller bei den Beobachtungen mit dem 10-Meter-Keck-Teleskop.

Mit dieser ungewöhnlich großen Zahl an Milchstraßen ähnelt das System den Galaxienhaufen, in denen im heutigen Universum bis zu 1000 Milchstraßen zusammengeschlossen sein können. Allerdings ist die Raumregion soweit von uns entfernt, dass ihr Licht mehr als zehn Milliarden Jahre benötigt hat, um uns zu erreichen.

Das Bild zeigt diesen Bereich daher so, wie er vor mehr als zehn Milliarden Jahren aussah, weniger als vier Milliarden Jahre nach dem Urknall. Es handelt sich demnach um einen sogenannten Proto-Galaxienhaufen, Vorläufer eines der massereichsten Galaxienhaufen im heutigen Universum.

Um ihren unwahrscheinlichen Zufallsfund zu verstehen, versuchten die Astronomen, alle diese ungewöhnlichen Eigenschaften zu berücksichtigen. Hennawi erklärt: „Wenn man etwas entdeckt, das dem heutigen Wissensstand nach extrem unwahrscheinlich ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man hatte einfach nur gewaltiges Glück. Oder es ist Zeit, die gängigen Theorien noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen.“

Die Forscher vermuten, dass es physikalische Prozesse gibt, welche die Bildung von Quasaren unter bestimmten kosmischen Umweltbedingungen stark begünstigen. Viele theoretische Modelle sagen vorher, dass Quasar-Aktivität ausgelöst werden sollte, wenn Galaxien zusammenstoßen und miteinander verschmelzen; derart gewaltsame Wechselwirkungen, so die Argumentation, könnten höchst effektiv Gas in das zentrale schwarze Loch umlenken.

Solche Zusammenstöße sollten in einem dichten Protohaufen voller Galaxien deutlich wahrscheinlicher sein als anderswo – analog dazu, dass es auf einem überfüllten Marktplatz ungleich wahrscheinlicher ist, von einem anderen Menschen angerempelt zu werden als auf einem menschenleeren Feld.

„Auch der gigantische Emissionsnebel dürfte ein wichtiger Puzzlestein sein, denn er zeigt, dass es dort eine gewaltige Mengen an dichten, kühlen Gas gibt“, sagt Fabrizio Arrigoni-Battaia, ein Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie, der an der Entdeckung beteiligt war.

Supermassereiche schwarze Löcher werden nur dann zu Quasaren, wenn hinreichend viel Gas auf das schwarze Loch fällt. Und dafür wiederum könnte eine Umgebung, die zumindest auf großen Skalen reich an dem nötigen Gas ist, günstige Bedingungen bieten.

Andererseits würde man nicht erwarten, dass ein Protohaufen als Lyman-α-Nebel in Erscheinung tritt. Sebastiano Cantalupo von der ETH Zürich, einer der Koautoren, meint: „Unsere heutigen Modelle der kosmischen Strukturbildung sagen aufgrund von Supercomputer-Simulationen vorher, dass massereiche Strukturen im frühen Universum mit extrem dünnen Gas gefüllt sein sollten, mit Temperaturen von rund zehn Millionen Grad.“ Das Gas im Jackpot-Nebel sei im Vergleich dazu 1000-fach dichter und 1000-fach kühler.

Joseph Hennawi abschließend: „Extrem seltene Ereignisse können lang gediente Theorien auf den Kopf stellen.“ So könnte auch die Entdeckung des ersten Quasar-Quartetts die Kosmologen dazu zwingen, das heutige Bild von der Entstehung von Quasaren und von den massereichsten Strukturen im All zu überdenken.

HOR / MP

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