Nicht jedes Netzwerk sichert Frauen den beruflichen Erfolg

Je diverser die Arbeitsteams, desto besser für die Karriere von Schauspielerinnen

16. März 2015

Networking ist wichtig für die Karriere, das gilt heute für viele Beschäftigungsfelder. Doch auch Art und Mitgliederstruktur eines Netzwerks können über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, wie eine jetzt in der international führenden Fachzeitschrift American Sociological Review veröffentlichte Studie zeigt. Besonders Frauen müssen ihre Netzwerke sorgsam auswählen, wenn sie mit den männlichen Kollegen Schritt halten wollen. Für seine innovative Studie wertete MPIfG-Forscher Mark Lutter „Big Data“ aus: das riesige Datenvolumen der Internet Movie Database IMDb.

Profitieren Frauen von beruflichen Netzwerken und Kontakten mit Arbeitskollegen auf andere Weise als Männer? Tatsächlich sind Frauen in flexiblen, durch Arbeit in Projekten und Teams gekennzeichneten Branchen beruflich weit weniger erfolgreich, wenn sie ihre Karriere in sehr festen und homogenen Netzwerken aufbauen; dagegen erhöht sich ihr Erfolg sehr deutlich, wenn sie sich häufiger in offenen und heterogenen Gruppen bewegen – mit Mitgliedern mit verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen. In diesem Fall haben sie die gleichen Karrierechancen wie ihre männlichen Kollegen. Dies zeigt eine aktuelle Studie von Dr. Mark Lutter, Leiter der Forschungsgruppe „Transnationale Diffusion von Innovationen“ am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG). Am Beispiel des amerikanischen Schauspielermarktes belegt die Studie einen in der Theorie schon lange vermuteten Zusammenhang: dass Frauen und Männer unterschiedliche Karriereerfolge haben, je nachdem in welche Beziehungsnetzwerke sie eingebunden sind.

„Die erfolgreiche Karriere von Frauen hält länger an, wenn sie überwiegend in Teams arbeiten, deren Mitglieder einander möglichst unähnlich sind“, stellt der Sozialwissenschaftler fest. Frauen profitieren dann von der Vielfalt und Offenheit ihrer Beziehungsnetzwerke. Die Karrierechancen von Schauspielerinnen etwa drohen zu sinken, wenn sie in homogenen Teams arbeiten. Weisen diese Netzwerke noch dazu einen hohen Anteil von Männern in Führungspositionen – Regisseure und Produzenten – auf, oder arbeiten Frauen in männlich dominierten Filmgenres, gilt dies umso mehr. Noch verstärkt wird dieser Effekt, wenn die Schauspielerinnen am Anfang ihrer Karriere stehen.

Für seine Studie analysierte Lutter berufliche Karrieredaten von etwa 100.000 Filmschaffenden in der US-amerikanischen Filmindustrie mit mehr als einer Million Engagements in nahezu 400.000 Filmproduktionen. Die Daten stammen aus einer Internet-Filmdatenbank: Die Internet Movie Database (IMDb) erfasst alle Filme, die seit Beginn der Kinematografie produziert wurden, sowie Informationen über alle daran beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler und die Netzwerke, in denen sie arbeiteten. Um die engmaschigen Netzwerke zu beschreiben, hat Lutter für alle Filmproduktionen mit einem Kohäsionsmaß den Anteil wiederholt auftretender Cliquen im Produktionsteam berechnet. Dabei zeigte sich, dass Frauen, die häufiger in diesen kohäsiven Teams mit einem hohen Anteil wiederholt auftretender Cliquen arbeiteten, einen deutlich geringeren Karriereerfolg als Männer erzielten. Darüber hinaus erfasste Lutter unter anderem mithilfe von Distanzmaßen die durchschnittliche Ähnlichkeit aller Teammitglieder, basierend auf den Erfahrungshintergründen aller Personen. Hier zeigte sich, dass Frauen ihre Karrieredauer erhöhten, wenn sie häufiger in Teams arbeiteten, deren Mitglieder einander möglichst unähnlich waren, das Team also durch eine möglichst breite Personenvielfalt geprägt war.

„Im Vergleich zu Männern werden Frauen möglicherweise weit weniger stark durch Mentoren gefördert. Mit ihren beruflichen Netzwerken verfügen sie zudem über weniger Kontakte zu machtvollen Positionsträgern“, so Studienautor Lutter. Damit werden sie in homogenen Netzen von wichtigen Informationsquellen über zukünftige Projekte ausgeschlossen. Bereits durch andere Faktoren gegebene Benachteiligungen von Frauen werden dadurch eher noch verstärkt.

Dies gilt in besonderem Maß für Arbeitsmärkte, die auf Projektarbeit basieren und in denen Stellen eher über informelle Kanäle und persönliche Netzwerke vermittelt werden. „Statt sich also auf die Beziehungen in ihrem engeren Umfeld zu verlassen, sollten Frauen auf offene und heterogene Beziehungsnetze setzen“, so Lutter. „Insgesamt müssen sie bei Entscheidungen über zukünftige Projekte strategischer und überlegter handeln, um sich Karrierevorteile zu sichern.“

Auch für andere Arbeitsmärkte sind die Ergebnisse interessant. „Arbeit findet heutzutage oftmals in Projektteams statt, die Filmwirtschaft ist hierfür ein Paradebeispiel“, erklärt Lutter. „Filmschaffende hangeln sich von Projekt zu Projekt, arbeiten für eine begrenzte Zeit zusammen und gehen danach wieder eigene Wege – so wie viele Freiberufler in den kreativen Berufen, aber eben auch viele Angestellte in großen Unternehmen.“ Lutters Forschungsergebnisse zeigen, mit welchen Strategien Frauen in diesen Arbeitsmärkten sichtbarer werden und eine höhere Chancengleichheit herstellen können. Arbeitgebern, die Frauen fördern wollen, bietet die Studie Anregungen für die Zusammensetzung von Projektteams. In Zeiten, in denen bei der Zusammenarbeit in Unternehmen hierarchische Strukturen zunehmend durch Netzwerkstrukturen abgelöst werden und Wissens- und Kreativarbeiter flexible Karrieren verfolgen, leistet die Studie einen Beitrag zum Verständnis der Effekte von Netzwerkstrukturen und wie sich einer beruflichen Benachteiligung sozialer Gruppen entgegenwirken lässt.

CS/SB

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