Vesta – Ceres` kleine Schwester

Der Asteroid ist steiniger und mineralogisch abwechslungsreicher als das aktuelle Ziel der Dawn-Mission

Nur etwa 60 Millionen Kilometer näher an der Sonne als Ceres zieht ein weiterer großer Brocken im fernen Asteroidengürtel seine Bahnen: Vesta. Mit einem Durchmesser von etwa 530 Kilometern ist sie zwar etwas zu klein, um wie Ceres als Zwergplanet zu gelten. Zum zweitschwersten und drittgrößten Körper in dieser Gegend zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter reicht es dennoch. Was Ceres in den nächsten Monaten bevorsteht, hat ihre kleine Schwester bereits hinter sich: Als erstes Ziel der US-amerikanischen Mission Dawn erlebte Vesta von Juli 2011 bis September 2012 eine mehr als einjährige Dauerüberwachung durch die drei Messinstrumente an Bord. Dabei stellte sich heraus: Vesta war ursprünglich auf dem besten Wege, sich zu einem Planeten zu entwickeln.

Text: Birgit Krummheuer

Von außen betrachtet, mutet Vesta an wie ein typischer Asteroid: ungewöhnlich groß zwar, aber von bizarrer, eher unregelmäßiger Gestalt. Ganz anders als die nahezu kugelförmigen Zwergplaneten Ceres, Pluto, Haumea, Makemake und Eris. Wie die mehreren zehntausend Aufnahmen zeigen, die im Laufe von Dawns Fotoshooting entstanden, weicht Vesta besonders auf der Südhalbkugel von den idealen Proportionen eines Zwergplaneten ab: Zwei gewaltige Einschläge rissen dort riesige Krater ins Gestein.

Der 22 Kilometer hohe Zentralberg im jüngeren der beiden Becken und tiefe, parallel verlaufende Furchen in Äquatornähe zeugen von der Wucht des jeweiligen Aufpralls. Das ausgeschlagene Material bildet gar eine eigene Klasse von Asteroiden: die sogenannten Vestoide, von denen einige Bruchstücke gelegentlich die Bahn der Erde kreuzen und dann als Meteoriten zu Boden fallen.

Dass Vesta dennoch mehr zu bieten hat als die überwiegende Mehrheit ihrer kleineren Asteroiden-Geschwister, verdankt sie unter anderem ihren inneren Werten: Messungen der Raumsonde Dawn zeigen, dass der Riesenasteroid zwiebelartig aufgebaut ist wie die Erde − aus einem Eisen-Nickel-Kern, Gesteinsmantel und Kruste. Vor 4,6 Milliarden Jahren muss Vesta somit ein heißer, geschmolzener Körper gewesen sein. Schwere Stoffe wie Eisen konnten ins Innere sinken, leichtere Elemente ordneten sich weiter außen an.

„Wir gehen davon aus, dass Vesta begonnen hatte, sich zu einem Planeten zu entwickeln. Wäre es ihr gelungen, immer mehr Material anzusammeln und weiter zu wachsen, wäre sie heute möglicherweise neben Merkur, Venus, Erde und Mars der fünfte innere Planet“, sagt Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, wissenschaftlicher Leiter des Kamerateams von Dawn. Der Einfluss des gleichzeitig entstehenden Gasriesen Jupiter verhinderte dies jedoch.

Trotz der Flut an Messdaten, die Dawn vor Ort sammeln konnte, bleibt ein genauer Blick in Vestas Inneres schwierig. „Vieles spricht jedoch dafür, dass die äußere Kruste ausgesprochen dick ist“, so Nathues. Gar 30 bis 80 Kilometer könnte sie messen. Das wären mehr als elf  Prozent ihres Radius. Zum Vergleich: Die Kruste der deutlich größeren Erde hat eine ähnliche Dicke.

Entscheidende Hinweise liefern die riesigen Krater der Südhalbkugel. Trotz ihrer Tiefe fanden die Forscher dort kein Olivin – ein Mineral, das typischerweise den inneren Gesteinsmantel ausmacht. Die Einschläge haben offenbar nur die  Kruste verletzt, nicht aber tieferliegende Schichten freigelegt.

Bei genauerer Betrachtung unterscheidet sich Vesta jedoch auch an der Oberfläche deutlich von den allermeisten der Millionen kleineren und größeren Brocken, die den Asteroidengürtel bevölkern. Diese in der Fachsprache „primitiv“ genannten Körper zeichnen sich in der Regel durch eine gewisse Eintönigkeit aus: kleine Welten in Grau, soweit das Auge reicht. Vesta hingegen ist anders.

Auf der Oberfläche des Asteroiden finden sich Gebiete, die Licht ebenso effizient reflektieren wie Schnee – neben solchen, die so schwarz sind wie Ruß. In Falschfarbenbildern, welche die Reflektivität der Oberfläche in verschiedenen Wellenlängenbereichen darstellen, zeigt sich Vesta als bunt schillernder Körper mit einer reichen Vielfalt unterschiedlicher Mineralien. „Vestas ausgesprochen abwechslungsreiche Oberflächengeologie erinnert in der Tat eher an einen Planeten“, sagt Max-Planck-Forscher Nathues.

Auffällig ist besonders das dunkle Material, das sich in erster Linie am Rand des älteren, großen Einschlagsbeckens auf der Südhalbkugel sowie in der Nähe und im Innern weiterer Krater findet. Wie Auswertungen der wissenschaftlichen Kameras und des Spektrometers VIR an Bord von Dawn nahelegen, ist dieses Material nicht nur reich an Kohlenstoff, sondern enthält auch das Mineral Serpentin.

„Bei hohen Temperaturen, wie sie in Vestas Kindertagen vorgeherrscht haben müssen, kann sich Serpentin nicht bilden“, so Andreas Nathues. Die Forscher schließen, dass das dunkle Material nicht ursprünglich zu Vesta gehörte, sondern vor allem durch den älteren der beiden großen Einschläge von außen eingetragen wurde.

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass Einschläge dieser Art auch andere Körper im Sonnensystem mit kohlenstoffreichem Material versorgten“, sagt Nathues. Die Forscher wollen verstehen, wie unsere kosmische Heimat in Laufe der Jahrmilliarden zu dem Ort wurde, den wir heute kennen. Welche Stoffe lagen in der Geburtsstunde des Sonnensystems vor? Und wo? Und wie verteilten sie sich später um?

„Obwohl Vesta nur ein einziger, vergleichsweise kleiner Körper ist, kann sie entscheidend dazu beitragen, dieses Puzzle Stück für Stück zusammenzusetzen“, sagt Nathues. Da der Riesenasteroid in einer frühen Phase der Planetenentstehung steckenblieb, sind in ihm bis zu einem gewissen Grad die Verhältnisse von vor 4,6 Milliarden Jahren konserviert. Vesta erlaubt somit einen Blick zurück in die Vergangenheit.

Ob Vesta auch Wasser enthält, wird ebenfalls untersucht. Unter anderem ihre hohe Dichte spricht eindeutig gegen ausgedehnte Reservoirs im Innern. Allerdings finden sich an einigen Kraterwänden Systeme aus Rillen und Rinnen, die anmuten, als hätten sie einst Wasser geführt. Ähnliche Strukturen sind etwa aus Kratern auf dem Mars oder vom Barringer-Krater im US-Bundesstaat Arizona bekannt und werden dort mit Wasser in Verbindung gebracht.

Wissenschaftler mutmaßen, dass Vesta zeitweise von außen mit Wasser versorgt wurde und dass unter ihrer Oberfläche einige kleine eisige Stellen überdauern konnten. Die Hitze eines Einschlags an diesen Stellen könnte dann kurzzeitig einen Strom aus Schmelzwasser freisetzen.

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