Hightech in luftiger Höhe

Im Amazonas-Regenwald entsteht ein 325 Meter hoher Turm für die Klimaforschung

8. Dezember 2014

Der Bau der Stahlkonstruktion wird im Sommer 2015 fertig sein, dann ist sie höher als der Eiffelturm. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Chemie sind zentral eingebunden und werden auch die Forschung koordinieren.

Wenn Jürgen Kesselmeier zur Baustelle des Amazonian Tall Tower Observatory (Atto) will, ist er von Brasiliens Metropole Manaus aus einen halben Tag unterwegs. Erst mit dem Auto gen Norden, dann östlich bis zum Balbina-Staudamm, weiter entlang des Rio Uatumã. Nach einer Bootsfahrt folgt die letzte Etappe, es geht im Jeep über eine Dschungelpiste. „Hier gibt es neben der Messstation mit zwei kleineren Türmen, die 80 Meter hoch sind, gar nichts, außer Wald“, sagt der Projektleiter vom Mainzer MPI für Chemie.

Nun kommt Atto hinzu, seit der Grundsteinlegung im August  2014 ist der Turm schon 270 Meter in die Höhe gewachsen. Wenn die Regenzeit vorüber ist, wird weitergebaut, bevor der Koloss im August 2015 eingeweiht werden soll. Hinter den Bauarbeitern, Technikern und Wissenschaftlern liegt dann ein logistischer Kraftakt, der nur gemeinsam zu meistern war. So schaffte beispielsweise eine brasilianische Firma die Stahlstreben auf dem Land- und Flussweg in das Schutzgebiet und stellte rund 30 Mitarbeiter. Diese übernachteten abwechselnd in Drei-Wochen-Schichten in Hängematten im Camp am Turm – mit eigener Küche, Dusche und WCs.

Teamwork der Nationen

Techniker und Wissenschaftler vom Nationalen Amazonasforschungsinstitut, der Universidade do Estado do Amazonas und des MPI für Chemie statten den Giganten nun mit Sensoren, Sonden und Pumpen aus. Auf verschiedenen Etagen wird künftig Luft angesaugt und der Anteil an Aerosolen gemessen. Zudem sollen Transportprozesse von Luftmassen untersucht werden, die über mehrere Hundert Kilometer stattfinden. „Wir wollen verstehen, wo und warum sich Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan, Distickstoffmonoxid und andere reaktive Spurengase bilden und sammeln“, erklärt Kesselmeier, zu dessen Team zehn MPI-Mitarbeiter gehören.

Besonders gerne erinnert er sich daran, wie er zum ersten Mal auf eine Höhe von 120 Meter kletterte, um drei Mitarbeitern ihr Mittagessen zu bringen. „Ich bin nicht einmal richtig schwindelfrei, aber es gab viele Stellen, an denen man sich gut festhalten kann“, erzählt er. Zudem sei er mit einer „grandiosen Aussicht belohnt“ worden. Dennoch hat Kesselmeier großen Respekt vor allen, die in dieser Höhe arbeiten. Ob er die 325 Meter erklimmen wird, weiß er noch nicht. Versuchen will er es auf jeden Fall.

Einzigartiger Standort

Was Atto so besonders macht ist nicht allein die Höhe. In Dubai gibt es Klima-Messstationen in 800 Meter Höhe, auf Dächern von Wolkenkratzern. Einzigartig ist das schützenswerte Ökosystem, in den die Wissenschaftler messen: Es geht um das größte zusammenhängende Waldareal des Planeten, das durch Eingriffe wie Brandrodung oder den Ausbau von Sojaplantagen immer weiter schrumpft. Amazonien hat als CO₂-Speicher und Süßwasserreservoir enormen Einfluss auf das Weltwetter und besitzt einen gigantischen Artenreichtum.

Der Messturm kostet rund 8,4 Millionen Euro, gut die Hälfte steuert das Bundesministerium für Bildung und Forschung bei. Die Kosten und der Aufwand jedoch lohnen sich. Denn Atto werde helfen, Fragen zum Klimawandel zu beantworten, und gängige Klimamodelle ergänzen, ist Kesselmeier überzeugt. Es heißt, im größten Tropenwald der Welt stünden noch ungefähr 390 Milliarden Bäume. Atto, der Turm, wird alle weit überragen. 

BA

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